Kriegsbeteiligung

Deutsche Waffen für die Ukraine. Gastkommentar

Von Sevim Dagdelen

Bei jeder Regierungsbeteiligung der Grünen ist ein weiterer außenpolitischer Tabubruch fällig. War es 1999 die Teilnahme am völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskrieg gegen Jugoslawien, sind sie heute in der Ampelkoalition entscheidender Treiber für deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine. Alle 14 Minuten stirbt weltweit ein Mensch durch eine deutsche Waffe. Jetzt wird mit diesen auch im Kriegsgebiet Ukraine getötet. So fällt in Deutschland die letzte friedenspolitische Maxime, die als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg und der Niederlage des deutschen Faschismus und Militarismus erwachsen ist. Und als wäre das nicht genug, wird der glühende Verehrer des Nazikollaborateurs und Antisemiten Stepan Bandera, der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk, medial zum Stichwortgeber immer neuer Rüstungsexporte. Jetzt sollen deutsche Panzer nach Osten rollen. Man darf gespannt sein, wie lange sich die Ampel hier noch zieren wird. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als eine Kriegsbeteiligung Deutschlands gen Russland. Per Salamitaktik nimmt scheibchenweise die Gefahr einer direkten Konfrontation zu. Zugleich arbeitet man mit der Massenausweisung russischer Diplomaten und dem Wirtschaftskrieg gegen Russland auf einen Abbruch der Beziehungen hin.

Russlands Krieg in der Ukraine ist unbestritten völkerrechtswidrig, die Bilder aus Butscha schockieren. Da in einem Propagandakrieg immer wieder Manipulationen möglich sind, müssen Kriegsverbrechen dort wie auch andernorts durch eine unabhängige internationale Untersuchung aufgeklärt werden. Das heißt aber gerade nicht, in Deutschland alle bisher vertretenen Positionen aufzugeben. Was, wenn nicht mehr die Worte sprechen? Unwillkürlich kommt einem das Bild der Schlafwandler in den Sinn. Aber was bereits, auf den Ersten Weltkrieg gemünzt, für die deutsche Monarchie nur entlastend war, stimmt auch heute nicht. Deutschland soll in einen Krieg gegen Russland getrieben werden, auch wenn dies einen neuen Weltkrieg, den Atomkrieg in Europa bedeutet. Die Waffenlieferungen sind nur der Auftakt. Dazu wird ein mediales Trommelfeuer entfacht. Der US-Starökonom Jeffrey Sachs warnte wiederholt vor einer US-Strategie, die auf einen jahrelangen Krieg in der Ukraine mit Tausenden Toten hinausliefe.

Von Erich Maria Remarque stammt das Zitat: »Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen.« Nichts umschreibt die Haltung derer besser, die jetzt nach immer neuen Waffenlieferungen schreien, um den Krieg zu nähren oder dem totalen Wirtschaftskrieg das Wort zu reden. In Russland gehen mutige Menschen auf die Straße gegen den Krieg. Im Süden Europas leisten Arbeiterinnen und Arbeiter Widerstand gegen den Krieg und blockieren Waffenlieferungen in die ­Ukraine. Ein Beispiel auch für uns.

Sevim Dagdelen (Die Linke) ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages

Quelle: junge welt

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