„Keine Nazis und andere Rassisten in die Parlamente!"

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Freundinnen und Freunde!

Wir befinden uns mitten in einem Superwahljahr. Und zu Recht konzentriert sich das Augenmerk aller Antifaschistinnen und Antifaschisten auf die Wahlergebnisse der NPD. Doch jeder Wahltag widerspiegelt nur die Spitze des Eisberges rassistischen und nazistischen Gedankengutes in Prozenten. Wir dürfen nicht bis fünf Minuten vor 12 warten, ehe wir handeln. Wir müssen immer und permanent antifaschistische Aufklärungsarbeit leisten.

Solange die NPD nicht als verfassungsfeindlich verboten ist, kann sie ungehindert ihre sozialdemagogische, volksverhetzende, rassistische und antisemitische Propaganda betreiben. Doch selbst nach einem Verbot der NPD – die Nazis als Personen wären immer noch da. Ihre Anschläge und Überfälle würden auch durch ein Verbot nicht aufhören. Und wir wissen seit langem, dass Rassisten und Nazis durchaus auch die etablierten Parteien wählen.
Die Politik und der Wahlkampf der CDU/CSU und auch der SPD sind auch durchaus geeignet, rassistische Ressentiments zu wecken und zu bedienen. Daher ist es natürlich notwendig, über den Wahltag hinaus, den Druck auf die demokratischen Parteien und Organisationen sowie Gewerkschaften zu erhöhen. Sie müssen zu klaren Positionierungen gezwungen werden.

Kein Fußbreit den Faschisten bedeutet eben auch klare Abgrenzungen von rassistischen Politiken der etablierten Parteien. Die politischen Eliten überschlagen sich immer wieder im Dreschen rassistischer Phrasen. Mit Sprache wird Politik gemacht. Immer wieder werden rassistische Denkmuster verstärkt oder legitimiert. Z.B. im Zusammenhang mit Debatten um das Asylrecht und integrationspolitischen Themen. Wer nicht davor zurückschreckt rassistische Vorurteile zu schüren bzw. diese parteipolitisch zu nutzen, ist Wegbereiter rassistischer Gewalt.

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Freundinnen und Freunde!

In derartige öffentliche Diskurse versuchen Nazigruppen ihre Positionen zu tragen. Das rassistische Gegeneinander von vermeintlichen Deutschen und Nichtdeutschen ist der Kern bei der Thematisierung der sozialen Frage.

So waren die letzten Wahlkämpfe von platten Parolen gegen Hartz IV sowie Migrantinnen und Migranten geprägt. Bei der NPD hieß das „Quittung für Hartz IV", „Schnauze voll" und „Grenzen dicht", bei der DVU unter anderem „Deutsche Arbeitsplätze zuerst für Deutsche", „Kriminelle Ausländer raus" und „Sauerei Hartz IV".

Wenn die NPD sagt, es dürfe keine Verschlechterungen bei Arbeitslosengeld und Sozialhilfe geben. Und wenn sie sagt, die Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose dürfen nicht verschärft und der Niedriglohnsektor nicht gefördert werden – steht die Frage: was ist daran falsch? Sollen wir diese Forderungen etwa nur deshalb nicht mehr erheben, weil sie von der NPD getragen werden.

Ja – genau so ist es!

Weil diese Forderungen von der NPD kommen, dürfen sie nicht mitgetragen werden. Weil wir wissen, dass nicht das gemeint ist, was vordergründig gesagt wurde. Wenn NPD und Kameradschaften gegen Sozialabbau, gegen die steigende Macht der internationalen Konzerne, gegen einen Raubtierkapitalismus protestieren, dann treffen sie damit die Gefühlslage von Teilen der Bevölkerung, gerade auch in vielen abgehängten Regionen der Bundesrepublik. Die von der extremen Rechten im Zusammenhang mit der sozialen Frage angeprangerten Zustände sind oftmals real und die Kritik daran häufig berechtigt.

Entscheidend für den Kern des „Antikapitalismus" von rechts ist aber die Frage nach den Gründen für die soziale Misere und die Lösungsvorschläge. Hier sind die Antworten recht eindeutig und altbekannt. Antikapitalismus und Kritik an den sozialen Zuständen erfolgen bei den Nazis immer aus einer völkischen, einer rassistischen Perspektive. Nicht der Kapitalismus als universales Ausbeutungsverhältnis wird kritisiert. Nicht die universelle Profitlogik, die die sozialen Bedürfnisse der Menschen hinter die Fragen nach Gewinn, Rendite und Wachstum zurückdrängt wird in Frage gestellt. Kritisiert wird vor allem ein Kapitalismus, der sich von seinen „nationalen Wurzeln" entfernt hat.

Die dem kapitalistischen System immanente Konkurrenzlogik trifft sich dagegen genau mit dem Menschenbild der Nazis, für die es einen ständigen Kampf ums Dasein gibt, für die die Einteilung in Höher- und Minderwertige die Norm ist, die das alleinige Überleben des Stärkeren propagieren. Verändert werden soll der Kapitalismus nur da, wo er auch auf die vermeintlich höherwertigen arischen Deutschen negative Auswirkungen hat.

So gilt den Nazis das Konkurrenzverhältnis da als schlecht, wo es über die Konkurrenz mit billigen Arbeitskräften aus dem Osten auf deutsche Arbeiter und Arbeiterinnen zurückschlägt. Wenn dagegen das deutsche Kapital, geschützt vor ausländischer Konkurrenz, andere Länder durchdringt und den Menschen dort die Bedingungen diktiert, dann haben die Nazis nichts dagegen einzuwenden. Die von den Nazis, ganz in der Tradition des Faschismus propagierte „raumorientierte Volkswirtschaft", ist das Modell für einen solchen nationalen Kapitalismus.

Auch in ihrer Globalisierungskritik adaptieren die heutigen Nazis in aller Offenheit ihr historisches Vorbild. Sie beziehen sich dabei auf die im NSDAP-Programm von 1920 gebrauchte Unterscheidung in „raffendes" und „schaffendes Kapital". Das nationale Kapital, die deutschen Kapitalisten, gelten in dieser Logik als „schaffende" Kapitalisten, während internationale Kapitalverbünde und Großbanken als „raffendes Kapital" definiert werden.

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Freundinnen und Freunde!

Die NPD findet ihre Anhänger sowohl bei den realen sozialen „Verlierern" aber auch bei solchen, die Sorge haben, demnächst zu diesen zu gehören. Dieses Phänomen konnte in den 80er Jahren auch in der alten BRD beobachtet werden, als die Partei „Die Republikaner" und die DVU mit vergleichbaren Parolen auf soziale Ängste und politische Verunsicherungen reagierten.

Nur jetzt bekommt die NPD in einigen Regionen unliebsame Konkurrenz – die Pro-Organisationen. Ausgangspunkt aller weiteren Pro-Gründungen ist der 1996 gegründete eingetragene Verein Bürgerbewegung Pro Köln, ein lokaler Ableger der später aufgelösten extrem rechten Partei Deutsche Liga für Volk und Heimat. Die Pro-Organisationen wurden zum nicht unerheblichen Teil von Personen mit einer Vergangenheit in der extremen Rechten gegründet.

Je nach politischen Rahmenbedingungen und politischer Orientierung der beteiligten Akteure gelingt diesen die Anknüpfung an Bürger- und Anwohnerproteste mal besser oder mal schlechter. Vor allem konfliktträchtige lokale Themen wurden durch Pro Köln in rassistischer Stoßrichtung aufgegriffen und zugespitzt.

Der Pro-Köln-Vorsitzende Markus Beisicht belegt dies in einem Interview in der NPD-Zeitung Deutsche Stimme: „Uns geht es in erster Linie um die Großmoschee als Symbol der Überfremdung, der Parallelgesellschaft und der türkischen Masseneinwanderung. (…) Solche politischen Steilvorlagen nicht zu nutzen (…), ist Verrat an der einheimischen Bevölkerung". So wird versucht, an Ängste und Vorurteile anzuknüpfen und diese rassistisch zuzuspitzen. Botschaften wie „Mach mich nicht an, Mehmet!" sprechen hier eine deutliche Sprache.

Pro NRW, die am 6. Februar 2007 gegründet wurde, ist eine Partei der extremen Rechten mit rechtspopulistischer Attitüde. Sie ist nach dem Erfolg von Pro Köln mit dem Ziel angetreten, bei den nächsten nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen im Jahre 2009 sowie bei den Landtagswahlen 2010 als stärkste Partei rechts von der CDU in die Parlamente einzuziehen. Von einer flächendeckenden Ausdehnung in NRW ist man jedoch noch weit entfernt. Schwerpunkt ist der Großraum Köln und die angrenzenden Städte und Kreise. Doch auch hier gilt es: Wehret den Anfängen!

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, liebe Freundinnen und Freunde!

Was ist zu tun?

Natürlich ist der Verweis auf eine gute Sozialpolitik als antifaschistische Strategie richtig. Wichtig ist es aber, die soziale Frage in einer Form zu thematisieren, die sich von den Nazis deutlich und klar unterscheidet.

Wenn wir tatsächlich positive Impulse in Richtung einer emanzipativen gesellschaftlichen Veränderung von sozialen Protesten ausgehen lassen wollen, darf es keinerlei Zusammengehen mit antiemanzipatorischen Kräften geben. Wir müssen für ein Profil kämpfen, das eine Unvereinbarkeit mit der Rechten bedeutet.

Die Verbindung eines universellen humanistischen Menschenbildes mit sozialer Gerechtigkeit und Teilhabe für „Alle" macht die Soziale Frage anschlussunfähig für Rassisten und Nazis. Wenn die Kampagne dann auch noch einen internationalistischen Ansatz hat, im Sinne von: „Die Grenzen verlaufen zwischen oben und unten, und nicht zwischen angeblichen Rassen oder Völkern" gruseln sich Nazis und die Gefahr einer Übernahme ist gering.

Aber neben dieser Thematisierung der sozialen Frage als Möglichkeit, den Nazis das Wasser abzugraben, gibt es eine ganze Reihe von Feldern, auf denen gegen rechts vorgegangen werden muss. Ich will exemplarisch nur drei Bereiche nennen, die man vielleicht mit „Analyse, Prävention, Repression" überschreiben könnte.

Analyse: Um die Alltagsgefahr des Neofaschismus überhaupt deutlich zu machen, ist es wichtig zu wissen, was auf Seiten der Nazis passiert. DIE LINKE fragt regelmäßig nach rechten Straf- und Gewalttaten, nach Konzerten und Musikveranstaltungen der Nazis. Letztere sind ja bekanntermaßen eine Art Einstiegsdroge für viele Jugendliche in die Nazi-Szene. Und wir fragen nach rechten Aufmärschen und Demonstrationen – kurz, wir versuchen, öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen.

Damit ergänzen wir uns mit den Informationen und Hintergrundkenntnissen, die aus Antifa-Kreisen gesammelt bzw. vorgelegt werden.

Prävention: DIE LINKE hat sich nachdrücklich für den Erhalt und den Ausbau der vom Bund finanzierten Projekte gegen Rechtextremismus eingesetzt. Diese Projekte standen vor etwas mehr als einem Jahr auf der Kippe, weil die Union sie eigentlich nicht mehr wollte. Nur dem Druck von Opposition, Medien und der engagierten Öffentlichkeit ist es gelungen, die Projekte zu erhalten und die Finanzierung zu sichern. An der konkreten Ausgestaltung haben wir nach wie vor Kritik, dennoch ist ihr Erhalt ein wichtiger Erfolg.

Sie sind oftmals eben auch Schnittstellen, Basis und Koordinierungsstellen für die Organisierung von breiten Bündnissen.

Zur Analyse gehört aber eben auch, das Thema Rassismus. Denn jeder Nazi ist auch Rassist. Doch die Bundesregierung geht mit dem Thema Rassismus schlampig um. Das zeigt der vorgelegte Nationale Aktionsplan gegen Rassismus deutlich. Weder enthält er eine angemessene Analyse von Rassismus und rassistischer Diskriminierung in Deutschland, noch sind in ihm in die Zukunft gerichtete Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus zu finden. Nach wie vor reduziert die Bundesregierung Rassismus als Problem von Rechtsextremisten. Der Rassismus der sogenannten Mitte sowie diskriminierende und ausgrenzende Gesetze und Vorschriften wie etwa dem Zuwanderungsgesetz allgemein oder dem Asylbewerberleistungsgesetz, der Residenzpflicht, faktische und tatsächliche Arbeitsverbote im Konkreten stehen nicht zur Diskussion.

Repression: Hier steht aktuell mal wieder die Frage des NPD-Verbots auf der Tagesordnung. Diese Debatte ist leider nur eine Scheindebatte, weil weder SPD noch CDU bereit sind, die vom Verfassungsgericht genannten Voraussetzungen für ein solches Verbot umzusetzen: Die Abschaltung aller V-Leute in der NPD. DIE LINKE hatte und hat jetzt erneut hierzu einen Antrag zur Abschaltung der V-Leute in den Bundestag eingebracht. Doch alle anderen Parteien haben diesen Antrag abgelehnt, womit es für mich fraglich ist, ob man hier wirklich ein Verbot erreichen will.

Engagierter ist man staatlicherseits ganz offensichtlich bei der Kriminalisierung von Zivilcourage gegen Nazis. Um gegen Antifaschisten vorzugehen, braucht man ganz offensichtlich keine Verbote von rechten Organisationen.

Danke!