Humanität auf der Anklagebank
„Hier wird solidarische Flüchtlingshilfe und Humanität auf die Anklagebank gezerrt und es soll ein Exempel statuiert werden. Auf die Anklagebank gehören nicht die Retter, sondern die Verantwortlichen der tödlichen EU-Abschottungspolitik.", so Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, anlässlich der am Montag 10.45 Uhr in Berlin stattfindenden Übergabe einer Solidaritätserklärung zahlreicher Prominenter an den italienischen Botschafter. Tobias Pflüger, Mitglied des Europäischen Parlaments: „Es ist geradezu zynisch diejenigen zu kriminalisieren, die die durch die Abschottungspolitik der EU in Not geratenen Flüchtlinge vor dem sicheren Tod retteten. Nur eine sofortige Beendigung dieser Politik wird tödliche Tragödien wie Ende März dieses Jahres, als mehr als 200 Flüchtlinge vor der libyschen Küste ertranken, beenden."
37 Menschen, die bei ihrer Seeflucht aus Afrika Schiffbruch erlitten, wurden im Juli 2004 durch die Besatzung des Schiffes Cap Anamur der gleichnamigen Hilfsorganisation gerettet. Die Retter wurden wegen vorsätzlicher Aufnahme der Flüchtlinge und der Beihilfe zur illegalen Einreise verhaftet, die Geretteten in Haft genommen und binnen weniger Tage abgeschoben. Pflüger: „Dieses Verfahren ist eine politische Farce. Schon bei meinem Besuch der Gefangenen 2004 war klar, dass alles auf den Versuch hinauslaufen würde humanitäre Hilfe zu kriminalisieren. Die Anklage hätte nie erhoben werden dürfen."
Ihren politischen Charakter hatte der Oberstaatsanwalt von Agrigento am 26. November 2006 deutlich gemacht: Man sei ‚in rechtlicher und auch in politischer Hinsicht dazu gezwungen, die Wiederholung solcher Aktionen zu verhindern, auch wenn sie aus edler Absicht geschehen.‘ In einem Brief haben sich deshalb beide Abgeordneten zusammen mit dem Fraktionsvorsitzenden Dr. Gregor Gysi an den Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, und den Justizminister Italiens, Angelino Alfano gewandt. Darin fordern die drei, dass sich Steinmeier und Alfano dafür einzusetzen, dass der Versuch, humanitäres Engagement aus politischen Gründen strafrechtlich zu verfolgen, beendet wird, und auf die Einstellung des Verfahrens hinzuwirken.
„Schutzbedürftigen stehen entsprechend den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention Schutz vor Zurückweisung zu. Statt die Verpflichtung zur Seenotrettung und das Recht auf Asyl für Verfolgte in Europa weiter auszuhebeln, sollte sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass der Rechtsanspruch, in den nächsten sicheren Hafen gebracht zu werden, sodass dort Asylanträge geprüft werden können, durchgesetzt wird", so Dagdelen.