Kritik von Amnesty International am EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen im Hinblick auf die Einhaltung völkerrechtlicher Kriterien
Inwieweit ist der Bundesregierung die Kritik von Amnesty International bekannt, das EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen erfülle nicht die drei völkerrechtlichen Kriterien für die Rücksendung von Flüchtlingen – die Geflohenen hätten dort keinen sicheren Rechtsstatus, weil die türkischen Behörden mit der Bearbeitung der Asylanträge überfordert seien und die Antragsteller oft jahrelang in Ungewissheit leben müssten; den Flüchtlingen würde keine dauerhafte Perspektive geboten, da es für viele Flüchtlinge weder die Option einer dauerhaften Niederlassung in der Türkei noch die Aussicht auf eine Ansiedlung in einem anderen Gastland gebe; den vielen Flüchtlingen würden weder Versorgung noch Unterkunft geboten, so dass rund drei Millionen Flüchtlinge und Asylbewerber sich selbst überlassen sind und selbst eine Bleibe finden müssen (AFP vom 3. Juni 2016) –, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus für ihre Unterstützung dieses Flüchtlingsabkommens?
Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/8658, Frage 23):
Dem Vorwurf, die Türkei sei nicht in der Lage, Asylverfahren für 3 Millionen Schutzsuchende im Land rasch durchzuführen, steht der dritte Fortschrittsbericht zur Visaliberalisierung der Europäischen Kommission vom 4. Mai 2016 gegenüber. Dieser stellt fest, dass die Türkei hier bedeutende Fortschritte erzielt hat. Die türkische Generaldirektion für Migrationsmanagement „bearbeite mittlerweile ohne Verzögerung alle neuen Anträge auf internationalen Schutz“. Zudem hat die türkische Generaldirektion für Migrationsmanagement „damit begonnen, den Rückstau der Anträge auf internationalen Schutz zu reduzieren“. Die türkische Generaldirektion für Migrationsmanagement hat einen Umsetzungsplan erarbeitet, auf dessen Basis sie diese Arbeit bis Ende 2016 erledigen möchte.
Speziell für im Rahmen der EU-Türkei-Vereinbarung zurückgeführte Personen (Syrer ebenso wie Nicht-Syrer) hat die Türkei in Schreiben vom 12. und 24. April 2016 effektiven Zugang zu Asylverfahren gemäß internationalen Standards zugesichert.
Zum Vorwurf, die Türkei scheitere daran, Grundbedürfnisse der Schutzsuchenden zu garantieren, möchte ich Folgendes sagen: Die Behauptungen von Amnesty International sind nicht genügend substantiiert und zeichnen ein nicht zutreffendes Bild. Es soll hier überhaupt nicht in Frage gestellt werden, dass es bei der Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen in der Türkei noch vereinzelt Verbesserungsbedarf gibt. Darum stellen die EU und ihre Mitgliedstaaten der Türkei 3 Milliarden Euro (und perspektivisch weitere 3 Milliarden Euro) zur Verbesserung der Flüchtlingssituation zur Verfügung.