Keinen Cent, keine Waffe, keine Soldaten mehr an Erdogan
Plenarrede am 9. März 2017 anlässlich der Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Europäischen Rat am 9. März 2017 und zum Vorbereitungstreffen der 27 Staats- und Regierungschefs für den Jubiläumsgipfel in Rom am 25. März 2017
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Verehrter Herr Präsident! Frau Bundeskanzlerin!
(Die Bundeskanzlerin verlässt die Regierungsbank)
– Ich sehe: Wenn die Opposition spricht, geht Frau Kanzlerin. Sie könnten der Opposition hier ruhig zuhören, Frau Kanzlerin.
(Beifall bei der LINKEN – Die Bundeskanzlerin nimmt in der hinteren Reihe der CDU/CSU-Fraktion Platz)
Werte Kolleginnen und Kollegen, wenn die Koalition schon so viel Redezeit hat und die Opposition so wenig, dann ist das ja wohl nicht zu viel verlangt.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, wir stehen vor einer neuen Runde der Eskalation durch den türkischen Staatspräsidenten Erdogan und seine Helfershelfer. Gestern hat der türkische Innenminister Süleyman Soylu auf einer Kundgebung politische Morde an Andersdenkenden in Deutschland angekündigt; ja, er hat sie sogar als Wahlversprechen abgegeben. Wenn es auch nicht jedem in diesem Hause klar ist: Damit werden auch deutsche Abgeordnete zur Zielscheibe der Mordansagen aus Ankara. Die Gewaltpolitik aus Ankara muss in Deutschland endlich ernst genommen werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Dazu kommt, dass Erdogan seinen Werbefeldzug für die Diktatur auch in Deutschland durchführen will. Wie zwei Drittel der deutschen Bevölkerung will auch die Linke, dass dieser Auftritt verhindert wird. Die Bundesregierung kann das rechtlich. Sie muss politisch verhindern, dass eine ganze Generation von jungen Leuten in Deutschland von der Propaganda Erdogans vergiftet wird.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir wollen Deutschland nicht zur Wahlarena für Folter und Einführung der Todesstrafe werden lassen. Erdogan und seine Minister sind hier nicht erwünscht.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist doch wirklich abenteuerlich, dass der türkische Außenminister Cavusoglu gestern wortreich in den türkischen Medien berichtet, dass es bei dem Treffen mit Außenminister Gabriel um die Vorbereitung eines Auftritts von Erdogan in Deutschland gegangen sei, und Gabriel selber schweigt sich dazu aus. Ich sage Ihnen: Diese Türkeipolitik der Bundesregierung hat nichts mit Dialog zu tun.
Der Merkel-Erdogan-Pakt hat die Bundesregierung erpressbar gemacht.
(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das ist doch Unsinn!)
Sie haben zu den Entwicklungen in der Türkei lange Zeit geschwiegen.
(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das wird durch Wiederholung nicht besser!)
Frau Merkel, Sie haben den Satiriker Böhmermann auf Verlangen Erdogans zum Abschuss freigegeben.
(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Mein Gott! Das ist echt unter Niveau!)
Bei der Armenien-Resolution haben Sie sich auf Verlangen von Erdogan im Bundestag feige davongemacht und sich später auch noch davon distanziert. Als wir Abgeordnete wegen dieser Resolution von Erdogan bedroht wurden und er Bluttests von uns gefordert hat, weil unser Blut verunreinigt sei, haben Sie geschwiegen, Frau Merkel. Als die Besuchsverbote für Abgeordnete auf dem Militärstützpunkt Incirlik ausgesprochen wurden, haben Sie gebettelt und die Bundeswehr dort belassen, obwohl bis heute keine Einreise möglich ist.
(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Wovon reden Sie eigentlich? Ist ja unglaublich!)
Wann immer es bei Wahlen für Erdogan auf Messers Schneide stand, sind Sie ihm sofort zu Hilfe geeilt. Der Merkel-Erdogan-Pakt hat Sie erpressbar gemacht. Ihr Gewährenlassen hat ihn jedes Mal ermutigt, weiterzumachen.
(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Schauen Sie doch mal Nachrichten, damit Sie besser informiert sind, deutsche Nachrichten vor allen Dingen!)
Das ist kein Dialog, meine Damen und Herren. Das ist schlicht hässliche Geopolitik, die Demokratie und Menschenrechte opfert.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb verlangen wir Linke: Diese Politik muss aufhören. Sie muss beendet werden.
Dazu passt, dass der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall jetzt auch noch eine Panzerfabrik in der Türkei einrichten möchte und die Bundesregierung grünes Licht dazu gibt. Sie liefern Waffen an Erdogan, obwohl Sie wissen, dass Erdogan damit den Krieg gegen die Kurden führt. Sie liefern Waffen an Erdogan, obwohl Sie genau wissen und nicht ausschließen können, dass diese Waffen an islamistische Terrorgruppen wie Ahrar al-Sham oder sonstige von der türkischen Regierung weitergegeben werden. Sie liefern Waffen an Erdogan, obwohl Sie erklären, dass die Türkei unter dem Muslimbruder Erdogan zu einer zentralen Aktionsplattform für den islamistischen Terrorismus in der ganzen Region geworden ist.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Ich finde, diese Rüstungsexporte sind kein Beitrag zum Dialog. Sie sind ein Beitrag zum Unfrieden, und deshalb müssen sie gestoppt werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir fordern eine radikale Wende in der deutschen Türkeipolitik.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)