Mögliche Verbote von Vereinen der Ülkücü-Bewegung
Welche konkreten Schritte hat die Bundesregierung vor dem Hintergrund des am 18. November 2020 vom Deutschen Bundestag angenommenen Antrag, in dem die Bundesregierung unter anderem dazu aufgefordert wurde, gegen die Vereine der „Ülkücü“-Bewegung Organisationsverbote zu prüfen (Bundestagsdrucksache 19/24388), unternommen, und welche tatsächlichen Anhaltspunkte
hat die Bundesregierung, dass das Auftreten des Dachverbands „Föderation der Weltordnung in Europa“ („Avrupa Nizâm-Âlem Federasyonu“ – ANF), ehemals „Verband der türkischen Kulturvereine in Europa“ (ATB), nahelegen, dass der Verband dem „Ülkücü“-Spektrum zuzurechnen ist (Bundestagsdrucksache 19/27463, Frage 13)?
Antwort des Staatssekretärs Hans-Georg Engelke vom 7. Dezember 2021
Die Bundesregierung prüft fortlaufend sämtliche Möglichkeiten, die der Rechtsstaat bereithält, um erkannten extremistischen Bestrebungen entgegenzuwirken. Dazu gehört auch die Prüfung von Verboten einzelner Gruppierungen.
Abgesehen davon äußert sich die Bundesregierung generell nicht zu konkreten Verbotsüberlegungen, unabhängig davon, ob zu solchen Überlegungen im Einzelfall Anlass besteht. Auskünfte zu etwaigen Planungen, die auf das Verbot einer extremistischen Gruppierung hinauslaufen, wären grundsätzlich geeignet, bei Bekanntwerden die Beweissituation im Hinblick auf mögliche staatliche Maßnahmen zu verschlechtern und somit den Erfolg einer solchen Verbotsmaßnahme als Ganzes zu gefährden. Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass eine diesbezügliche Beantwortung auch nicht in eingestufter Form erfolgen kann. Die Bundesregierung hält die Informationen der angefragten Art – konkret den Sachstand zu möglichen Verbotsüberlegungen hinsichtlich solcher Personenzusammenschlüsse, die der „Ülkücü“-Bewegung zugerechnet werden können – für derart sensibel, dass auch ein geringfügiges Bekanntwerden der Informationen unter keinen Umständen hingenommen werden kann.
Zudem ist hier ein Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung betroffen, der einen auch parlamentarisch grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich umfasst. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 10 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 19/27463 sowie auf die Antwort der Bundesregierung der Schriftlichen Frage 27 der Abgeordneten Helin Evrim Sommer auf Bundestagsdrucksache 19/28936 und auf die Antwort der Bundesregierung der Schriftlichen Frage 29 der Abgeordneten Gyde Jensen auf Bundestagsdrucksache 19/31438 verwiesen.
Darüber hinaus verweist die Bundesregierung auf die Ausführungen „Voraussetzungen eines Vereinsverbots“ der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 10. September 2021, Az. WD 3 – 3000 – 150/21, abzurufen unter www.bundestag.de/resource/blob/863188/28d14e6497039290f2014a7b77141a0c/WD-3-150-21-pdf-data.pdf.
Anlass war hier ebenfalls der oben bereits erwähnte Antrag vom 18. November 2020.
Die in dem am 18. November 2020 vom Deutschen Bundestag angenommenen Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 19/24388) geforderte Bekämpfung des türkischen Rechtsextremismus soll in Zukunft einen noch stärkeren Arbeitsschwerpunkt der Sicherheitsbehörden des Bundes bilden. Diese haben daher die Aufklärungsarbeit und Bekämpfung des Phänomenbereichs bereits intensiviert. Die gewonnenen Erkenntnisse befinden sich in der Prüfung, um zu einer belastbaren Erkenntnislage zu gelangen, da vor allem die verbandlich organisierten Anhänger der „Ülkücü“-Bewegung nach außen hin um ein friedliches und gesetzeskonformes Verhalten bemüht sind. Die extremistische Gesinnung ist vor allem bei dem unorganisierten Teil der Bewegung offen sichtbar.
Die freie Szene besteht überwiegend aus internetaffinen Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Die Sicherheitsbehörden informieren weiterhin Politik und Gesellschaft regelmäßig über die von der „Ülkücü“-Bewegung ausgehenden extremistischen Bestrebungen. Beispielsweise wurde die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e. V.“ („Avrupa Türk-İslam Birliği“ – ATIB) im Verfassungsschutzbericht des Bundes für das Jahr 2019 erstmalig als Teil der „Ülkücü“-Bewegung benannt. Mit der ANF wurde nun der dritte Dachverband in den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2020 neu aufgenommen. Die Nennung im Verfassungsschutzbericht ist aus Sicht der Bundesregierung ein wichtiges Mittel in der Bekämpfung extremistischer Bestrebungen. Im Übrigen wird auf die Erläuterungen zur Avrupa NizâmÂlem Federasyonu (ANF) im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2020 verwiesen.
Ergänzend wird auf die im November 2020 erschienene Broschüre des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) „Türkischer Rechtsextremismus in Deutschland – Die „Ülkücü“-Bewegung“, abrufbar unter www.verfassungsschutz.de/Shared-Docs/publikationen/DE/2020/tuerkischer-rechtsextremismus-in-deutschland-die-uelkuecue-bewegung.html verwiesen. Weitere Informationen zur „Ülkücü“-Bewegung bzw. den „Grauen Wölfen“ sind zudem im „Kompendium des BfV – Darstellung ausgewählter Arbeitsbereiche und Beobachtungsobjekte“ aufgeführt, abrufbar unter www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/2018/kompendium-des-bfv-darstellung-ausgewaehlter-arbeitsbereiche-und-beobachtungsobjekte.html.