Kein neuer Auslandseinsatz in Somalia
Plenardebatte zu dem Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Ausbildungsmission EUTM Somalia (BT-Drs. 18/994) sowie zum Entschließungsantrag der Grünen (BT-Drs. 18/998)
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute soll es wieder um die Zustimmung zu einem Auslandseinsatz der Bundeswehr gehen. Mittlerweile vergeht kaum noch eine Woche, in der nicht ein oder zwei Bundeswehreinsätze hier beschlossen werden sollen.
(Florian Hahn (CDU/CSU): Können Sie nicht zählen?)
Es gibt kaum ein Problem auf dieser Erde, auf das die Große Koalition nicht mit Bundeswehrsoldaten antworten möchte. Zu diesem abenteuerlichen Kurs der Inflationierung der Auslandseinsätze der Bundeswehr sagt die Linke wie eine übergroße Mehrheit der Bevölkerung klar und deutlich Nein.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der SPD)
Nach Jahren in Uganda wollen Sie Ihre Militärausbilder im Rahmen der Mission EUTM Somalia jetzt nach Somalia schicken. Ich frage Sie: Wie sieht denn eigentlich Ihre bisherige Bilanz der militärischen Ausbildung somalischer Milizen in Uganda aus? Nicht von der Hand zu weisen ist: Sie haben auch Kindersoldaten mit ausgebildet.
(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Was?)
Sie haben Leute ausgebildet, denen schlimmste Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen werden.
(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Das müssen Sie einmal erklären! – Zurufe von der SPD: Wir haben die ausgebildet? Ungeheuerlich ist der Vorwurf! So ein Unsinn!)
Und Sie haben Leute ausgebildet, von denen laut Somalia Monitoring Group der Vereinten Nationen in der Vergangenheit 80 Prozent mitsamt ihrer Ausrüstung desertiert sind; einige von ihnen sind gar auf die andere Seite übergelaufen.
Laut dem Sanktionsausschuss des UN-Sicherheitsrates liefert selbst die Regierung, die Sie hier unterstützen, Waffen an die Extremisten. Die Regierungsarmee sei ‑ ich zitiere ‑ „die wichtigste Waffenquelle für die Islamisten" in Somalia. Bei solch einer furchterregenden Bilanz muss hier doch eigentlich ein deutliches Stoppzeichen gesetzt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Weil wir uns nicht mitschuldig machen wollen an diesen Menschenrechtsverletzungen, sagen wir Nein zu diesem Einsatz.
(Thomas Hitschler (SPD): Dazu fällt mir nichts mehr ein!)
Sie verkünden hier erfundene Erfolgsmeldungen. Dazu gehört, dass Sie es als Sieg verkaufen, dass die Ausbildung jetzt nicht mehr in Uganda, sondern auf somalischem Boden stattfindet.
(Dagmar Freitag (SPD): Wir verkaufen gar nichts! Was für ein Unsinn!)
Ich frage Sie: Ist es wirklich ein Erfolg, dass sich diese Ausbildungsmission jetzt im Hochsicherheitstrakt des Flughafens von Mogadischu verschanzt?
Ist es ein Erfolg, dass sich der somalische Bürgerkrieg immer weiter internationalisiert? Ist es ein Erfolg, dass Kenia infolgedessen aktuell beschlossen hat, alle Somalis in Lagern zu internieren, weil diese als gefährlich gelten?
Oder ist es für Sie ein Erfolg, wenn von deutschem Boden aus gezielte Tötungen mit Drohnenangriffen in Somalia stattfinden? Ich finde es jedenfalls ungeheuerlich, dass Sie gegen diese Morde, die vom US-Hauptquartier in Stuttgart begangen werden, nichts unternehmen. Auch deshalb ist Deutschland natürlich Partei in diesem dreckigen, schlimmen somalischen Bürgerkrieg.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich frage Sie vor diesem Hintergrund: Ist das Ihre wertegeleitete Außenpolitik, von der Sie immer reden? Um welche Werte handelt es sich hier eigentlich?
(Dagmar Freitag (SPD): Das fragt die Richtige!)
Die Linke jedenfalls lehnt diese Drohnenmorde in Somalia ab.
(Beifall bei der LINKEN ‑ Ingo Gädechens (CDU/CSU): Sie lehnen alles ab, haben aber kein Konzept!)
Ich frage Sie auch, ob Sie sich jemals überlegt haben, wen Sie dort in Somalia eigentlich unterstützen. Angesichts der Leute, die Sie dort unterstützen, will ich Ihnen einmal positiv unterstellen, dass Sie sich wahrscheinlich noch nie damit beschäftigt haben.
(Dagmar Freitag (SPD): Das, was Sie hier wieder absondern, ist doch unsäglich!)
Der sogenannten Regierung in Somalia, die Sie mit Ihrer Ausbildungsmission unterstützen, werden schlimmste Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen. Ihre sogenannten Gerichte verhängen die Todesstrafe, ihre Politik steht für Repression, für Gewalt und für Korruption.
Ich frage Sie: Haben Sie sich jemals mit der Verfassung dieser Regierung auseinandergesetzt? Ich meine hier nicht die ultrareaktionäre Ausrichtung mit einem kompletten Abtreibungsverbot und der Verfolgung sexueller Minderheiten, sondern ich meine hier die Verfassungsbestimmungen, die ganz am Anfang dieser Verfassung stehen. Sie legen fest, dass die Scharia über allen anderen Gesetzen steht.
(Gabi Weber (SPD): Also jetzt ist es irgendwann einmal gut! Das ist unglaublich!)
Eine ganz enge reaktionäre Auslegung des Islam ist in der Verfassung dieser Regierung, die Sie mit dieser Ausbildungsmission unterstützen, als Staatsreligion festgesetzt.
(Dagmar Freitag (SPD): Schämen Sie sich!)
‑ Ja, das ist so. Sie können doch nicht einfach die Augen vor der Realität verschließen.
(Beifall bei der LINKEN ‑ Ingo Gädechens (CDU/CSU): Das tun Sie ständig! ‑ Thomas Hitschler (SPD): Ihre Realität!)
Das heißt, dass viele Menschen gar keine Religionsfreiheit haben. Hindus, aber auch konfessionslose Christen, Sufis und Schiiten: Sie alle sind der praktischen Verfolgung ausgeliefert. Solch eine autoritär-islamistische Regierung unterstützen Sie mit der Bundeswehr.
Wie wollen Sie der Bevölkerung diesen Einsatz eigentlich erklären? Wollen Sie sagen, dass Sie gerne Steuergelder ausgeben, um Menschenrechtsverletzer oder islamistische Autokraten zu unterstützen?Die Linke lehnt Ihre Bundeswehreinsätze zur Unterstützung solcher Art von autoritären Regimen jedenfalls ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir finden, es braucht endlich eine politische Lösung, eine Verhandlungslösung in Somalia und nicht ein weiteres Anheizen dieses Bürgerkrieges mit deutscher Hilfe durch die deutsche Bundeswehr.
(Beifall bei der LINKEN ‑ Dagmar Freitag (SPD): Mein Gott! ‑ Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit wem sollen wir verhandeln?)