Integrationskurse verbessern – Lehrkräfte gut entlohnen

Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Arbeitsbedingungen von Lehrkräften in Integrationskursen verbessern (BT-Drs. 17/10647) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Lehrkräfte von Integrationskursen stärken und den Kurszugang erweitern" (BT-Drs. 17/11577)

Im November 2012 vermeldete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge höhere Erfolgsquoten bei Sprachprüfungen der Integrationskurse. Wir freuen uns natürlich, dass immer mehr Menschen den Sprachkurs mit Bestnote abschließen. Schlecht ist allerdings, dass für knapp die Hälfte aller Kursabsolventinnen und -absolventen der Kursabschluss keineswegs ein Grund zur Freude ist, weil sie das geforderte Sprachniveau verfehlten. Seit Mitte 2011 erhalten infolge einer Gesetzesverschärfung nur diejenigen Migrantinnen und Migranten eine mehr als einjährige Aufenthaltserlaubnis, die den Kurs auf dem höchsten Sprachniveau beenden konnten. Das ist pädagogisches Steinzeitalter und eine Bestrafungspolitik gerade für sozial- und bildungsbenachteiligte und ältere Menschen, die DIE LINKE. entschieden ablehnt.

Kein Grund zur Freude ist auch, dass die Mittel für die so hoch gelobten Integrationskurse jüngst um 15 Mio. Euro gekürzt wurden. Bisher für die Integrationskurse vorgesehene Gelder werden wegen selbstverschuldet rückläufiger Teilnahmezahlen nicht etwa für eine Ausweitung und Verbesserung des Kursangebots oder eine bessere Bezahlung der Lehrkräfte verwendet. Nein. Diese Mittel sollen ausgerechnet unter anderem der Bundespolizei zugeschanzt werden, die mit ihren rassistischen Kontrollpraktiken – dem sog. racial profiling – nicht Integration, sondern Ausgrenzung befördert.

Keinen Grund zur Freude haben auch jene, die maßgeblich für das erfolgreiche Abschneiden der Integrationskursteilnehmerinnen und –teilnehmer mit verantwortlich sind: die Lehrkräfte. Denn die angebliche Erfolgsgeschichte der Integrationskurse ist auch eine Geschichte der Unterbezahlung, der prekären Beschäftigung und der Missachtung der qualifizierten Arbeit der Lehrkräfte, wie die GEW in ihrem Schwarzbuch zu den Integrationskursen zurecht beklagt.

Um es vorweg zu sagen: DIE LINKE ist vermutlich die einzige Partei, die die absolut berechtigten Forderungen der Lehrkräfte nach besserer Bezahlung von Anfang an voll und ganz unterstützt hat. Schließlich wurde das jetzige mangelhafte Integrationskurssystem von Rot-Grün geschaffen, von Schwarz-Rot fortgeführt und jetzt von Schwarz-Gelb verwaltet – ohne, dass es in dieser langen Zeit irgendwelche substantiellen Verbesserungen für die Lehrkräfte gegeben hätte. Es ist in meinen Augen unerträglich, dass sich die Bundesregierung der Integrationskurse als Vorzeigeprojekt rühmt, während zugleich all diejenigen, die sich dieser wichtigen Arbeit alltäglich mit Engagement, Menschenkenntnis und hoher Qualifikation widmen, mit Hungerlöhnen abgespeist und häufig in prekäre Scheinselbstständigkeit gepresst werden.

DIE LINKE kritisiert seit langem die zunehmend prekäre Beschäftigungssituation von Menschen in Deutschland, aber eben auch von Lehrkräften in Integrationskursen, und fordert substantielle Änderungen. In den letzten Jahren haben wir im Rahmen mehrerer Kleiner Anfragen auf die „unzumutbaren Arbeitsbedingungen in Integrationskursen" (so z.B. erstmalig auf Bundestagsdrucksache 16/13972) hingewiesen. Seit Einführung der Integrationskurse verlangt DIE LINKE bei den alljährlichen Haushaltsberatungen im Bundestag eine Aufstockung des entsprechenden Etats, ausdrücklich auch mit der Begründung einer besseren Bezahlung der Lehrkräfte. DIE LINKE will, dass endlich Schluss ist mit dieser Politik, die zu Lasten der Lehrkräfte und der Migrantinnen und Migranten geht, während die Bundesregierung sich heuchlerisch einer angeblichen „Erfolgsgeschichte" rühmt.

Im derzeitigen Rahmen überwiegend scheinselbständiger Lehrtätigkeit ist die Anhebung der Honorare auf 30 Euro pro Unterrichtseinheit, die wir seit Jahren fordern, nur eine Mindestmaßnahme – wie wir immer erklärt haben. Mittelfristig streben wir ein ganz anders strukturiertes Integrationskurssystem an, das den in diesem Bereich tätigen Lehrkräften gute Arbeitsbedingungen, sichere Beschäftigungsverhältnisse und faire Löhne sichert – idealerweise in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. In jedem Fall aber unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Weiterbildungsansprüchen, Krankheitszeiten, der Sicherung von Rentenansprüchen usw.

Es ist zu begrüßen, dass SPD und Grüne aus ihrem neoliberalen Tiefschlaf zumindest teilweise erwacht sind. Hatten beide 2005 noch gar keine Mindesthonorare vorgesehen, fordern die Grünen nun ebenfalls 30 Euro – jedenfalls in ihrem aktuellen Antrag, in einem anderen, ebenfalls noch im parlamentarischen Verfahren befindlichen Antrag, der erst gut ein Jahr alt ist (Bundestagsdrucksache 17/7639) sind es nur 24 Euro! Die SPD liegt aktuell bei 26 Euro. Und was Grüne und SPD gerne unerwähnt lassen, ist, dass die eklatanten Schwächen des Integrationskurssystems von Rot-Grün zu verantworten sind. Das rot-grüne Integrationskurssystem führte wegen der unzureichenden Trägerpauschale zu sinkenden Honoraren der Lehrkräfte von unter 10, 12 oder 15 Euro. Und bereits vor dem Jahr 2005 wurde fachlich kritisiert, dass die damals unterschiedslos für alle geltenden 600 Stunden zur Erreichung des Sprachniveaus B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens völlig unzureichend waren. Bei aller Kritik am jetzigen Integrationskurssystem muss man deshalb eins feststellen: Was Rot-Grün 2005 zu verantworten hatte, war weitaus schlechter!

DIE LINKE strebt eine grundlegende Umgestaltung des Integrationskurssystems an. Im Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir bislang auf Forderungen zu Mindest-Honoraren beschränkt. Wie ein grundlegend anderes Integrationskurssystem im Detail ausgestaltet werden müsste, dazu werden wir bald Vorschläge machen. Dabei könnte eine Möglichkeit sein, dass die Lehrkräfte als abhängig Beschäftigte im Sinne des § 7 SGB IV eingestuft und entsprechend nach Tarif bezahlen werden.

Die Linke will ein umfassendes und qualitativ hochwertiges Sprachkursangebot – ohne Zwangsandrohungen und aufenthaltsrechtliche Sanktionen. Wir setzen auf die Freiwilligkeit des Lernens und kritisieren die Instrumentalisierung des Spracherwerbs als ein Sanktionierungsmittel gegen vermeintlich „integrationsunwillige" Migrantinnen und Migranten. Auch viele Lehrkräfte lehnen diese Einbindung in ein immer mehr auf Zwang setzendes Integrationskurssystem ab. Und wir wollen eine Ausweitung des zugangsberechtigten Personenkreises, z.B. auf Asylsuchende und Flüchtlinge mit noch ungesichertem Aufenthaltsstatus.

Dies und anderes wollen wir gemeinsam mit Lehrkräften, Gewerkschaften sowie anderen Expertinnen und Experten schon bald diskutieren.