Haltung der Bundesregierung zu einer Äußerung von Bundesminister Wolfgang Schäuble über das Problem der arrangierten Ehen und die Integrationsfähigkeit der insbesondere türkischstämmigen Betroffenen
Auf welche Quelle bzw. statistischen Angaben stützte sich der Bundesminister des Innern,
Dr. Wolfgang Schäuble, als er im Rat der Justiz- und Innenminister am 26./27. Februar
2009 in Brüssel laut Ausschussdrucksache 16(4)565 zum „Problem der arrangierten
Ehen“ sagte, dass „ca. 40 % der in Deutschland geborenen türkischstämmigen Personen
Ehepartner aus ländlichen Regionen der Türkei [heirateten], die in Deutschland schwer integrierbar seien“, und ist nach Auffassung der Bundesregierung die Herkunft aus einer ländlichen Region gleichbedeutend oder ein hinreichendes Indiz für die Annahme, Heiraten mit solchen Personen könnten nur „arrangiert“ und die Betroffenen nur „schwer integrierbar“ sein (bitte ausführlich begründen)?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Peter Altmaier vom 17. März 2009
Die Zuwanderung zum Zweck der Eheschließung und der Ehegattennachzug (Heiratsmigration) stellen einen wichtigen Teil des Migrationsgeschehens in Deutschland dar. Zur zahlenmäßigen Erfassung des Ehegatten- und Familiennachzuges kann u. a. die Visastatistik des Auswärtigen Amts herangezogen werden. Diese bildet die Fälle ab, in
denen in einer deutschen Vertretung im Ausland ein Visum für den Nachzug eines Ehegatten oder Familienangehörigen erteilt wurde. Nach dieser Statistik ist die Türkei häufigstes Herkunftsland des Ehegatten- und Familiennachzuges. Nach einer im Jahr 2007 veröffentlichten Studie des Zentrums für Türkeistudien machen die nachgereisten
Ehepartner der zweiten Generation mehr als ein Viertel der erwachsenen
türkischen Migranten aus. Hierauf Bezug nehmend hat der Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, auf vorsichtige ministeriumsinterne Schätzungen verwiesen, wonach zum Teil bis zu 40 Prozent der in Deutschland geborenen türkischstämmigen Personen
eines Jahrgangs Ehepartner aus der Türkei heiraten. Die Darstellung in der zitierten Ausschussdrucksache ist insoweit verkürzend. Gesicherte Zahlen ergeben sich im Übrigen aus dem Mikrozensus 2007 hinsichtlich des Heiratsverhaltens türkischer Männer und
Frauen. Demnach heiraten Personen mit türkischem Migrationshintergrund
um die 90 Prozent Personen mit Migrationshintergrund. Allerding ist statistisch nicht erfasst, zu welchem Anteil wiederum Personen mit türkischem Migrationshintergrund betroffen und wie viele hiervon nachgezogen sind. Der besondere Integrationsbedarf türkischer Frauen kann zum einen daran festgemacht werden, dass diese 1,5-mal häufiger Alphabetisierungskurse besuchen als der Durchschnitt aller Frauen in den Integrationskursen. Auf die bestehende Benachteiligung von Frauen in der
Türkei im Bildungswesen weist auch die Stellungnahme des Ausschusses
des Europäischen Parlaments für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter für den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten zum Fortschrittsbericht über die Türkei 2007 vom 15. April 2008 (2007/2269(INI)) hin. Vor diesem Hintergrund stellt
die Heiratsmigration aus der Türkei, die auch in der zweiten Generation
in einem erheblichen Umfang stattfindet, eine wesentliche Herausforderung
für die Integrationspolitik der Bundesregierung dar.