Mögliche Einstellung der strafrechtlichen Verfolgung gegen sich als Taliban-Mitglied ausgebende afghanische Flüchtlinge

Inwieweit trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, dass die Bundesanwaltschaft – um die hohe Zahl der erwarteten Taliban-Fälle in den Griff zu bekommen – Verfahren gegen afghanische Flüchtlinge, die sich als Taliban-Mitglied offenbaren und von denen sonst keine Verbrechen bekannt sind, einstellen wollen, also diese nicht nach den §§ 129a und 129b des Strafgesetzbuchs (StGB) verfolgen (DER SPIEGEL vom 22. April 2017, S. 38; www.welt.de/politik/deutschland/article160345057/Per-Taliban-Trick-entziehensich-Afghanen-der-Abschiebung.html),und inwieweit sieht die Bundesregierung in diesem Vorgehen gegen die ausländische terroristische Vereinigung „Taliban“ einen Widerspruch zu beispielsweise der grundsätzlichen strafrechtlichen Verfolgung nach den §§ 129a und 129b StGB bezogen auf andere Organisationen (z. B. PKK, TKP/ML, DHKPC)?

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Christian Lange vom 8. Mai 2017

Derzeit wird beim Generalbundesanwalt (GBA) eine Reihe von TalibanVorgängen bearbeitet, die ihren Ursprung in den Angaben von Flüchtlingen bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge haben (behauptete Zugehörigkeit zu der terroristischen Vereinigung „Taliban“). Bei einem Teil dieser Fälle wurde nach § 153c der Strafprozessordnung (StPO) von der weiteren Strafverfolgung abgesehen, wenn der Betroffene als Jugendlicher oder Heranwachsender zwangsweise für die Taliban rekrutiert wurde, dort zwar eine Unterweisung im Umgang mit Waffen erhielt, jedoch nicht an konkreten Kampfhandlungen teilnahm, sondern bei der ersten sich bietenden Gelegenheit fliehen konnte. Nach § 153c Absatz 5 i. V. m. Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 StPO kann der GBA von der Verfolgung von Straftaten absehen, wenn in den Fällen der §§ 129 und 129a, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, StGB die Vereinigung nicht oder nicht überwiegend im Inland besteht und die im Inland begangenen Beteiligungshandlungen von untergeordneter Bedeutung sind oder sich auf die bloße Mitgliedschaft beschränken. In Fällen, in denen von der aktiven Teilnahme an Kampfeinsätzen, der Begehung konkreter Tötungshandlungen oder sonstiger Gewalttaten auszugehen ist, kommt eine solche rechtliche Behandlung grundsätzlich nicht in Betracht, da hier das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung überwiegt.

Die Bundesregierung sieht in diesem Vorgehen des GBA keinen Widerspruch zur strafrechtlichen Verfolgung anderer terroristischer Vereinigungen nach den §§ 129a und 129b StGB. Die genannten, zugrunde gelegten rechtlichen Bewertungen werden in vergleichbaren Fällen auch auf Mitglieder anderer Organisationen entsprechend angewandt und haben dort bereits zu mehreren Einstellungen nach § 153c StPO geführt. So wurden auch Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in oder Unterstützung der PKK, der TKP/ML, der LTTE und der Al-Shabaab vereinzelt unter Berücksichtigung des Tatortes, des Gewichts des Tatbeitrags sowie der Person der/des Beschuldigten gemäß § 153c StPO eingestellt.