Das Gebot der Stunde heißt: rekommunalisieren!
Liebe KollegInnen und Kollegen,
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich heiße euch alle hier in Bochum, wo ich mein Wahlkreisbüro habe, herzlich willkommen.
Vor sieben Monaten fand hier an gleicher Stelle die Nokia-Konferenz „Nokia ist überall! –Was tun?" statt. Angesichts der Massenentlassungen bei Nokia Bochum, hatte ich damals darauf hingewiesen, was erst passieren würde, wenn wir nicht gegensteuern, wenn die US-Ökonomie einbricht. Jetzt ist es soweit. Die Finanzkrise in den USA führt zu Bankenpleiten und massiven Kursstürzen an den Aktienmärkten. Die Autobauer sehen massiven Einbrüchen ihrer Verkaufszahlen entgegen. Jetzt hat das Opel-Management beschlossen, die Arbeit auch hier in Bochum zeitweise ruhen zu lassen. Dazu kommt, dass die Firmen einfach keine Kredite mehr bekommen um ihre Produktion zu finanzieren. Das gesamte Bankensystem steht still. Keine Bank leiht mehr einer anderen kurzfristig Geld. Die Maßnahmen der Regierungen dagegen greifen nicht und laufen lediglich auf eine Sozialisierung der Verluste hinaus. Und das, meine lieben Freundinnen und Freunde, können wir nicht – ja dürfen wir nicht akzeptieren! Einen Sozialismus für Spekulanten und Bankmanager darf es nicht geben!
Was hat das alles mit dem heutigen Thema zu tun – sehr viel. Denn in der Bankenkrise tobt sich dieselbe Logik aus, wie in den jahrelangen Privatisierungskampagnen. Wir kennen die Argumente. Privat vor Staat ist das Gebot. Private machen es billiger und der Service wird besser. Aber wie in der Bankenkrise hat sich dieser neoliberale Mythos gründlich blamiert.
Ein Blick auf Bochum genügt, um zu sehen, wie die Mythen des Neoliberalismus sich aufs schlimmste entlarven. Nachdem bereits massive Kritik an Privatisierungen geäußert wurde, verfiel man auch auf die Idee stärker auf das so genannte Cross-Border-Leasing zu setzen. Hier verbleibt die Kontrolle scheinbar bei den Kommunen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus……
2003 wurde in Bochum vom rot-grünen Rat beim Cross-Border-Leasing-Deal für einen Netto-Barwertvorteil von rd. 20 Mio. € das städtische Kanalnetz in einem Hauptmietvertrag an einen US-Trust verleast. Das Vertragswerk umfasst angeblich 1.700 Seiten. Und der Vertragspartner ist angeblich die First Fidelity International, ein Ableger der bislang viertgrößten US-Bank Wachovia Corporation, North Carolina, USA. Die Wachovia Corporation ging jetzt als Teil der US-Bankenkrise praktisch Pleite und wurde an Wells Fargo veräußert. Doch auch Wells Fargo steht keineswegs auf sicheren Füßen.
Die Bürgerinnen und Bürger Bochums hatten sich schon damals, im Frühjahr 2003, in einer Initiative mit Unterstützung von Attac Bochum, dem Bochumer Mieterverein und auch der damaligen PDS mit über 15.000 Unterschriften gegen diesen CBL-Deal ausgesprochen. Trotz der massiven Kritik wurde das CBL damals gegen den erkennbaren Willen der Mehrheit der Bochumer Bevölkerung betrieben und unterschrieben.
Jetzt muss die Stadt Bochum sich wahrscheinlich einen neuen Rückversicherer suchen, weil das Rating des bisherigen Rückversicherers, nicht mehr den Vertragsbestimmungen entspricht. Das heißt auf die Stadt Bochum und vor allem die Bürgerinnen und Bürger Bochums kommen Zahlungen in unbekannter Millionenhöhe zu. Wie dürfen es nicht zulassen, dass dieser Privatisierungswahn – in welcher Form auch immer – weiter geht. Die Verantwortlichen müssen dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Doch das wird nicht reichen. Die Frage steht, wie wir uns das veräußerte kommunale Eigentum zurückholen. Das Gebot der Stunde heißt: rekommunalisieren! Angesichts der schweren Wirtschaftskrise der wir jetzt ausgesetzt werden, ist das geradezu eine Pflicht.
Gestattet mir zum Abschluss noch eine weitere Bemerkung zur Finanzkrise machen. Angesichts der beschriebenen Dramatik mit schwersten Folgen für uns alle, müssen wir auch bisherige Tabus brechen. Von verschiedener Seite wird als einziger Weg aus der Bankenkrise auf eine Komplettverstaatlichung des Bankensystems verwiesen. Am 29. September titelte z.Bsp. die Frankfurter Rundschau: „Verstaatlicht alle Banken!" Und bereits Keynes vertrat in den 30er Jahren die Forderung nach „einer ziemlich umfassenden Verstaatlichung der Investitionen".
Und deshalb sage ich nochmals: Wir dürfen hier angesichts der Situation keine Schere im Kopf haben. Jetzt ist die Krise des Kapitalismus offen ausgebrochen. Jetzt gilt es diese Krise anzugehen. Wir müssen sicherstellen, dass die Krise nicht auf dem Rücken der Beschäftigten, Rentner und Erwerbslosen abgeladen wird. Mit der kapitalistischen Logik der Privatisierungen und der privaten Profitaneignung von einigen wenigen zu Lasten der Allgemeinheit muss nachhaltig gebrochen werden.
In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine erfolgreiche Konferenz.