Integration: Die Reichen müssen den Tisch decken
Rede zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Integration ist gelebte Demokratie und stärkt den sozialen Zusammenhalt Drucksache 18/7651“
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Vielen Dank. – Als Nächstes hat Sevim Dağdelen, Fraktion Die Linke, das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind im Moment Zeugen eines immer stärkeren Auseinanderdriftens der Gesellschaft in Deutschland, ganz besonders zwischen Arm und Reich. Während die Reichen immer reicher werden, verfestigt sich die Armut in diesem Land. Insgesamt sind 13 Millionen Menschen von Armut betroffen, ganze Regionen stürzen ab; ich sehe das in meinem Wahlkreis in Bochum und im Ruhrgebiet, aber auch in Nordrhein-Westfalen insgesamt. So stieg die Armutsquote in Nordrhein-Westfalen auf 17,5 Prozent der Bevölkerung, im Ruhrgebiet gar auf 20 Prozent.
(Cemile Giousouf (CDU/CSU): Das liegt in der Verantwortung der Landesregierung!)
Diese Entwicklung ist kein Naturgesetz.
(Cemile Giousouf (CDU/CSU): Genau!)
Sie ist die Folge einer neoliberalen Politik von Union und SPD und leider auch von den Grünen in den letzten Jahren.
(Cemile Giousouf (CDU/CSU): Die sind doch an der Regierung!)
Diese Entwicklung darf, insbesondere angesichts der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, so nicht weitergehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Im Kern ist es diese Entwicklung, die die Willkommenskultur und die Aufnahmebereitschaft in unserer Gesellschaft weiter abnehmen lässt bzw. minimiert. Wir brauchen deshalb eine Erneuerung unseres Sozialstaates für alle in unserem Land lebenden Menschen. Das ist die Voraussetzung für soziale Integration.
(Beifall bei der LINKEN)
Einst war der Sozialstaat gerade auch für Krisen und besondere Herausforderungen konzipiert. Aber was wir heute erleben, ist nichts anderes als organisiertes Staatsversagen. In den vergangenen 20 Jahren wurden allein im öffentlichen Dienst 1 Million Stellen abgebaut, zum größten Teil zulasten der öffentlichen Sicherheit, über die Sie überall klagen. Infolge der Privatisierungen verfügen die Kommunen kaum noch über einen eigenen Bestand an sozialem Wohnraum, der dringend notwendig ist. Wir brauchen deshalb eine radikale Wende, sonst kann die soziale Integration aller in unserem Land lebenden Menschen nicht gelingen.
(Beifall bei der LINKEN)
Flüchtlinge und Schutzsuchende werden für diese Probleme verantwortlich gemacht, dabei haben sie die Probleme in unserer Gesellschaft lediglich überdeutlich gemacht.
Wir stehen in Deutschland schon lange vor dem Problem, dass viele öffentliche Aufgaben nicht mehr wahrgenommen werden, weil man zu feige war und ist, das Geld dort zu holen, wo es im Überfluss vorhanden ist.
(Michael Frieser (CDU/CSU): Bei der Linken zum Beispiel!)
Beispielsweise haben sich die Vermögen von Multimillionären und Milliardären in Deutschland explosionsartig entwickelt, während über die Hälfte der Bevölkerung sogar noch im Aufstieg Wohlstand und Vermögen verloren hat. Deshalb sollte meiner Meinung nach gerade angesichts der sozialen Herausforderungen, vor denen wir stehen, dringend eine andere Steuerpolitik auf der Tagesordnung stehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir müssen das klare Signal setzen, dass der Tisch für die Integration von den Reichen gedeckt wird und nicht von denjenigen, die in den letzten Jahren immer zu kurz gekommen sind, von den Niedriglöhnern, von den prekär Beschäftigten oder von den Leiharbeitern.
Integration wird gelingen, wenn Deutschland auch im Inneren wieder eine sozial gerechtere Politik macht und damit Solidarität schafft. Schauen wir uns die Zahlen an: Nicht einmal 20 Prozent der Kosten für die Integration bekommen die Länder vom Bund zurück. Letztes Jahr haben sie 17 Milliarden Euro eingestellt, aber sie haben lediglich 2 Milliarden Euro zurückbekommen. Die Kommunen werden regelrecht im Stich gelassen. So schafft man es meiner Meinung nach nicht. Deshalb wollen wir eine andere Sozialpolitik.
Wir fordern ein 25-Milliarden-Sofortprogramm des Bundes für 2016 für eine soziale Offensive für mehr gemeinnützigen, sozialen Wohnungsbau, für mehr Bildung, für die Stärkung des öffentlichen Dienstes, für öffentliche Beschäftigung und zusätzliche Integrationsmaßnahmen. Mittelfristig fordern wir ein 100 Milliarden-Investitionsprogramm für die Erneuerung des Sozialstaats in Deutschland, weil wir der Auffassung sind, dass es sich lohnt, durch soziale Integration in die Zukunft des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu investieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Linke ist der Überzeugung: Ein Neuanfang für soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit in diesem Land kann eine Chance sein. Wir sollten diesen Neuanfang mit den Schutzsuchenden in diesem Land anstreben anstatt die Neiddebatte, die Sie hier immer führen, weiter zu befördern.
(Beifall bei der LINKEN – Barbara Woltmann (CDU/CSU): Die Neiddebatte machen Sie doch!)