Mündliche Frage PlPr 17/157: Auswirkungen der von der EU verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Syrien und den Iran

Welche Auswirkungen haben die von der Europäischen Union, bereits in einer zehnten Sanktionsrunde, verhängten umfassenden Wirtschaftssanktionen gegen Syrien und den Iran im Bereich der Gewährleistung des Zugangs der zivilen Bevölkerung zu elementaren Gütern (wie z. B. Medikamente, Nahrungsmittel, Energie), bzw. wie wirken sich die verhängten Sanktionen auf Arbeitslosigkeit und Kaufkraft der betreffenden Landeswährungen aus?

Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/8537, Frage 36):

Es handelt sich bei den genanten Wirtschafts-Sanktionen gegen Syrien und Iran um zwei unterschiedliche Sanktionsregime. Lassen Sie mich daher zunächst auf den Fall Syrien und anschließend auf Iran eingehen.

Syrien:

Grundsätzlich ist zu sagen, dass es die brutale Gewalt und die Repression des syrischen Regimes gegen die eigene Bevölkerung sind, die weitreichende Folgen für die Zivilbevölkerung haben und über Generationen Narben hinterlassen werden.

Die Sanktionspolitik der Europäischen Union richtet sich ausschließlich gegen das syrische Regime und ist darauf gerichtet, dass es seine Unterdrückungsmaßnahmen sofort einstellt, umgehend einen glaubwürdigen demokratischen Prozess einleitet und umfassend mit der internationalen Gemeinschaft, vor allem der Arabischen Liga, kooperiert. Bei jeder Sanktionsmaßnahme werden sorgfältig die möglichen Konsequenzen für die syrische Zivilbevölkerung in Betracht gezogen, um die negativen Folgen einer Sanktionsmaßnahme für die syrische Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten.

Die vielfältigen Kontakte mit der Zivilbevölkerung in Syrien und mit Aktivisten in Deutschland machen deutlich, dass die EU-Sanktionen als ein wichtiges Mittel angesehen werden, um den wirtschaftlichen Druck auf das syrische Regime zu erhöhen. Gleichzeitig wird ein Signal an die Geschäftsleute ausgesandt, die sich bisher noch icht eindeutig vom syrischen Regime abgewandt haben. In keinem unserer Kontakte wurde jemals gefordert, keine weiteren Sanktionen mehr zu verhängen.

Das Ölimportembargo der EU und andere Maßnahmen haben die Einnahmequellen des Regimes empfindlich getroffen. Es hat seitdem Schwierigkeiten, Öl auf den Weltmärkten zu adäquaten Preisen abzusetzen. Auf die Versorgungslage der Bevölkerung hatten diese Maßnahmen nur begrenzten Einfluss. Diese hat sich vor allem aufgrund der Gewaltmaßnahmen des Regimes verschlechtert, da die Versorgung aufgrund der schlechten Sicherheitslage stark beeinträchtigt wird.

Iran:

Im Falle Irans setzt sich die Bundesregierung gemeinsam mit ihren Partnern im E3+3-Rahmen für eine Lösung des Streits um das iranische Nuklearprogramm ein, die sicher stellt, dass das iranische Nuklearprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Die E3+3 verfolgen dabei einen zweigleisigen Ansatz. Einerseits wird Iran umfassende Kooperation angeboten. Andererseits wird durch zielgerichtete Sanktionen Druck auf Iran erhöht, seinen Verpflichtungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft nachzukommen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Iran hat sich in der Vergangenheit kontinuierlich geweigert, den internationalen Verpflichtungen bezüglich seines Nuklearprogramms nachzukommen. Diese resultieren aus verschiedenen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (VN) und des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO). Die IAEO hat sich in ihrem letzten Bericht vom 8. November 2011 "ernsthaft besorgt" über eine mögliche militärische Komponente des iranischen Nuklearprogramms gezeigt. Iran hat in den letzten Wochen erneut Schritte unternommen, die das internationale Vertrauen in seine friedlichen Absichten untergraben. Dazu zählen der Start der 20-prozentigen Urananreicherung in der unterirdischen Anlage in Fordow und die Drohung mit der Blockade der Straße von Hormus.

Die hohe Repräsentantin für die Europäische Außen- und Sicherheitspolitik, Lady Catherine Ashton, hat als Sprecherin der E3+3 wiederholt erklärt, dass die E3+3 zu substantiellen Gesprächen über das iranische Nuklearprogramm bereit sind. Zuletzt hat sie dies in einem Brief vom 21. Oktober 2011 an den iranischen Chefunterhändler, Said Jalili, bestätigt. Hierauf hat die iranische Führung jedoch leider bisher nicht in belastbarer Form reagiert. In Ermangelung dessen hat die EU entschieden, dass – in Weiterverfolgung des genannten zweigleisigen Ansatzes – eine Erhöhung des Drucks ohne Alternative ist. Am 23. januar 2012 hat der Rat für Auswärtige Beziehungen deshalb die Sanktionen gegenüber Iran verschärft.

Sanktionen sind kein Selbstzweck. Ziel aller Sanktionen sowohl auf VN- als auch auf EU-Ebene ist es, die iranische Führung zu einer Rückkehr zum Verhandlungstisch zu bewegen. Dazu gilt es, die Finanzierungsquellen für das iranische Nuklearprogramm auszutrocknen. Die Sanktionen sind von der iranischen Regierung selbst zu verantworten.

Insbesondere zielen die Sanktionen nicht auf die Zivilbevölkerung. Die Bundesregierung hat sich auch in der letzten Sanktionsrunde dafür eingesetzt, dass die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung auf ein unvermeidbares Mindestmaß beschränkt bleiben. Die in Ihrer Anfrage genannten Bereiche medinzinische Versorgung und Nahrungsmittel sind nicht von den Sanktionen betroffen betroffen bzw. die Versorgung ist durch Ausnahmeregelungen gesichert. Die Produktion von Energie zur friedlichen Nutzung der Bevölkerung wird ebenfalls nicht direkt durch die Sanktionen betroffen. Die Abwertung der Landeswährung Rial hat bereits lange vor Verabschiedung der Sanktionen eingesetzt und resultiert aus einer Vielzahl von Faktoren.