Kolonialpolitik in Mali
Frankreich hat am vergangenen Freitag eine Militärintervention in Mali gestartet. Gleich zu Beginn schon kamen drei Kampfflugzeuge, mindestens zwei Kampfhubschrauber und mehrere hundert Soldaten zum Einsatz. Bombardiert wurde auch vermeintliche Infrastruktur der Islamisten im Norden. Von sechzig Toten wird allein in Gao berichtet. Die französische Regierung sprach von vielen getöteten Islamisten, mußte jedoch auch den Tod von Zivilisten und eines französischen Soldaten einräumen. Als völkerrechtliche Grundlage gilt das Hilfsersuchen des malischen Übergangspräsidenten Dioncounda Traoré, der nach einem Putsch von Militärs im März 2013 von der »Internationalen Gemeinschaft« unter Führung Frankreichs eingesetzt wurde, in Mali tatsächlich aber keine Macht ausübt. Das ist klassisch kolonialistische Politik und mit dem Völkerrecht in keiner Weise zu vereinbaren. Trotzdem haben alle westlichen Regierungen, die Medien und auch der UN-Sicherheitsrat den Militäreinsatz begrüßt. Kurz vor der Sitzung des Sicherheitsrates hatte Frankreich bereits angekündigt, daß es mehrere Wochen dauern würde, die »Terroristen auszulöschen«.
Die große öffentliche Zustimmung zur Mali-Intervention hängt damit zusammen, daß sämtliche Medien die Darstellung übernehmen, er sei buchstäblich in letzter Sekunde ein Vormarsch der Islamisten gestoppt worden, die ansonsten ganz Mali in einen Terrorstaat verwandelt hätten. Tatsächlich sollen etwa 800 Kämpfer die 50000-Einwohner-Stadt Konna eingenommen haben und Richtung Mopti weitergezogen sein. Während Konna nahezu kampflos an die Islamisten ging – ein Teil der regulären malischen Soldaten befand sich gerade in einer Offensive gut 100 Kilometer westlich –, wäre deren Vormarsch sicherlich bereits in Sévaré gestoppt worden, dem militärisch gut gesicherten zweitgrößten Flughafen des Landes.
Langfristig geplant
An einen spontanen Rettungseinsatz durch das französische Militär kann man nicht glauben – mittlerweile wurde bekannt, daß die USA mit Luftbetankung und Großbritannien mit Transportmaschinen beteiligt sind. Der gewöhnlich gut unterrichtete private US-Nachrichtendienst Stratfor berichtet gar von deutschen Elitesoldaten vor Ort. Tatsächlich muß ein Einsatz wie der in Mali langfristig geplant sein, allein, was die Aufklärung von Zielen im Norden des Landes angeht, wo die »Islamisten« sich inmitten der Zivilbevölkerung bewegen. Die Darstellungen von einer Rettung in letzter Sekunde ist nichts als Kriegspropaganda, an der sich die Partner Frankreichs bereitwillig beteiligen.
Die Pläne für das weitere Vorgehen liegen schon lange auf dem Tisch, ebenso wie ein Mandat des UN-Sicherheitsrates, das bereits im Oktober 2012 den Weg freimachte für die Stationierung einer EU-Mission in Mali. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, deren Truppen an der Seite der Reste der malischen Armee und eilig ausgebildeter Milizen als Bodentruppen bei der französischen Rückeroberung des Nordens fungieren sollen, hatte bereits im Frühjahr 2012 einen entsprechenden Einsatz beschlossen und seitdem an der Aufstellung entsprechender Einheiten und eines gemeinsamen Hauptquartiers gearbeitet. Auch die Beteiligung der EU ist bereits beschlossene Sache. Ein entsprechendes »Krisenmanagement-Konzept« wurde im Dezember vom Rat angenommen, und es wurden bereits verschiedene Vorlagen für einen Operationsplan diskutiert. Wenn sich also am morgigen Donnerstag die Außenminister der EU-Mitgliedsländer in Brüssel zu einer Sondersitzung zur Mali treffen, wird ein fertiger Plan für den Einsatz auf dem Tisch liegen, an dem die militärischen Stäbe der EU schon lange arbeiten – spätestens seit der Verabschiedung der EU-Sicherheitsstrategie für den Sahel im März 2011. Diese zu erstellen war die erste große Aufgabe des seinerzeit neu gegründeten Europäischen Auswärtigen Dienstes, und ihre Umsetzung wird von den Brüsseler Außenpolitikern als Nagelprobe für die neue, intergierte Gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und damit auch als persönliche Herausforderung begriffen. Eine vergleichbare Regionalstrategie hat die EU bislang nur für das Horn von Afrika formuliert.