Hülya Gürler über die schwarz-gelben Integrationspakete

Um den "Integrationsverweigerer" spüren zu lassen, was in Deutschland geht und was nicht, brachte das Kabinett Veränderungen im Ausländer-, Aufenthalts-, Asyl- und Strafrecht auf den Weg: Insbesondere minderjährige Frauen, die mehr oder weniger freiwillig ins Ausland zwecks Heirat reisen, können auch zehn Jahre nach der Ausreise zurückkehren – wenn sie eine "positive Integrationsprognose" vorlegen. Bisher erlosch das Rückkehrrecht nach sechs Monaten. Täter, die junge Frauen oder – in wenigen Fällen – Männer gegen ihren Willen verheiraten, können mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen. Um Scheinehen zu verhindern, bekommt ein zugewanderter Ehepartner künftig erst ab drei Jahren eine eigenständige Aufenthaltserlaubnis statt wie bisher nach zwei Jahren. Die sogenannte Residenzpflicht wird gelockert, damit Flüchtlinge auch anderswo leichter Arbeit, Ausbildung oder ein Studium aufnehmen können. Die Teilnahme an Integrationskursen wird stärker überwacht. Echter Opferschutz? Migrantische Abgeordnete von Linkspartei und Grünen haben das Gesetzespaket harsch kritisiert: Sevim Dagdelen (Die Linke) sieht die Regierung mit diesem Gesetzentwurf "Öl ins Feuer der laufenden Integrationsdebatte" gießen. Erst werde der Popanz des Integrationsverweigerers aufgebaut, um diesen zum Beispiel "in einem Atemzug mit Zwangsheirat" gleichzusetzen. Integrationskurse würden dabei finanziell schlecht ausgestattet. Die Bundesregierung wolle Vollzeitkurse mehr ausbauen und Teilzeitkurse beschränken. Das sei nachteilig für Erwerbstätige. Außerdem soll es Kürzungen bei der Kinderbetreuung geben, was für die Mütter die Teilnahme erschwere. Insgesamt gehe es der Regierung mehr um Symbolpolitik als um wirklichen Opferschutz.

Den Opferschutz sieht auch Ekin Deligöz (Grüne) nicht gewährleistet. Wie Dagdelen sieht sie das verbesserte Rückkehrrecht zwar positiv. Die Schwierigkeiten lägen aber nicht im juristischen Bereich, sondern im mangelnden Angebot an Hilfe und Beratung. Eine gute Ausbildung der Frauen und Mädchen sei die beste Prävention gegen Zwangsheirat. Die Lockerung der Residenzpflicht geht für die Grünen-Abgeordnete nicht weit genug: Gewaltopfer haben weiterhin nicht die Möglichkeit wegzuziehen.

Der Grüne Memet Kilic sagt, "dass die Regierung eher eine Show veranstaltet als ergebnisorientiert zu arbeiten." Auch er findet die Zwangsheiraten im bisherigen Gesetz ausreichend abgehandelt. Kilic meint, dass die Regierung mit der aktuellen Integrationsdebatte versucht, ihre sinkenden Umfragewerte auf Kosten der Migranten zu erhöhen.

Klar ist – die Regierung setzt die falschen diskursiven Signale – Muslime verweigern per definitionem die Integration, zwangsverheiraten ihre Töchter (oder auch Söhne). Auch stehen binationale Partnerschaften unter dem Generalverdacht der "Scheinehe". Migranten, Anderssein und Zuwanderung sind eine Belastung für Deutschland und keine Notwendigkeit. "Integration" wird hier zum Zwang. Die Regierung hat aus der Geschichte, die auch eine Geschichte ethnisch-religiös konnotierter Sondergesetze ist, nichts dazugelernt.