»Internationalismus Liebknechts ist Vermächtnis«

evim Dagdelen ist Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion Die Linke im Bundestag

Zum 100. Jahrestag von Karl Liebknechts Nein zu den Kriegskrediten im Reichstag lädt Die Linke am morgigen Dienstag zu dem Symposium »1914–2014 – Damals wie heute: Nein zum Krieg!« ein. Welches »Vermächtnis« machen Sie für Ihre Partei und die Linksfraktion aus?

Wenn es einen friedenspolitischen Gründungsakt der Linken gibt, ist dies der 2. Dezember 1914. Liebknechts Nein gegen alle Kriegslügen, gegen den imperialistischen Krieg zur Durchsetzung von Kapitalinteressen und für einen engagierten Internationalismus ist sein Vermächtnis für uns. Mit Liebknecht sagen wir auch: Es kann auf Dauer keinen Frieden geben, wenn wir nicht die Kriegsursachen beseitigen wie die Konzentration wirtschaftlicher Macht in den Händen weniger und die Umverteilung von unten nach oben.

Liebknecht stellte sich damals gegen die Fraktionsdisziplin in der SPD. In der Linksfraktion heute nimmt die Zahl der Genossen zu, die sich vom antimilitaristischen Konsens der Partei verabschieden, Stichwort: Waffenhilfe für Kobani und Befürwortung von US-Luftangriffen in Syrien und im Irak. Wo hat die Freiheit des Mandats Grenzen?

Liebknecht war der einzige, der aus Gewissensgründen für ein Anti-Kriegsprogramm stimmte. Die anderen SPD-Abgeordneten schoben solche Gedanken entweder aus Überzeugung oder wegen der Fraktionsdisziplin beiseite. Das ist nahezu einzigartig in der deutschen Geschichte.

Die Linke im Bundestag steht zu ihren friedenspolitischen Forderungen, Auslandseinsätze zu beenden und Waffenexporte zu verbieten. Aber der Druck nimmt zu, diese Positionen aufzuweichen. SPD und Grüne haben dies zur Vorbedingung jeder Koalitionsüberlegung im Bund gemacht. Ich finde aber, dass die jüngsten Entwicklungen im Irak und Syrien oder auch Merkels Kalter Krieg gegen Russland unsere Friedenspolitik bestätigen. Um Deutschland – sprich dem deutschen Kapital – mehr Weltgeltung zu verschaffen, soll »mehr Verantwortung« übernommen werden. Dies natürlich militärisch.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat gerade einen »Show-Room« der Bundeswehr in bester Berliner Lage eröffnen müssen, um Freiwillige für den Dienst in der Truppe zu gewinnen. So gut läuft es also nicht mit »mehr Verantwortung übernehmen« …

Das Problem dieser Politik ist, dass die Mehrheit der Bevölkerung jegliche Auslandseinsätze der Bundeswehr wie auch deutsche Rüstungsexporte ablehnt. Vor diesem Hintergrund ist der Armeedienst wenig attraktiv. Dabei versucht die Bundeswehr, die soziale Situation potentieller Soldaten auszunutzen, um sie anzulocken.

Linke-Abgeordnete rufen dazu auf, sich an den Protesten der Friedensbewegung in den kommenden Wochen zu beteiligen. Am 13. Dezember soll es eine Kundgebung unter dem Motto – »Stahlhelm ab, Herr Gauck« – vor dem Sitz des Bundespräsidenten geben. Kriegseinsätze werden doch aber im Kanzleramt beschlossen und vom Bundestag abgenickt.

Gauck ist selbstverständlich die richtige Adresse. Gerade der Bundespräsident hat sein Amt genutzt, um die Bevölkerung regelrecht auf neue Kriege einzuschwören. Es ist egal, ob er formal eine Entscheidungskompetenz hat. Oft wird der Parlamentsvorbehalt des Bundestages bei Auslandseinsätzen von einer radikalen Linken geringgeschätzt. Ich halte das für eine falsch verstandene Parlamentarismuskritik. Denn zur Zeit arbeitet eine Bundestagskommission unter Leitung von Volker Rühe daran, diesen Vorbehalt bei NATO- und EU-Einsätzen deutscher Soldaten zu schleifen. Ziel ist, jede öffentliche Diskussion über Militäreinsätze zu vermeiden. Sollten diese Konzeptionen greifen, sähen wir uns in die Zeit vor dem Kaiserreich versetzt. Karl Liebknecht hätte sich im Reichstag den Kriegskrediten nicht verweigern können, weil es eine solche Abstimmung nicht gegeben hätte.

Interview: Rüdiger Göbel

Veranstaltung: »1914–2014 – Damals wie heute: Nein zum Krieg!« Dienstag, 2. Dezember, ab 19 Uhr im Kulturzentrum »Wabe« (Danziger Straße 101, 10405 Berlin)

Quelle: junge welt