MdB Sevim Dagdelen in der Fragestunde zu Todesdrohnen und Ramstein
Wird die Bundesregierung – vor dem Hintergrund, dass der Spiegel und die US-Enthüllungsplattform „The Intercept" neue, vormals streng geheime Dokumente der US-Regierung präsentierten, welche die zentrale Rolle der US-Militärbasis Ramstein für alle Steuerungs- und Überwachungssignale der Drohnen belegen (www.spiegel.de/politik/deutschland/drohnenkrieg-von-ramstein-opposition-fordert-ermittlungen-a-1029395.html) – sofort mittels eigener Untersuchungen der Frage nachgehen, ob es in Ramstein einen Rechtsbruch von deutschem Boden aus zu ahnden gibt, um somit weitere mögliche gezielte Tötungen durch Drohnen von deutschem Boden zu verhindern?
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung:
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin, ich beantworte die von Ihnen gestellte Ja/Nein-Frage mit Nein und führe ergänzend Folgendes aus:
Nach intensiven, vertraulichen Gesprächen sicherte die US-amerikanische Regierung der Bundesregierung Mitte Januar 2015 zu, dass amerikanische Einsätze von unbemannten Luftfahrzeugen in keiner Weise von Deutschland aus gesteuert oder durchgeführt würden und sämtliche Entscheidungen über Einsätze unbemannter Luftfahrzeuge durch die US-Regierung in Washington fielen. Jedwedes Handeln der Vereinigten Staaten von deutschem Staatsgebiet aus erfolge nach den Regeln des geltenden Rechts. Die Bundesregierung verweist in diesem Zusammenhang auch auf ihre Antwort auf Ihre schriftliche Frage vom 8. April 2015.
Die Air Base Ramstein und die sich darauf befindliche Satelliten-Relaisstation wird von den USA ohne die Mitwirkung oder Einbeziehung der Bundesregierung betrieben und genutzt. Selbst wenn sie dabei eine entscheidende Rolle beim Datentransfer zu Drohnen der USA oder zu deren Steuerung einnehmen sollte, folgt daraus keineswegs zwingend ein Rechtsbruch oder eine Straftat, die von deutschem Boden ausgeht.
Unter rechtlichen Gesichtspunkten kann nur ein konkreter Drohneneinsatz bei Kenntnis aller maßgeblichen Tatsachen bewertet werden. Dies ist immer eine Frage des Einzelfalls, wobei in erster Linie Ziel des Einsatzes, äußere Rahmenbedingungen und gegebener Kenntnisstand der Verantwortlichen im Mittelpunkt stehen würden und weniger die Struktur des Datentransfers.
Allein die zitierten Presseveröffentlichungen haben in dieser Hinsicht bislang keinen Anlass für die zuständigen Justiz- und Polizeibehörden für die Einleitung konkreter Ermittlungen gegeben. Allerdings hat der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof bereits im Juni 2013 einen sogenannten Beobachtungsvorgang im Zusammenhang mit etwaigen von Deutschland aus geplanten, gesteuerten oder überwachten Drohneneinsätzen angelegt. Dabei prüft er anhand offen verfügbarer Informationen, ob es Anhaltspunkte für in seine Verfolgungszuständigkeit fallende Straftaten gibt.
Bei weiteren Erkenntnissen würden die zuständigen Behörden selbstverständlich auf der Grundlage der jeweils einschlägigen Rechtsgrundlagen tätig werden, wie dies in der Vergangenheit schon erfolgt ist. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Einstellungsverfügung der Bundesanwaltschaft vom 20. Juni 2013 hinsichtlich eines Drohneneinsatzes in Pakistan, Aktenzeichen 3 BJs 7/12-4.
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Gäste, von meiner Seite aus. – Frau Dagdelen hat eine Nachfrage.
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte vor meiner eigentlichen Frage mit einer Verständnisfrage nachhaken, weil die Antwort so schnell vorgelesen wurde. Habe ich es jetzt akustisch richtig verstanden, dass Sie gesagt haben, auch wenn von Ramstein aus Drohnenangriffe stattfinden würden, diese nicht rechtswidrig wären? Sie haben das so schnell vorgelesen; deshalb frage ich nach.
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung:
Frau Kollegin, ich habe darauf hingewiesen, dass dies nicht zwingend der Fall ist, sondern dass die rechtliche Würdigung eines Drohneneinsatzes immer nur als Einzelfall unter Würdigung aller mit diesem Einzelfall zusammenhängenden Umstände erfolgt.
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Okay, gut. – Dann habe ich jetzt meine erste Nachfrage, Frau Präsidentin.
Ich möchte fragen: Unter welchen Umständen ist die Bundesregierung bereit, zumindest diesen einzelnen Fällen einzelne Würdigungen zuteilwerden zu lassen und zu prüfen, ob sie völkerrechtswidrig bzw. rechtswidrig sind und ob die Bundesrepublik Deutschland, wenn tatsächlich die Daten für die tödlichen Drohnenangriffe über Ramstein fließen, eventuell Gefahr läuft – ich verweise in diesem Zusammenhang auf den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages –, an „völkerrechtswidrige(n) Militäroperationen" beteiligt zu sein, die „durch ausländische Staaten von deutschem Territorium" aus durchgeführt werden würden? Dies würde laut Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes von 2014 „eine Beteiligung an einem völkerrechtswidrigen Delikt" darstellen. Viele Strafrechtler sagen auch, das sei Beihilfe zum Mord.
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung:
Frau Kollegin, ich habe bereits in meiner Antwort auf Ihre Frage darauf hingewiesen, dass die in unserem Rechts- und Rechtswegestaat zuständigen Justiz- und Polizeibehörden, die über die Einleitung von konkreten Ermittlungen zu entscheiden hätten, dafür bislang keinen Anlass gesehen haben, über das hinaus, worauf ich Sie auch hingewiesen habe, dass es einen Beobachtungsvorgang gibt und dass es in der Vergangenheit schon einmal ein Verfahren gegeben hat, das seitens der Bundesanwaltschaft dann mit Begründung eingestellt worden ist. Das sind die in unserem Rechtswegestaat dafür zuständigen Institutionen und die von ihnen dazu bisher getroffenen Entscheidungen.
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Ihre zweite Zusatzfrage.
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Vielen herzlichen Dank. – Herr Staatssekretär, schon seit längerem, genauer: seit Sommer 2013, stellt meine Fraktion hier im Deutschen Bundestag beständig Kleine Anfragen, schriftliche Fragen, mündliche Fragen über Erkenntnisse und Kenntnisse bezüglich der Drohnenmorde, die laut verschiedensten Berichten von deutschem Boden ausgehen sollen. Von den aktuellen Berichterstattungen von Spiegel und „The Intercept" möchte ich nur eine kurz zitieren und Sie fragen, ob Sie es bestätigen können bzw. ob Sie Kenntnis davon haben. Der Spiegel schreibt am 18. April 2015:
Im Juni 2013, kurz vor Obamas Berlin-Besuch, drängte die damalige Staatssekretärin im Auswärtigen Amt darauf, von Washington eine Zusicherung zu verlangen: dass sich US-Stellen in Deutschland „nicht an gezielten Tötungseinsätzen" beteiligen.Emely Haber
– die Staatssekretärin im Auswärtigen Amt –
wurde laut einem internen Vermerk jedoch überstimmt: „Bundeskanzleramt und Verteidigungsministerium plädieren hingegen dafür, Druck aus Parlament und Öffentlichkeit, auszusitzen‘."
Meine Frage: Ist Ihnen dieser Vermerk bekannt, oder bestreiten Sie das, was im Spiegel steht? Sagen Sie: „Das ist unwahr, was der Spiegel hier behauptet"?
Zweite Frage. Aufgrund dieser Berichterstattung im Spiegel gab es Informationen und Auskünfte des Bundesministeriums der Verteidigung, dass mit anderen Kanälen die neuesten an die Öffentlichkeit gelangten Fakten in sachlich zuständigen Häusern besprochen werden würden. Meine Frage: Wie oft, wann und wo fanden seit diesen Enthüllungen von Spiegel und „The Intercept" solche Beratungen statt? Falls sie noch nicht stattgefunden haben: Wann gedenken Sie diese stattfinden zu lassen?
Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung:
Frau Kollegin, ich kann Ihnen zu diesem Vermerk nichts sagen. Ich habe keine Kenntnisse über diesen Vermerk. Ich kenne auch niemanden, der öffentlich oder anderswo behauptet, dass dies ein Vermerk aus dem Bundesministerium der Verteidigung sei.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: Er bestreitet den Vermerk!)
Das Bundesministerium der Verteidigung hat seit der kurzfristigen Einreichung Ihrer dringlichen Frage auch nicht sämtliche anderen Ministerien dahin gehend einbezogen, zu erfahren, ob es irgendwo dort einen solchen Vermerk gibt. Deswegen kann ich Ihnen diesen Vermerk nicht bestätigen.
Vizepräsidentin Claudia Roth:
Vielen Dank. – Eine weitere Zusatzfrage hat der Abgeordnete Ströbele.
Ich bitte die Kollegen, sich wirklich an die Eine-Minute-Regelung zu halten; das macht schon Sinn.