Kontakte von Anis Amri zu einem ausländischen Geheimdienst

Kann die Bundesregierung ausschließen, dass der Täter des Anschlags auf dem Breitscheidplatz, Anis Amri, von einem ausländischen Geheimdienst geführt wurde bzw. Kontakt zu einem ausländischen Geheimdienst hatte, und welchen auslän­dischen Geheimdienst hat die Bundesregierung bzw. haben die nachgeordneten Behörden nach Beratungen im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum über Anis Amri befragt, um die Wertigkeit der Warnung des marokkanischen Geheimdienstes, dass Anis Amri ein „Projekt“ plane, zu überprüfen?

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes­minister des Innern:

Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse, dass Anis Amri von einem ausländischen Nachrichtendienst geführt wurde bzw. Kontakt zu einem ausländischen Nachrichtendienst hatte, vor.

Die Frage nach dem ausländischen Nachrichtendienst, den die nachgeordneten Behörden nach Beratungen im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum über Anis Amri befragt haben, um die Wertigkeit der Hinwei­se aus Marokko zu überprüfen, kann hier aus Gründen des Staatswohls nicht beantwortet werden. Die Arbeits­methoden und Vorgehensweisen des Bundesamtes für Verfassungsschutz sind im Hinblick auf die künftige Er­füllung des gesetzlichen Auftrags aus § 3 Absatz 1 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz besonders schutzbedürftig. Eine entsprechende Beantwortung – auch in eingestufter Form – würde zu einer wesentlichen Schwächung der dem Bundesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informati­onsgewinnung führen und ließe Rückschlüsse auf die Aufklärungsschwerpunkte, Methoden der Erkenntnis­gewinnung und hier insbesondere auf die Kooperation mit anderen Nachrichtendiensten zu. Dies würde für die zukünftige Zusammenarbeit mit ausländischen Nach­richtendiensten bei der Aufklärung des internationalen Terrorismus und damit für die Auftragserfüllung des Bundesamtes für Verfassungsschutz Nachteile zur Folge haben. Insofern könnte die Offenlegung für die Bundes­republik Deutschland nachteilig sein.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Dağdelen.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Es ist schon be­merkenswert, was alles im Sinne des Staatswohls ver­tuscht oder verdeckt wird.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN]: Alles, was peinlich ist!)

Ich komme gerade aus einem Gespräch mit den Opfer­anwälten. Sie wären sehr froh, wenn das Wohl der Bür­gerinnen und Bürger über dem Staatswohl stehen würde und man die Aufklärung vorantreiben würde.

Sie sagten, Sie hätten keinerlei Erkenntnisse darüber, ob Kontakte oder eine Führung durch ausländische Ge­heimdienste in Sachen Anis Amri bestehe. Die Welt am Sonntag hat am 22. Januar über Anis Amri und über Ver­wicklungen in Italien berichtet. Dort hieß es:

Die Freilassung Amris aus italienischer Abschiebe­haft im Juni 2015 könnte Teil einer Geheimopera­tion des italienischen Inlandsnachrichtendienstes AISI gewesen sein. Dies berichteten gleichlautend zwei mit der Untersuchung des Falls Amri unmit­telbar befasste Quellen aus dem italienischen Si­cherheitsapparat unabhängig voneinander …Die AISI-Aktion habe zum Ziel gehabt, Amri als Köder in der islamistischen Szene Italiens einzusetzen. Wegen einer Panne habe man Amri jedoch aus den Augen verloren.

Gibt es seit dieser Berichterstattung bzw. gab es im Vorfeld seitens der Bundesregierung oder der nachgeord­neten Behörden Bestrebungen, um den Verwicklungen des italienischen Inlandsnachrichtendienstes in Sachen Anis Amri nachzugehen?

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes­minister des Innern:

Das haben wir bereits gemacht. Der Bundesinnenmi­nister hat sich diese Woche mit dem Innenminister Ita­liens getroffen. Der italienische Innenminister hat diese Darstellung verneint und den Sachverhalt gegenüber dem Bundesinnenminister klargestellt.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Dağdelen, zweite Rückfrage?

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Ja. – Meine zweite Rückfrage betrifft den US-Luftan­griff in Libyen. In der Nacht vom 18.auf den 19. Januar hat die US-Luftwaffe zwei IS-Camps nahe der libyschen Stadt Sirt bombardiert. Schätzungen des Pentagon zu­folge wurden dabei mehr als 80 Kämpfer getötet. Man sagt, dass der Angriff offenbar einem Kontaktmann des Berlin-Attentäters Anis Amri gegolten hat. Insofern wür­de ich gerne wissen: Welche Kenntnisse hat die Bun­desregierung – auch nachrichtendienstliche, die Sie mir gerne schriftlich zukommen lassen können –, dass diese Angriffe – wie in der Presse kolportiert wurde – im Zu­sammenhang mit dem Anschlag in Berlin im Dezember standen und dass dabei mutmaßliche Komplizen bzw. Kontaktmänner von Amri getötet wurden? Vor allen Din­gen: Haben die deutschen Sicherheitsbehörden zwei li­bysche Mobiltelefonnummern, die auf dem Handy Anis Amris gefunden wurden, an die USA weitergegeben?

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes­minister des Innern:

Der Nachrichtenkoordinator Fritsche hat soeben aus­geführt, dass es hierzu keine Erkenntnisse gibt, dass dem aber nachgegangen wird und dass die Informationen dann in der Geheimschutzstelle zur Verfügung gestellt werden.

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