Lob vom Zentralrat der Juden – Kritik aus dem Interkulturellen Rat

Die Bundesregierung schließt die Aufhebung ihres Boykotts der Anti-Rassismus-Konferenz in Genf nicht aus. Denkbar sei ein Wiedereinstieg bei den Beratungen über das Abschlussdokument, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Montag in Berlin. Dies sei aber stark vom Verlauf der Konferenz abhängig. Die Bundesregierung habe sich ihre am Sonntag getroffene Absage nicht leicht gemacht, versicherte Steg. Bei Politikern und Verbänden löste die Entscheidung ein geteiltes Echo aus.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier hätten sich sehr intensiv über die Frage einer Teilnahme an der UN-Konferenz ausgetauscht, sagte Steg. Bei der Absage, der ersten dieser Art an eine UN-Konferenz, handele es sich um einen einmaligen Akt, sagte Steg. Es sei „keine Entscheidung getroffen für Veranstaltungen anderer Art".

Die Bundesregierung bekräftigte ihre Befürchtung, auf der Konferenz könne es „Hasstiraden, Schmähreden und antiisraelische Ausfälle" geben. Steg erinnerte an die Vorgängerkonferenz 2001 in Durban, die zur Stimmungsmache gegen Israel genutzt worden sei. Die Delegationen der USA und Israels waren damals vorzeitig abgereist.

Die UN-Konferenz wurde am Montag eröffnet und soll bis zum 25. April dauern. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben mindestens 35 Staaten ihre Teilnahme zugesagt. Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad traf am Sonntagabend unter dem Protest Israels den Schweizer Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz in Genf.

Deutschland schickt einen Beobachter, der aber keine offizielle Funktion hat.

Beifall vom Zentralrat der Juden

Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte den Verzicht Deutschlands. Vizepräsident Dieter Graumann äußerte im Gespräch mit „Handelsblatt.com" aber zugleich heftige Kritik an der Europäischen Union: „Dass Europa sich hier so uneinig zeigt, ist eine Schande." Die Konferenz sei eine „durch und durch verlogene Propaganda-Show für fanatische Israel-Hasser".

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Gert Weisskirchen, sprach von einer schweren Entscheidung, die die Ausnahme bleiben müsse. Der CSU-Außenexperte Thomas Silberhorn nannte die Absage die „logische Konsequenz aus den andauernden Versuchen einiger Teilnehmerstaaten, die Konferenz als Bühne für einseitige antiisraelische Propaganda und undifferenzierte Aungriffe auf die westlichen Staaten insgesamt zu missbrauchen".

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, warf der EU vor, sich „durch ihre uneinheitliche Haltung hinsichtlich der Teilnahme an der UN-Konferenz gegen Rassismus in einer Frage mit hoher Symbolkraft bis auf die Knochen" zu blamieren.

Der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, sagte „Handelsblatt.com", er hätte es „überzeugender gefunden, wenn die EU gemeinsam mit anderen Staaten den Widerspruch gegen solchen Unsinn organisiert hätte". Er habe „Zweifel, ob es klug ist, das Feld dieser Konferenz einfach kampflos den Ahmadinedschads zu überlassen".

Der Interkulturelle Rat, ein Zusammenschluss verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, erklärte hingegen, Deutschland erweise den Menschenrechten mit seiner Absage eine Bärendienst. Die Chance auf eine gemeinsame Willenserklärung der Staatengemeinschaft im Kampf gegen Rassismus sei vertan.

Von einem Bärendienst im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus sprach auch die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sevim Dagdelen. „Neben den USA will auch Deutschland auf neokoloniale Art und Weise bestimmen, über wen und was die internationale Gemeinschaft zu diskutieren und zu urteilen hat", sagte sie.