MdB Sevim Dagdelen fragt die Bundesregierung zur Causa Böhmermann
Frage von MdB Sevim Dagdelen im Rahmen der Regierungsbefragung am 13. April 2016
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich hätte eine Frage in Sachen Causa Böhmermann. Das beschäftigt uns und die ganze Republik ja seit Tagen. Frau Bundeskanzlerin Merkel hatte sich höchstpersönlich eingeschaltet und sich in einem Telefonat mit dem türkischen Premierminister entschuldigt und distanziert. Ich würde gerne Folgendes wissen: Inwieweit war die Causa Böhmermann heute Bestandteil der Kabinettssitzung? Inwieweit wurde darüber gesprochen?
In diesem Zusammenhang möchte ich noch etwas wissen; hier beziehe ich mich auf aktuelle Informationen. Im Vorfeld der ARD-Talkshow Anne Will ist bei der ARD eine Bombendrohung eingegangen. Der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann steht mittlerweile unter Polizeischutz. Ich würde gerne wissen: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Bedrohungslage im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um dieses Schmähgedicht von Jan Böhmermann? War das auch Thema der Kabinettssitzung?
Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft:
Liebe Kollegin Dağdelen, herzlichen Dank für die Fragen. – Zur ersten Frage: Als ein ordentlicher Tagesordnungspunkt in der Kabinettssitzung ist die Causa Böhmermann nicht besprochen worden. Ich verzichte jetzt auch darauf, in irgendeiner Weise eine Bewertung – Sie haben auch keine angefragt – literarischer, satirischer oder sonstiger Art des Gedichtes von Herrn Böhmermann vorzunehmen. Das ist nicht meine Aufgabe.
Die Botschaft der Türkei hat im Zusammenhang mit der Fernsehsendung Neo Magazin Royale im ZDF eine Verbalnote an das Auswärtige Amt gerichtet. Die Bundesregierung wird den Inhalt sorgfältig prüfen und so zügig wie möglich darüber entscheiden, wie mit dem förmlichen Verlangen der türkischen Seite nach Strafverfolgung im Zusammenhang mit in dieser Sendung gemachten Äußerungen weiter zu verfahren ist.
Hinsichtlich der Bedrohungslage, nach der Sie ebenfalls fragten, will ich seitens der Bundesregierung ganz klar meine Abscheu vor Bedrohungen von Journalisten oder Autoren zum Ausdruck bringen. Es verbietet sich schon und gerade aus Gründen des Schutzes des Betroffenen, die Details der Bedrohungslage öffentlich zu kommunizieren. Ich bitte dafür um Verständnis.
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Fragen von MdB Sevim Dagdelen im Rahmen der Fragestunde am 13. April 2016
Nachfrage zur Frage 27 von MdB Heike Hänsel (DIE LINKE)
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Es ist schon erstaunlich, welch einsilbige Antworten man hier angesichts dessen, was die Republik bewegt, von der Bundesregierung bekommt. Ich finde es auch ziemlich verharmlosend, Frau Staatsministerin, wenn ich die Aussage höre, dass Bombendrohungen gegenüber einer Fernsehsendung aufgrund des Inhalts dieser Sendung nicht so gefährlich seien bzw. man hier übertreibe. Bombendrohungen kann man nicht als Übertreibungen bezeichnen. Mit Blick auf die Satiriker, die sich und ihre Familien aufgrund der Gefährdungslage unter Polizeischutz stellen lassen müssen, finde ich es, gelinde gesagt, sehr verharmlosend, wie die Sicherheitslage hier von den deutschen Sicherheitsbehörden dargestellt wird. Das gilt auch bezüglich der Redaktionen, der Künstlerinnen und Künstler sowie der Journalisten. Hier würde ich mir ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit wünschen.
Aufgrund dessen, dass die Bundeskanzlerin sich jetzt inhaltlich zu Kunsterzeugnissen äußert, möchte ich Folgendes wissen: Wird sich die Bundesregierung auch in Zukunft gegenüber ausländischen Staatsoberhäuptern zu Kunsterzeugnissen, zu Erzeugnissen der deutschen Medienlandschaft äußern? Und wenn ja, nach welchen Kriterien wird die Bundeskanzlerin eine Bewertung der deutschen Medien und der Kunstlandschaft gegenüber ausländischen Staatsoberhäuptern vornehmen?
Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Frau Kollegin Dağdelen, ich möchte es noch einmal klarstellen: Meine Äußerung hatte nichts mit einer Verharmlosung zu tun. Es war ein großer Bogen, den die Kollegin Hänsel hier gespannt hat. Die Situation bezüglich der Bombendrohungen ist eine erschreckende Entwicklung. Bundesminister Schmidt hat es vorhin noch einmal sehr deutlich gemacht und damit auch die Gesamtposition der Bundesregierung in dieser Frage ausgedrückt. Es ist die Aufgabe der zuständigen Behörden in den Ländern, sich dieser Frage mit allem Nachdruck anzunehmen. Dass Herr Böhmermann jetzt um Polizeischutz nachsuchen musste, ist etwas, was mich sehr erschreckt. Von daher weise ich Ihre Interpretation mit aller Deutlichkeit zurück.
Was meinten Sie mit „Kunst“, darf ich den Begriff noch einmal hören?
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Sehr gerne. – Es ging um Presse- und Kunsterzeugnisse in Deutschland.
Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Über Presse- und Kunsterzeugnisse kann man doch immer wieder reden. In dieser allgemeinen Art kann ich Ihnen nur eine allgemeine Antwort geben.
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Frage 28 von MdB Sevim Dağdelen (DIE LINKE)
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Inwieweit haben türkische Stellen (Präsident, Regierung, Botschaft) bei der Bundesregierung nach der Ausstrahlung der ZDF-Sendung Neo Magazin Royale am 31. März 2016, in der Moderator Jan Böhmermann mit einem Gedicht über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan den Unterschied zwischen Schmähkritik und Satire aufgezeigt hat, wegen Präsidentenbeleidigung reagiert (Protest, Strafverlangen etc.), woraufhin Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel im telefonischen Gespräch mit ihrem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu am Abend des 3. April 2016 die Bewertung versuchte, dass es sich bei dem Beitrag um einen „bewusst verletzenden“ Text handelt (www.spiegel.de/politik/Deutschland/angela-merkel-kritisiert-jan-boehmermann-verse-ueber-erdogan-deutlich-a-1085333.html), und inwieweit wird die Bundesregierung die gemäß § 104 a des Strafgesetzbuchs erforderliche Verfolgungsermächtigung gegen Jan Böhmermann und weitere Verantwortliche des ZDF wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes erteilen (www.welt.de/politik/deutschland/article154082885/So-kann-die-Tuerkei-gegen-Jan-Boehmermann-vorgehen.html)?
Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Ich darf die Frage wie folgt beantworten: Die Botschaft der Türkei hat im Zusammenhang mit der ZDF-Fernsehsendung Neo Magazin Royale eine Verbalnote an das Auswärtige Amt gerichtet. Die Bundesregierung wird so zügig wie möglich darüber entscheiden, wie weiter zu verfahren ist.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Haben Sie dazu noch eine Nachfrage? – Bitte.
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Wenn es diese Verbalnote gibt und wenn es diese Prüfung gibt, dann stelle ich meine Frage im Anschluss an die Fragestellung der Kollegin Heike Hänsel: Wieso hat Regierungssprecher Seibert in der Bundespressekonferenz ungefragt kundgegeben, dass Frau Bundeskanzlerin das Stück von Herrn Jan Böhmermann in ihrem Telefonat mit dem türkischen Premierminister Davutoglu als „bewusst verletzend“ eingestuft und sich davon distanziert hat, obwohl eine entsprechende Prüfung vorgesehen ist, die man in einem Rechtsstaat, in dem eine Gewaltenteilung herrscht, den Gerichten überlassen müsste und nicht einem Regierungssprecher und einer Bundeskanzlerin, die den Regierungssprecher in die PK vorschickt und ihn dies ungefragt erklären lässt?
Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Gerne. – Ich habe hier das Protokoll der Pressekonferenz vom 4. April vor mir und sehe, dass Staatssekretär Seibert zunächst über die Umsetzung der EU-Türkei-Vereinbarung berichtet hat. Das war ja auch Anlass des Telefongesprächs; deshalb ist es vereinbart worden. Er hat darauf hingewiesen, es sei
… ein wichtiger Tag, denn es beginnt die Umsetzung eines zentralen Teils dieses Abkommens …
Sie waren heute Morgen im Ausschuss. Wir haben dort ausführlich darüber gesprochen. – Dann sagte er:
Gesprächsgegenstand war auch die jüngste Veröffentlichung eines sogenannten Schmähgedichts gegen den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan.
Alle weiteren Äußerungen dazu sind Ihnen bekannt.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Das war – erstens – keine Antwort auf die Fragestellung.
Zweitens würde ich gerne wissen, inwiefern es andere, gerne auch nachrichtendienstliche, Erkenntnisse über Drohungen und Bedrohungssituationen gibt. Sie können uns die Antwort auch später schriftlich zuleiten, wenn Sie mögen. Es gab ja Proteste vor dem ZDF-Studio in der Türkei. Es gab solche Proteste auch hier. Wie wir gehört haben, gibt es eine sehr akute Gefährdung bestimmter Künstlerinnen und Künstler in Deutschland, die unter Polizeischutz stehen – Jan Böhmermann, aber eben auch andere. Da würde ich gerne wissen: Hat die Bundesregierung hier mehr Kenntnisse? Was unternimmt sie, um die Sicherheit der Bedrohten zu gewährleisten?
Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:
Frau Kollegin Dağdelen, mir liegen dazu keine Erkenntnisse vor. Ich bin sicher, dass die zuständigen Länderbehörden und die Polizei dort, wo es notwendig ist, alles tun, damit die Sicherheit gewährleistet ist.
Quelle: Plenarprotokoll 18/163