GegenRechts: Blamage für rechte Hassprediger in Köln

Köln. Es scheint so, als hätten sich Alternativ-Karnevalisten und „Bunte Funken" gedacht: wer Leistung erbringt, soll auch lachen. Teils kostümiert und mit Karnevalspuppen ausgerüstet ziehen sie rund um den Heumarkt und stoppen bei den aus jungen Leuten bestehenden Blockaden an den Zufahrten und Gassen. Dann wird, angelehnt an einen Karnevalshit gesungen: „Die Blockade geht weiter, de Nazi kütt net dursch…" Die Spaßmacher tanzen, werfen Kamelle und die Jugendlichen jubeln ihnen zu. Selbst Polizisten der Einsatzhundertschaften in ihren gepanzerten Uniformen können sich ein Grinsen nicht verkneifen.

Köln hat am Wochenende gezeigt, was passiert, wenn eine Stadt zusammen steht gegen Rechtsradikale und „Anti-Islamisten". Der groß angekündigte „Anti-Islamisierungskongress" der rechtsradikalen Gruppen „pro Köln" und „pro NRW" wurde zu einer Blamage für die selbst ernannte „Bürgerbewegung". Wirte wollten sie nicht bedienen, Taxifahrer und Busunternehmen sie nicht chauffieren und unter falschen Angaben angemietete Räume wurden wieder gekündigt. Die größte Blamage folgt am Samstag: mehr als Zehntausend Gegendemonstranten gehen auf die Straße. Zwischen Dom und Gürzenich tobt über Stunden eine Mischung aus Demonstration, Straßenkarneval und die Neuauflage des „Arsch-huh"-Konzertes mit Auftritten der Musikgruppen „Höhner", „Brings", „Gentleman" und „BAP" – und es gibt eben besagte Blockaden. Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) sagt, die Kölner würden gemeinsam „mit Herzblut, Witz und Intelligenz" gegen „rassistischen Schwachsinn" protestieren und würden den Rechten so eine „Pleite erster Klasse" bescheren.

Schon gegen 10 Uhr hatten Teile der Demonstranten alle Gassen und Straßen zum Heumarkt, auf dem „pro Köln" vollmundig 1.500 der ihren erwartete, blockiert. Letztlich werden nur rund 50 Anhänger der „Pro-Bewegung" den Platz erreichen – dazu gesellen sich rund 50 Journalisten. Doch nicht alle 50 freiwilligen Teilnehmer der Versammlung dürften den um ein bürgerliches Image bemühten, selbst ernannten „Rechtspopulisten" genehm sein: unter ihnen befinden sich gut fünfzehn junge Neonazis aus dem militanten Spektrum um einen Kölner „Kameradschaftsführer" und ehemaligen NPD-Kreisvorsitzenden. Bis zu 300 weitere „Pro-NRW"-Anhänger und -Funktionäre sowie Vertreter von extrem rechten Parteien wie dem Vlaams Belang (Belgien) und der FPÖ (Österreich) sitzen derweil am Flughafen Köln-Bonn fest. Sie werden am Nachmittag dort eine Spontankundgebung abhalten – weswegen die Flughafenbetreiber ihnen laut „Spiegel-Online" Hausverbot erteilen.

Eigentlich hat die „Bürgerbewegung" einen „Anti-Islamisierungskongress" angekündigt. Auf einem Riesenplakat hinter der Bühne steht die Losung: „Stop Islam". Doch als die türkisch-stämmige Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke) gegen 11.45 Uhr auf dem hermetisch abgeriegelten Heumarkt auftaucht, sich frech die grelle Warnweste mit der Losung „Wir stellen und quer – Kein Rassismus bei uns in Köln" überstreift, schimmert schnell durch, dass die „Anti-Islamisten" entgegen ihren eigenen Beteuerungen Ausländerfeinde sind. Dagdelen bekommt von einer der „Pro"-Frauen zu hören: „Demonstrieren Sie in Ihrem Land!" Ein junger „Pro"-ler ruft mehrmals wütend: „Machen Sie das doch in Ihrer Heimat." Hans-Martin Breninek, früher Mitglied der rechtsextremen „Republikaner" und heute „pro Köln"-Ratsmitglied in der Domstadt, will sie gar aus der öffentlichen Versammlung ausschließen lassen: „Was wollt ihr hier!" schimpft der Senior. Dagdelen ist 1975 in Deutschland geboren und hier aufgewachsen.

Polizeipräsident Klaus Steffenhagen wird später den mehrheitlich friedfertigen Demonstranten danken, die sich deutlich von Gewaltsuchenden und Gewalttätigen distanziert hätten. Doch Steffenhagen spricht auch von „zügelloser Gewalt autonomer Linksradikaler". Bei Ausschreitungen wurden sechs Polizisten verletzt. Bis zum Samstagabend wurden laut Polizei 15 Autonome festgenommen, etwa 500 seien vorübergehend in Gewahrsam genommen worden. Die Politaktivisten hatten Molotowcocktails und Pflastersteine geworfen sowie Müllcontainer in brand gesetzt. Besonders im Bereich der Deutzer Brücke war zeitweise die Lage eskaliert, weil die Linksautonomen vermuteten, dass über die seit Freitagabend gesperrte Brücke die „Pro NRW"-Anhänger mit Bussen und Bahnen hätten anreisen sollen.

Doch auch sonst kommt es zu Rangeleien und Auseinandersetzungen. Als gegen 11 Uhr rund fünfzig behelmte Polizisten eine Handvoll „Pro-NRW"-Anhänger durch eine der Blockaden durchschleusen wollen, kommt es zu heftigen Rangeleien. Am Rande einer der Gegendemonstrationen sollen rund zwanzig „Autonome Nationalisten" – Neonazis, die sich wie Linksautonome kleiden – Antifaschisten attackiert haben. Einige Glatzköpfe, die an der Deutzer Brücke die Warnung auf einem Transparent missachten – „Durchgang für Nazis gesperrt!" – werden von Antifaschisten angegriffen. Sie müssen sich noch vor Beginn des „Arsch-huh"-Konzertes ausgerechnet in dessen abgesperrten Backstagebereich vor ihren Verfolgern flüchten, ehe die Polizei eintrifft.

Gegen 12.45 Uhr stehen und sitzen an allen Blockadepunkten je nach Größe der Gassen und Straßen zwischen 50 und 300 Menschen beisammen. Sie lassen neben Polizisten allenfalls noch Journalisten und Anwohner durch, die sich ausweisen können. Am Gürzenich stehen tausende Menschen vor der Bühne, die ersten Musiker treten auf. An einer der Blockaden knarzt es plötzlich aus den Lautsprechern eines Polizeitransporters, ehe eine Stimme sagt: „Achtung, es folgt eine Durchsage der Polizei Köln an alle Demonstrationsteilnehmer. Die Versammlung von Pro Köln ist verboten." Ein ohrenbetäubender Jubel bricht los. Bald darauf beginnen junge Türkinnen zu türkischer Musik zu tanzen. Und ein Polizeisprecher begründet das Verbot mit den Worten: „Der Zugang der dreihundert Teilnehmer auf den Heumarkt wäre nur unter massivem Polizeieinsatz mit unüberschaubaren Risiken für die Kölner Bevölkerung und die friedlichen Demonstrationsteilnehmern verbunden." Es wäre „völlig unverhältnismäßig" den Personen „mit Wasserwerfern und Spezialeinheiten den Weg zum Heumarkt zu ebnen." [İ Michael Klarmann; für AN (Politik od. S.3, ggf. muss dieses ausführliche Manuskript gekürzt werden, da zur Zeit der Abgabe noch nicht die genaue Platzverhältnisse im Blatt feststanden)]