Kein Krieg von deutschem Boden

Beratung des Antrags der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Heike Hänsel, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Keine militärische Antwort auf Terror Drucksache 18/6874

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestern hat die Bundesregierung ihren Antrag auf einen Kriegseinsatz in Syrien hier im Deutschen Bundestag eingebracht. Schon morgen sollen die Abgeordneten darüber abstimmen. Im Eiltempo wollen CDU, CSU und SPD das Land in einen Krieg stürzen.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Ist er nicht!)

Weder das Gebiet noch die Dauer des sogenannten Kriegs gegen den Terror sind klar noch ist eine politische Strategie erkennbar. Wird dieser Krieg über zehn Jahre dauern, wie es zum Beispiel der Bundeswehrverband angibt? Wen werden Sie in Ihrem Einsatz in Syrien als Bodentruppen nehmen: al-Qaida-Verbände, andere islamistische Terrormilizen, die dann als moderate Rebellen umetikettiert werden, wie Sie es in den letzten Jahren immer getan haben? Auf alle diese entscheidenden Fragen haben Sie uns Abgeordneten und der Öffentlichkeit keine Antworten geliefert. Es waren gestern im Auswärtigen Ausschuss nur Sprechblasen zu vernehmen. Dieses Kriegsabenteuer, meine Damen und Herren, lehnen wir als Linke ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind solidarisch an der Seite der Bevölkerung in Frankreich. Aber diese Solidarität kann nicht bedeuten, dass wir als Antwort auf die barbarische Ermordung von Zivilisten in Paris jetzt Zivilisten in Mali, in Afghanistan und in Syrien per Bombenkrieg morden. Das darf nicht die Antwort auf die Barbarei sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie ein Schüler, der sich gerade dadurch unglaubwürdig macht, dass er fünf verschiedene Gründe für sein Zuspätkommen anführt, nennt der Antrag der Bundesregierung verschiedenste vermeintliche Rechtsgrundlagen für diesen Einsatz, jedoch keine einzige ist tragbar.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Wahrheit ist: Der Einsatz ist weder vom Völkerrecht noch vom Grundgesetz gedeckt, was bezüglich der Bundeswehreinsätze noch engere Grenzen setzt als das Völkerrecht.

(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte (CDU/CSU): Das stimmt nicht!)

Sie führen hier einen Angriffskrieg, meine Damen und Herren.

(Henning Otte (CDU/CSU): Auch das stimmt nicht!)

Es gibt keine UN-Sicherheitsratsresolution,

(Henning Otte (CDU/CSU): Und auch das stimmt nicht!)

die die terroristischen Anschläge von Paris als bewaffneten Angriff auf das Hoheitsgebiet von Frankreich wertet und dieses Selbstverteidigungsrecht explizit nach Artikel 51 UN-Charta erwähnt. Es gibt auch kein Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta.

Ich sage Ihnen eines: Wer wie Sie anfängt, sich im Völkerrecht nur das herauszusuchen,

(Henning Otte (CDU/CSU): Das machen Sie doch! – Ingo Gädechens (CDU/CSU): Wir sind doch keine Linken! Wir suchen uns nichts aus!)

was ihm politisch genehm ist, der öffnet der Willkür Tür und Tor beim Thema Völkerrecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie zertrümmern das Völkerrecht. Bei dieser Zertrümmerung werden wir nicht mitmachen. Wir als Fraktion Die Linke sagen Nein zu Ihrem Angriffskrieg. Union und SPD machen hier nämlich Willkür zum Recht. Das kann man nicht zulassen.

Als Grundlage für diesen Krieg berufen Sie sich auch auf die Aktivierung der EU-Beistandsklausel nach Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages der Europäischen Union. Sie behaupteten sogar, um diesen Einsatz grundgesetzlich legitimieren zu können, dass die Europäische Union ein kollektives Sicherheitssystem sei. Diese Lüge der Bundesregierung ist schon nach 24 Stunden in sich zusammengebrochen; denn Ihre Behauptung widerspricht diametral dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu ebendiesem EU-Vertrag. Dieses Gericht hat eindeutig festgelegt, dass auch die Europäische Union nach dem Vertrag von Lissabon kein ‑ ich betone: kein ‑ kollektives Sicherheitssystem ist. Dazu kommt, dass Sie auf dem Rat der Verteidigungsminister nicht einmal einen Beschluss haben fassen lassen, als es um die Aktivierung der Beistandsklausel ging. Per Zuruf schlitterte die Europäische Union, wie der Staatssekretär Steinlein des Auswärtigen Amtes gegenüber meiner Fraktion letzte Woche betonte, in den Krieg.

(Volker Mosblech (CDU/CSU): Das ist doch Klitterei, was Sie betreiben!)

Ich sage Ihnen deshalb: Ihr willkürlicher Umgang mit dem Recht wird sich noch rächen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Hören Sie auf, den Menschen Sand in die Augen zu streuen! Es geht hier nicht um die Entsendung von ein paar Tornados nach Syrien. Es geht Ihnen um einen großen, völlig entgrenzten, neuen Krieg gegen den Terror. Der Grund für Ihre Hast liegt darin, dass sich der Widerstand in der friedliebenden Bevölkerung in Deutschland nicht formieren soll. Die Linke steht aber an der Seite der friedliebenden Bevölkerung und auch der Friedensbewegung. Wir sagen deshalb Nein zu Ihrer Politik des überstürzten Kriegseintritts.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie sagen, Sie wollen in Syrien Feuerwehr spielen. Doch in Ihrem Feuerwehrwagen sitzen Brandstifter, meine Damen und Herren.

(Henning Otte (CDU/CSU): Eijeijei!)

Dort sitzt das Terrorregime Saudi-Arabien, dort sitzen die Terrorunterstützer Katar und Türkei. Während Sie gemeinsam mit dem Terrorpaten Erdogan angeblich Krieg gegen den IS führen, lässt Erdogan die Kurden, die effektivste Kraft im Kampf gegen den IS, in Syrien bombardieren und den Chefredakteur der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet, Can Dündar, inhaftieren. Wissen Sie, was Erdogan, Ihr Helfershelfer, dem Chefredakteur vorwirft? Er wirft ihm vor, dass er Fotos veröffentlicht hat, die die Waffenlieferungen der Türkei an die Terrororganisation IS zeigen. Während Sie in Zukunft mit Erdogan kooperieren, den Sie mit deutschen Steuergeldern großzügig unterstützen, läuft der gesamte Ölschmuggel des IS über die Türkei. Der Erdogan-Clan, seine ganze Familie, ist darin tief verwickelt.

(Thomas Hitschler (SPD): Das heißt, man müsste etwas gegen diese Logistik der Öltransporte tun, oder?)

Und jetzt mehren sich auch noch die Berichte, dass Erdogan frische Waffen an den IS liefert. Sie können auf unsere Nachfrage hin nicht einmal ausschließen, dass die Waffen, die Sie fröhlich weiter an die Türkei liefern, von Erdogan an den IS weitergegeben werden.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Frau Kollegin.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Das ist wirklich großer Irrsinn. Ich sage Ihnen deshalb: Wenn Sie den IS wirklich bekämpfen wollten, hätten Sie die Möglichkeiten dazu – nicht in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Dağdelen, Sie müssen zum Schluss kommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist gut, Frau Präsidentin!)

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Ich komme zum Schluss. – Vielmehr müssten Sie den Weg des Geldes, der Waffen und auch des Öles zum IS kappen.

Ich nenne einen letzten Punkt.

(Ingo Gädechens (CDU/CSU): Nein!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Nein.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Aus der Erfahrung der beiden Weltkriege hatte Willy Brandt einst gefordert:

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollegin Dağdelen, es tut mir wirklich leid; aber Sie müssen einen Punkt setzen.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Gut. – Die Linke lehnt diesen Einsatz ab, weil von deutschem Boden kein Krieg ausgehen darf, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN – Heike Hänsel (DIE LINKE): Fortsetzung folgt!)

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