Grosses Interesse bei Antikriegsveranstaltung zu Iran

Über 120 Interessierte nahmen an der Podiumsdiskussion mit Dr. Bahman Nirumand, MdB Sevim Dagdelen und MdEP Sabine Lösing zum Thema „Iran – Die Europäische Union auf Kriegskurs?" unter der Moderation des stv. Chefredakteurs der Tageszeitung "junge Welt", Rüdiger Göbel, teil.

Dr. Bahman Nirumand schilderte in seinem Vortrag die historischen Hintergründe der Islamischen Republik Iran und erklärte die innenpolitische Situation im Iran mit den klerikalen Machteliten. Sabine Lösing ging auf die "Krisendiplomatie" der Europäischen Union ein und legte die Politik der doppelten Standards der EU offen. Sevim Dagdelen setze sich in ihrem Vortrag mit dem Anlass des Irankonflikts auseinander und wies mit Zitaten und dem militärischen Build Up am Persischen Golf und darüber hinaus bis zum Indischen Ozean rundum Iran nach, dass es dem Westen weder um die Verhinderung von Atomwaffen nich um die Menchenrechte im Iran geht sondern um altbekannte imperialistsiche Interessenspolitik. Breite Resonanz gab es im Publikum für die Forderung des Podiums nach Aufhebung aller Sanktionen und Beendigung aller laufenden Kriegsvorbereitungen gegen den Iran. Es müsse jetzt alles dafür getan werden um einen drohenden Krieg gegen den Iran zu verhindern.

Der Vortrag von Sevim Dagdelen ist im folgenden dokumentiert.

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Vortrag Iran – Die Europäische Union auf Kriegskurs? Vortrag von Sevim Dagdelen am 22.3.2012

Ist die Europäische Union auf Kriegskurs? Zur Beantwortung dieser Frage möchte ich erst einmal einen Unterschied zwischen Strategie und Taktik aufmachen. Am Ende wird das Ergebnis stehen, dass sich die EU sowohl strategisch, als auch taktisch auf Kriegskurs befindet, auch wenn das so vielleicht gar nicht intendiert ist und die Folgen fatal sein werden.

Unter Strategie versteht man die Formulierung langfristiger Ziele, die u.a. militärisch erzielt werden sollen, sowie die Wahl ihrer Mittel. Gerade die langen Zeiträume, in denen hierbei gedacht wird, führen dazu, dass die konkreten und kurzfristigen Ereignisse und Begebenheiten – etwa das Agieren von „Feindstaaten" – eine eher untergeordnete Rolle spielen. Vielmehr besteht die strategische Ebene v.a. darin, überhaupt zu definieren – und zwar langfristig – wer überhaupt Bündnispartner und wer Konkurrenten und Gegner sind und das weitgehend unabhängig von deren Agieren in konkreten Situationen und Konflikten.

Die Strategie der Europäischen Union ist klar formuliert: Sie will eine Welt- und Wirtschaftsmacht werden. Dazu dient auch die Innen- und Wirtschaftspolitik der EU, wie sie etwa im Stockholmer Programm und der Strategie von Lissabon definiert wurden. Auch hier geht es v.a. um die Durchsetzungskraft der europäischen Wirtschaft, für die wir alle immer länger und immer härter arbeiten sollen, dabei immer besser überwacht und kontrolliert werden und noch dazu immer weniger Geld und Sicherheiten erhalten sollen. Dazu dient v.a. aber auch die Außenpolitik, die wie selbstverständlich den Anspruch erhebt, jederzeit weltweit unbegrenzten Zugang zu Rohstoffen und Märkten zu erhalten und die Ausgangsposition der EU gegenüber konkurrierenden Mächten beim Wettlauf um Rohstoffe und Märkte zu verbessern. Das ist klassisch imperialistische Politik und damit befindet sich die EU auf Kriegskurs.

Sehr deutlich sind die außenpolitischen Strategien der EU im Hinblick auf so genannte asymmetrische Bedrohungen – Piraterie, Terrorismus, Organisierte Kriminalität usw. – und sie entwickeln daraus den Anspruch, in so genannte gescheiterte Staaten jederzeit intervenieren zu dürfen. Vorsichtiger sind die Formulierungen, was andere Großmächte und die Schwellenländer angeht. Zur Gründung des Europäischen Auswärtigen Dienstes, der die – zivilen wie militärischen – Mittel der EU und ihrer Mitgliedsstaaten besser bündeln sollte, wurde die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hierzu relativ deutlich: „Denken Sie an den Aufstieg Chinas und anderer Global Players. Oder betrachten Sie die Folgen der Finanzkrise: Dem Westen blieben die Schulden, dem Osten die Profite. Und diese Umverteilung finanzieller Macht strukturiert politische Debatten… Es ist überall spürbar: Von den Verhandlungen über den Klimawandel und den Iran bis hin zu den Energieverträgen mit den Ländern Afrikas und Asiens. Wenn wir an einem Strang ziehen, können wir unsere Interessen wahren. Wenn nicht, werden andere für uns entscheiden. Es ist wirklich so einfach." Damit sind die zukünftigen Geber auf lange Sicht definiert: China und andere aufstrebende Mächte. Auch die Frage nach den Partnern ist schnell beantwortet: Das sind in erster Linie die USA, die NATO-Staaten und ihre Verbündeten. Ohne die NATO wäre es der EU nicht einmal möglich, ihre Weltmachtansprüche auch nur zu denken und bis heute kann die EU keinen handfesten Krieg – schon gar nicht zwei oder drei gleichzeitig, wie es sich für eine Weltmacht gehört – ohne die Unterstützung der NATO führen.

Wie entkoppelt diese strategischen Entscheidungen sind von der taktischen Lage sind – dem konkreten Agieren der Verbündeten und Gegner – wird an einem Zitat von Lothar Rühl deutlich, einem der wichtigeren Strategen der deutschen Außenpolitik, mit dem er die Notwendigkeit der deutschen Beteiligung am Afghanistankrieg begründete: „Um die Energiesicherheit und die Sicherheit des Seeverkehrs mit Tankern wie der Überland-Leitungen durch krisengeschütteltes Gebiet zu gewährleisten, bedarf es weiträumig mobiler und flexibler militärischer Kapazitäten, die kriseninterventionsfähig und koalitionsfähig sind. Besonders wichtig werden maritime Kapazitäten und schnell bewegliche Flottenpräsenz im Mittelmeer, in der Arabischen See, im Persischen Golf und im Indischen Ozean sein …Die EU-Staaten können diese nicht allein herstellen und dauernd einsatzbereit halten. Maritime Sicherheit setzt die Verbindung zu den USA und den US-Seestreitkräften in der NATO voraus. Die alliierten Seestreitkräfte der NATO sind im deutschen Interesse unersetzlich. Damit sind der Erfolg der NATO in Afghanistan und der Bestand der Allianz ein deutsches strategisches Interesse". In seinem Artikel von 2007 hatte er zuvor die relativ aussichtslose taktische Lage in Afghanistan beschrieben, es waren aber die strategischen Ziele, mit denen er dann argumentierte, dass man diesen Krieg dennoch, auf Gedeih und Verderb sozusagen, fortsetzen müsse.

Ich möchte noch kurz ein weiteres Beispiel für die Entkoppelung von Strategie und taktischer Lage nennen. Zu jeder Weltmachtstrategie gehört es auch, Regionalmächte als Stellvertreter aufzubauen und zu unterstützen. In Afrika sind das u.a. Nigeria im Westen und Äthiopien am Horn von Afrika. Gerade bei Äthiopien zeigt sich, dass das eine ganz schlechte Wahl ist, in Wahrheit ist Äthiopien der wesentlich Faktor für Instabilität mit seinen regelmäßigen Interventionen in Somalia und Eritrea und dem kontinuierlichen Bürgerkrieg, den die Regierung gegen die eigene Bevölkerung führt. Das ist mittlerweile auch den meisten EU-Diplomaten klar. Dennoch hat man sich für diesen Bündnispartner entschieden und es wird Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, um selbst in dieser eher untergeordneten Frage eine neue Strategie zu entwickeln und Äthiopien nicht mehr mit Geld und Waffen für seine schmutzigen Kriege zu belohnen.

Kommen wir vor diesem Hintergrund zum Nahen und Mittleren Osten. Wichtigster Akteur unter den Verbündeten der EU sind hier die USA und deren wichtigste Verbündete sind Israel, Saudi Arabien und die anderen Staaten des Golf-Kooperationsrates sowie Ägypten. Durch den Sturz Mubaraks bzw. den Militärputsch und die anhaltenden Proteste ist Ägypten jedoch ein unsicherer Partner geworden und umso enger arbeitet man nun mit dem Golfkooperationsrat zusammen, obwohl man weiß, dass dieser wiederum Gruppierungen unterstützt, die der Al Kaida nahestehen. Zwei weitere Staaten der Region hatten das Potential für den Status einer Regionalmacht: Irak und der Iran. Deshalb hat man jahrzehntelang unterstützt, dass sich beide offen und verdeckt in einem Abnutzungskrieg bekämpfen. Dann kam 2003 der gescheiterte Irak-Krieg, der den Irak als Gegengewicht schwächte und den Iran stärkte. Damit bestand die Gefahr einer Regionalmacht Iran, die eben nicht der NATO, sondern eher deren strategischen Gegnern nahesteht. In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu „Teherans hegemonialen und nuklearen Interessen" aus dem Jahr 2008 wird die daraus resultierende Lage sehr deutlich beschrieben: „Aufgrund der energiepolitischen Interessen Russlands, Chinas, Indiens und anderer Staaten sei mit einer kontinuierlichen Zunahme der iranischen Machtposition zu rechnen… Auf jeden Fall ist … eine zunehmende Interaktion und Vernetzung Irans zu verzeichnen… Das Jahr 2007 bleibt im Hinblick auf die Außenpolitik Irans gekennzeichnet von deutlich spürbaren Anstrengungen Teherans, die eigene Machtposition auszubauen, den Einfluss des Westens – besonders der USA – zurückzudrängen und mit Hilfe von regionalen Bündnissen wie der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) und den so genannten Kaspi-Anrainern ein eigenständiges wirtschaftspolitisches Netzwerk und politisches Gegengewicht aufzubauen… Als Partner in der Positionierung gegen die USA hat Iran außerdem Venezuela gewonnen und mit Staatspräsident Chavez umfangreiche Verträge unterzeichnet. Auch die Beziehungen zu Nicaragua, Bolivien und Weißrussland wurden vertieft… Außerdem bemüht sich Iran um den Aufbau einer Golfsicherheitsstruktur, in der sich nach Vorstellung Teherans Iran, der Golf-Kooperationsrat und Irak zusammenschließen sollen… Unterdessen hätten die Golf-Anrainer dem iranischen Führungsanspruch mit Ausnahme der gut ausgerüsteten saudischen Luftwaffe wenig entgegen zu setzen und seien nicht zuletzt wegen Irans Kontrolle über die wichtige Transportader der Straße von Hormuz auf gute Beziehungen zu Teheran angewiesen." Zuletzt wird noch ein Artikel aus der New York Times mit dem Titel „Erstes Gesetz der Petropolitik" zitiert, wonach der Iran, wie andere „Energieexporteure", „außenpolitisch bei wachsenden Öleinnahmen immer weniger Rücksicht darauf [nimmt], was die Welt und insbesondere der Westen von ihnen hält". Der Iranexperte der regierungsnahen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) bringt in dieser Studie die damalige geopolitische Konstellation auf den Punkt: Unklar sei, „welche Rolle Iran in Zukunft spielen werde. Störfaktor oder tatsächlich eine regionale Großmacht?"

In dieser Zeit war viel von den BRICS, aufstrebenden Schwellenländern, die Europa und den USA ihre Führungsrolle streitig machen könnten, die Rede, noch bevor dieser Aufholprozess durch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise beschleunigt wurde. In dieser Situation galt es, zumindest den Aufstieg einer dieser Mächte offensiv zu verhindern und damit den Weltmachtanspruch der NATO noch einmal zu untermauern. Während Russland und China zu mächtig waren und Südafrika im Verhältnis zur Entfernung strategisch zu unbedeutend, fiel die Wahl auf den Iran – nicht zuletzt natürlich auch wegen der enormen Erdölvorkommen in der Region. Deshalb wurde mit den Sanktionen – wie Sabine das bereits dargestellt hat – ein schleichender Krieg gegen den Iran begonnen. Ähnlich wie bei Afghanistan geht es dabei nicht um die proklamierten Ziele – Bekämpfung des Terrorismus hier und Einstellung des Atomprogramms dort – oder nur insofern, als sie dem übergeordneten Ziel, dem Weltmachtstatus, dienen, indem sie beweisen, dass man es kann.

Es wurde viel spekuliert darüber, ob die NATO eine Niederlage, einen Abzug aus Afghanistan als Bündnis überleben würde und seit Jahren – etwa seit dem Erscheinen des Artikels von Lothar Rühl – wird der Krieg nur noch geführt, um einen Abzug zu ermöglichen, der einen Fortbestand der NATO gewährleistet. Nun stellen wir uns zu der Niederlage der NATO in Afghanistan folgendes Szenario vor: Der Iran erreicht trotz aller „diplomatischer" Bemühungen, trotz Sanktionen, Kriegsdrohungen und verdeckter Kriegführung die Atomwaffenfähigkeit, soweit sie ihm der Atomwaffensperrvertrag zugesteht, kommt unter der Vermittlung anderer Schwellenländer zu einer Einigung mit der IAEO und erzielt die Aufhebung der Sanktionen. Anschließend bemüht er sich um die Einrichtung einer Atomwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten, rückt also die existierenden israelischen Atomwaffen ins Zentrum der Auseinandersetzung. Mit dem Iran hätten wir dann eine neue Regionalmacht, die gegen den aktiven Widerstand der NATO-Staaten mit Unterstützung Chinas, Russlands und anderer Schwellenländer ihren Einfluss in dieser geostrategisch wichtigen Region ausübt. Damit müsste die NATO, die gegenwärtig als einzige internationale Kraft diesen Anspruch erhebt, ihren Weltmachtanspruch endgültig aufgeben.

Kommen wir nun zu den taktischen Entscheidungen, die aus den genannten strategischen Zielen und Konstellationen entstehen. Die Eigendynamik der Sanktionen hat ja Sabine bereits beschrieben, wobei ich hierzu – taktisch gedacht – ergänzen möchte, dass die Sanktionen ja auch Trägersysteme und damit konventionelle Waffensysteme – etwa auch die Luftabwehr – und all ihre Vorstufen betreffen. Taktik unterscheidet sich von der Strategie ja dadurch, dass sie gezwungen ist, sich mit den Reaktionen der Gegner auseinanderzusetzen und nicht allein von utopischen Hegemonieansprüchen getragen ist. Wie regiert also ein Gegner, der unter Kriegsandrohungen quasi zur Verteidigungsunfähigkeit sanktioniert wird? Er hat verstärkte Anreize, sich auf nichtkonventionelle Mittel der Kriegführung zu verlagern, also einerseits tatsächlich Atomwaffen zu entwickeln und andererseits auf unkonventionell Kriegführung zurückzugreifen, also irreguläre Kräfte in Nachbarstaaten zu unterstützen oder auch terroristische Gruppen, die ggf. in den Straßen von Hormuz oder Aden den Welthandel durch Anschläge empfindlich treffen oder die Lage der NATO etwa in Afghanistan deutlich verschlechtern können. Vor diesem Hintergrund ist es eher erstaunlich, dass der Iran auch aus US-amerikanischer Sicht in Afghanistan nach wie vor eher eine „produktive" Rolle spielt und es kaum Hinweise gibt, dass er etwa in Somalia oder Jemen Kräfte unterstützt, die gegen die westlichen Verbündeten aktiv sind – während die USA in der gesamten Region alles unterstützen, was gegen den Iran oder schiitische Gruppen gerichtet ist. Ich möchte damit nicht sagen, dass der Iran, wenn er in aller Ruhe eine konventionelle Landesverteidigung aufbauen könnte, seine Unterstützung für Hamas und Hisbollah aufgeben würde. Die Drohung aber, im Falle eines Angriffs auf den Iran die ganze Region zu destabilisieren und einen Krieg an den Grenzen Israels zu entfesseln, ist umso wichtiger.

In diesem Zusammenhang ist auch der Krieg Israels gegen den Libanon bzw. die Hisbollah von 2006 zu sehen. War es Ziel der israelischen Regierung, die Hisbollah hiermit zu schwächen, war das Ergebnis genau das Gegenteil. Aus dem Krieg resultierte die UNIFIL-Operation, an der sich Deutschland auf Bitte seines Verbündeten Israels beteiligt. Die UNIFIL-Operation findet erstaunlich wenig Beachtung dieser Tage, obwohl sie in einem engen Zusammenhang mit der drohenden Eskalation gegen den Iran steht. Im Rahmen der UNIFIL-Mission patrouilliert die deutsche Marine die Küste des Libanon und versucht sie, Waffenlieferungen des Iran an die Hisbollah zu unterbinden. Gleichzeitig bildet sie libanesische Soldaten aus in der Hoffnung, dass diese im Falle einer Eskalation im Iran und damit auch an der israelisch-libanesischen Grenze gegen die Hisbollah vorgeht. Die deutsche Beteiligung an UNFIL ist strategisch motiviert: Sie erfolgt auf die Bitte eines Verbündeten und liegt darüber hinaus im spezifisch deutschen Interesse einer „Normalisierung" der deutschen Außenpolitik, die sich perverser Weise angeblich darin ausdrückt, vor den Küsten Israels zu patrouillieren. Taktisch ist sie Teil einer Einkreisungsstrategie gegenüber dem Iran und seiner Verbündeter und macht damit eine Eskalation wahrscheinlicher. Taktisch gesehen ist sie also auch eine Bedrohung Israels.

Ähnlich verhält es sich mit der Lieferung von Unterseebooten an Israel. In den 1990er Jahren hatte Deutschland Israel zwei U-Boote der Dolphin-Klasse geschenkt, 2005 wurde dann die Lieferung zweier weiterer U-Boote der Dolphin-Klasse beschlossen, deren Kosten Deutschland zu einem Drittel trug. Diese U-Boote werden nicht mehr mit Diesel, sondern durch moderne Brennstoffzellen angetrieben. Vor wenigen Wochen wurde dann der Vertrag über ein sechstes U-Boot finalisiert, das subventioniert durch den deutschen Steuerzahler nach Israel geliefert werden soll. Wir sehen also auch hier eine strategische Kontinuität, die verschiedene Regierungen überdauert. Allein die Lieferung von U-Booten in eine Krisenregion ist ein Skandal. Begründet wird sie mit „sicherheitspolitischen" – also strategischen – Interessen der Bundesrepublik. Besonders brisant ist jedoch, dass Israel diese Boote mit Atomwaffen bestücken kann und dies offenbar auch tut. Bereits im Frühjahr 2010 berichteten israelische und US-amerikanische Medien, dass Israel bislang sporadisch ein atomar bewaffnetes U-Boot vor Irans Küste stationiert hatte, nun aber den Beschluss gefällt hätte, permanent ein solches zu stationieren. Hierzu sind die neuen deutschen U-Boote bestens geeignet, da die Brennstoffzellen wesentlich längere Tauch- und Einsatzzeiten ermöglichen. Deutschland leistet hier also ganz konkrete Hilfe dabei, dass Israel – das den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat – den Iran mit Atomwaffen bedroht. Natürlich leistet dies einen großen Beitrag zur Eskalation des Atomkonfliktes als ein wesentlicher Anreiz – auch für die iranische Bevölkerung – das Atomprogramm voranzutreiben. Das weiss natürlich auch die Bundesregierung, gesteht es jedoch nicht ein. Auch hier steht das strategische Interesse an der Unterstützung des Verbündeten Israel über den taktischen Folgen, die geradewegs in einen Krieg führen.

Ganz im Gegenteil, übernimmt die Bundesregierung die Darstellung ihrer Verbündeten. Die Deutlichkeit, in der Guido Westerwelle dies erst vor wenigen Tagen wieder tat, ist schockierend. Am 12. März sagte er vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen: „Das iranische Atomprogramm gefährdet die Stabilität der Region und das internationale Nichtverbreitungsregime. Ein atomar gerüsteter Iran ist nicht hinnehmbar." Das ist im Grunde ein Skandal, weil es eine Kriegslüge ist, und das Schweigen der deutschen Presselandschaft hierzu ist bezeichnend. Denn Westerwelle suggeriert hierbei, dass der Iran ein militärisches Atomwaffenprogramm verfolgt, was offenbar nicht der Fall ist. Er behauptet das nicht konkret, aber er sagt, „Das iranische Atomprogramm gefährdet die Stabilität der Region" ganz unabhängig davon, ob das zivil oder militärisch ist. Von der Stationierung israelischer Atomwaffen vor der Küste des Iran geht hingegen nach seiner Auffassung keine Gefahr für die Stabilität der Region aus, im Gegenteil liefert Deutschland hierfür die notwendige Technologie – an einen Staat, der den Atomwaffensperrvertrag nicht einmal unterschrieben hat. Ganz einfach, weil Israel zum strategischen Partner und der Iran zum strategischen Feind erklärt wurde.

Diese strategische Ausrichtung könnte auch noch in einem ganz anderen Kontext brisant werden und damit komme ich zum Schluss von Deutschland noch einmal auf die Europäische Union zurück. Diese unterhält in der Region mit ATALANTA eine Marine-Mission, deren Einsatzgebiet Teile des Indischen Ozeans, das Rote Meer, den Golf von Aden und das Arabische Meer umfasst. Diese Mission umschließt u.a. Socotra, eine zum Jemen gehörende Insel, auf der angeblich in den letzten Monaten zehntausende US-Soldaten in Vorbereitung auf einen Krieg gegen den Iran stationiert wurden. Diese Mission grenzt unmittelbar an den Golf von Oman und die Straße von Hormuz und liegt nur 140 Seemeilen von den iranischen Hoheitsgewässern entfernt. Dieser Einsatz dient offiziell der Pirateriebekämpfung bzw. dem Schutz von Schiffen des Welternährungsprogrammes. Tatsächlich geht es dabei jedoch um mehr, um das, was Lothar Rühl die strategischen Interessen Deutschlands genannt hat, „Energiesicherheit und die Sicherheit des Seeverkehrs", den Zugang zu Rohstoffen und Märkten. Es geht hier um die kontinuierliche Präsenz und Dominanz auf den Weltmeeren, wie sie eine Weltmacht definiert. Es geht auch hier nicht primär um die militärische Einkreisung des Iran, hat diese aber zur Folge. Sollte ein See-Embargo gegen den Iran verhängt werden, dann wären die vor seinen Hoheitsgewässern patrouillierenden Schiffe der EU geradezu verpflichtet, dieses durchzusetzen. V.a. aber wird die Präsenz der Kriegsschiffe und der EU-Militärs im Rahmen von ATALANTA immer wieder genutzt, um auch andere Aufgaben zu übernehmen. So wird gegenwärtig eine weitere Mission vorbereitet, die ergänzend zu ATALANTA EU-Militärberater in die ostafrikanischen Staaten schicken soll, um ihnen beim Aufbau ihrer Seestreitkräfte zu helfen. Das ist Bündnispolitik, so sollen die Ostafrikanischen Staaten dazu gebracht werden, sich auf die Seite der NATO und der EU zu schlagen und diesen auch im Falle einer Eskalation ihre Häfen zur Verfügung zu stellen. Ebenfalls parallel zur ATALANTA-Mission steht die EU in Verhandlungen über eine Zusammenarbeit mit dem Oman bei der „Bekämpfung der Piraterie" in der Straße von Hormuz. Dort allerdings gibt es bislang gar keine Piraterie. Die EU will dort Seefernaufklärer stationieren. Höchstwahrscheinlich werden diese Seefernaufklärer aus Deutschland stammen. Diese Seefernaufklärer waren bereits bei der Mission ATALANTA im Einsatz, dort aber keineswegs nur mit der angeblichen „Pirateriebekämpfung" beschäftigt, sondern zugleich auch im Rahmen der US-geführten Mission Enduring Freedom am Krieg gegen den Terror beteiligt, während die USA in den angrenzenden Staaten Jemen und Somalia gezielte Tötungen durchführten. An dieser Straße von Hormuz, dem Zugang zum Persischen Golf wollen Deutschland und die EU nun einen Seefernaufklärer stationieren, obwohl sich abzeichnet, dass dort im Falle einer Eskalation die heftigsten Gefechte stattfinden werden. Die USA haben hierhin bereits drei Flugzeugträgerverbände entsandt, der Iran hat eigene Zerstörer entwickelt, verfügt über Fregatten aus britischer und U-Boote aus russischer Produktion sowie über 40 Raketen- und 150 Patrouillenboote. Er hat Raketen, mit denen er Militärstützpunkte und Ölanlagen an der Gegenküste auf der Arabischen Halbinsel angreifen kann, von wo aus vermutlich Luftangriffe geflogen oder zumindest gestützt werden. Hier gab es bereits um die Jahreswende ein deutlich vernehmbares Säbelrasseln, nachdem der Iran drohte, die Strasse von Hormuz zu blockieren und ein Manöver durchführte, woraufhin das US-Militär verkündete, es würde dies nicht zulassen und ebenfalls militärisch Präsenz zeigte. Nach Angaben des Europäischen Parlaments wurden daraufhin „zusätzliche europäische Marinetruppen abgestellt, um dieser Bedrohung zu begegnen" und „in der gesamten Region die militärische Lage auf die ‚höchste Alarmstufe‘ hochgestuft". Das deutsche Parlament wurde darüber nicht informiert, wir versuchen gerade herauszufinden, welche „europäischen Marinetruppen" dies waren, gehen aber ziemlich sicher davon aus, dass es sich um Schiffe handelt, die im Rahmen der ATALANTA-Mission vor Ort waren. Jedenfalls war die Heraufstufung der Gefahrenlage kein Thema im Parlament, obwohl sich damit die Rahmenbedingungen des Einsatzes ja wesentlich verändern. Anstatt diesen in diesem Kontext zu beenden, wurde er nun von der EU – wiederum unter Umgehung des Parlaments – sogar ausgeweitet. Ich habe deshalb keinen Zweifel daran, dass die EU und ATALANTA im Falle einer weiteren Eskalation ihren israelischen, US-amerikanischen und arabischen Verbündeten bei Bedarf zur Hilfe eilen werden und so taktisch noch weiter in einen Krieg gegen den Iran verwickelt werden. Auch wenn dies so gar nicht geplant ist.

Letztlich ist es also die imperialistische Strategie der NATO, der EU und ihrer Mitgliedsstaaten, welche diese immer wahrscheinlicher in einen Krieg mit dem Iran führt. Diese Strategie basiert auf einem Hegemonieanspruch, der die realen Machtverhältnissen nicht einmal mehr wahrnimmt, von diesen entkoppelt ist. Wie ich dargestellt habe, sind Strategiewechsel eine sehr seltene und träge Angelegenheit und von einer imperialistischen Elite wie der unsrigen nicht zu erwarten. Wir müssen diese herrschenden Eliten also auf ihren Platz verweisen und ihnen ihr gefährliches militärisches Werkzeug aus der Hand nehmen und zwar schnell, bevor der nächste Krieg im Nahen und Mittleren Osten eskaliert.