Internationale Öffentlichkeit darf nicht auf der Strecke bleiben

„Nachdem die Sicherheitsinteressen beim NSU-Prozess offenkundig hinreichend Berücksichtigung gefunden haben, gilt es nun, den Interessen einer demokratischen, internationalen Öffentlichkeit zu entsprechen", erklärt Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, anlässlich der heutigen Besichtigung des umgebauten Gerichtssaales A 101 am Oberlandesgericht München. Dagdelen weiter:

„Von den etwa 200 Plätzen im Gerichtssaal ist etwa die Hälfte für die Nebenkläger und ihre Anwälte reserviert. Für Öffentlichkeit und Presse bleiben also ca. 100 Plätze. Diese der Öffentlichkeit und der Presse zur Verfügung gestellten Plätze entsprechen in keiner Weise dem Interesse einer breiten internationalen Öffentlichkeit, Medien und Migranten. Die internationalen Medienvertreter wurden ferner durch die Akkreditierungsbedingungen benachteiligt. So sind einige Medien später als andere über den Start der Akkreditierung informiert worden, so dass die Vergabe der 50 Plätze für Medienvertreter nach dem ‚Windhund-Prinzip‘ zu einer vorhersehbaren Benachteiligung vor allem ausländischer und in diesem Fall besonders türkischer Medien geführt hat. Dies wäre vermeidbar gewesen.

Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist durch das Versagen bei den NSU-Ermittlungen, der Vereitelung der Aufklärung durch Aktenvernichtungen und der engen Kooperation zwischen Staat und Neonazis nicht nur bei Migranten im Inland verlorengegangen. Zudem gibt es einen Anspruch auf eine freie Berichterstattung. Deshalb sollte das Gerichtsverfahren so durchgeführt werden, dass sowohl Sicherheitsinteressen und Justizgrundsätzen als auch den Interessen einer demokratischen, internationalen Öffentlichkeit entsprochen werden kann. Nicht das Interesse der Öffentlichkeit und der Medien an diesem einmaligen Prozess muss sich dem zur Verfügung gestellten Raum anpassen, sondern umgekehrt: Dem großen Interesse muss der entsprechende Raum gegeben werden."