Merkels Militärallianz
EU wird »Verteidigungsunion«
Konservative und Sozialdemokraten im Europaparlament wollen die EU zügig in eine Militärunion umbauen. Das für viele überraschende Ergebnis bei den US-Präsidentschaftswahlen ist dabei willkommener Vorwand. Europa muss »mehr Verantwortung« in der Welt übernehmen, tönen sie, nach dem Sieg von Donald Trump in den Vereinigten Staaten allemal. Mit der sogenannten europäischen Verteidigungsunion will die große Koalition in Strasbourg ein Lieblingsprojekt von Bundeskanzlerin Angela Merkel vorantreiben. Da passt es ganz gut, dass die deutsche Regierungschefin vom scheidenden Oberkommandierenden in Washington gerade als Jeanne d’Arc der Demokratie und zur neuen Führerin der freien Welt proklamiert wurde.
Waffenlobby und Rüstungsindustrie in Europa können feiern. Das »Verteidigungsunion« getaufte Projekt schreibt den einzelnen EU-Ländern ein gigantisches Aufrüstungsprogramm vor. Konservative und Sozialdemokraten im EU-Parlament fordern, wie übrigens von US-Präsident Barack Obama wiederholt verlangt, die Erhöhung des Verteidigungshaushalts in den EU-Staaten auf jeweils zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Für Deutschland heißt das, die Steuerzahler sollen für die Vergrößerung des Wehretats von jetzt 36 Milliarden Euro auf perspektivisch 60 Milliarden Euro noch mehr bluten. Die Kriegsgelder werden am Ende wieder einmal bei Bildung und Gesundheit fehlen.
Die EU soll »Global Player« auch im Militärbereich werden. Dafür bekommt der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Staatenbund ein operatives Hauptquartier und einen Anschubfonds für Militärinterventionen. Über die »Ständige Strukturierte Zusammenarbeit« (SSZ) werden das Konsensprinzip in der EU aufgeweicht und am Ende nationale Parlamentsrechte ausgehebelt. Schritt für Schritt soll so die von Deutschland dominierte EU auch ohne USA und NATO kriegsführungsfähig gemacht werden.
Merkels Wehrchefin kann es mit der deutsch geführten »Verteidigungsunion« nicht schnell genug gehen. »Unabhängig vom Ausgang der amerikanischen Wahl war uns immer klar, dass Europa mehr Verantwortung auf seine Schultern nehmen muss«, ist die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gleich nach dem Wahlsieg von Donald Trump vorgeprescht.
Mehr Geld für mehr Waffen und mehr Kriege – all das ist gegen die Interessen der Bevölkerung gerichtet. Mit der sogenannten europäischen Verteidigungsunion wird der militärisch-industrielle Komplex reicher gemacht. Dabei ist eine soziale Offensive gegen Armut und Arbeitslosigkeit, vor allem die unter Jugendlichen, überfällig. Hier muss investiert werden, statt zum Beispiel jährlich eine halbe Milliarde Euro nur für Rüstungs- und Kriegsforschung allein auf EU-Ebene zu verbrennen.
Sevim Dagdelen ist Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion Die Linke im Bundestag und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses
Quelle: junge welt