Mündliche Frage PlPr 17/161: Auswirkungen der Stellungnahme des Bundesministers Westerwelle zur jüngsten IAEO-Delegationsreise in den Iran und der Androhungen eines Krieges bzw. von Luftschlägen von Verbündeten der Bundesregierung

Wurde nach Auffassung der Bundesregierung durch die Stellungnahme des Bundesministers des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, wonach „[d]ie Verweigerung des Zugangs zu Atom-Installationen […] ein weiterer Verstoß Irans gegenüber der IAEO und der internationalen Staatengemeinschaft" sei, (bewusst) eine auch von den Medien verbreitete Fehleinschätzung verstärkt, wonach es Ziel der jüngsten IAEO-Delegationsreise (IAEO = Internationale Atomenergie-Organisation) in den Iran gewesen sei, tatsächliche oder mutmaßliche Atom-Installationen – insbesondere die Militäranlage Parchin – zu inspizieren, obgleich der Delegationsleiter, Herman Nackaerts, bereits vor der Abreise klarstellte, dass ihr Ziel nicht Inspektionen, sondern lediglich Gespräche hierüber sind (www.iaeo.org/newscenter/ news/2012/visit-iran.html), welche dann auch stattfanden, und wie schätzt die Bundesregierung die Wirkung wiederholter Androhungen eines Krieges bzw. von Luftschlägen durch ihre Verbündeten auf die Bereitschaft der iranischen Führung ein, internationale Beobachter eine besonders auch für die iranische Luftabwehr relevante Militärbasis mit einem der größten Munitionsdepots und wichtigen Rüstungsstandorten inspizieren zu lassen und somit zu einer friedlichen Lösung des Atomstreites beizutragen?

Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/8723, Frage 32):

Frau Abgeordnete, Iran ist aufgrund einer Reihe von Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen rechtlich verpflichtet, vollständig und umfassend mit der Internationalen Atomenergie-Organisation zusammenzuarbeiten und bei der Aufklärung der offenen Fragen zu seinem Nuklearprogramm zu kooperieren. Der Gouverneursrat der Internationalen Atomenergie-Organisation hat Iran zuletzt am 18. November 2011 mit überwältigender Mehrheit nachdrücklich dazu aufgefordert, die geforderten Kriterien einzuhalten. Das Ziel der letzten Delegationsreise der IAEO nach Teheran war, bei der Klärung der offenen Fragen mit Iran Fortschritte zu erzielen. Hierzu hat die Delegation einen Besuch in der Anlage in Partschin verlangt. Diesen hat Iran verweigert. Damit hat Iran seine internationalen Verpflichtungen erneut verletzt.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Frau Dagdelen, eine Nachfrage? – Bitte schön.

Sevim Dagdelen (DIE LINKE):

Frau Staatsministerin, das hört sich widersprüchlich an. Der Leiter der IAEO-Delegation, Herman Nackaerts, hat vor der Abreise klargestellt, dass ihr Ziel nicht Inspektionen sind, sondern lediglich Gespräche. Darüber hinaus interessiert mich, warum von Herrn Westerwelle in der Öffentlichkeit gesagt wurde: Es ging um Inspektionen der Militäranlage in Partschin. Das hat nicht stattgefunden. Das geht nicht usw. – Das kommt mir etwas aufgesetzt vor. Meines Wissens wurde 2003 der Verdacht geäußert, dass in Partschin eine Sprengkammer installiert worden sei, in der gegebenenfalls Zünder getestet werden könnten, die auch für Atomwaffen geeignet sein könnten. Darüber gibt es zwei sehr ausführliche Berichte über zwei sehr ausführliche Inspektionen in dieser Anlage, nämlich von 2004 und 2005. Deshalb interessiert mich jetzt: Was ist der Bundesregierung über den Verlauf und die Ergebnisse dieser Inspektionen aus den Jahren 2004 und 2005, über die Bedeutung der Militäranlage Partschin für die Landesverteidigung Irans und insbesondere über die Verteidigung gegen Luftangriffe auf Teheran und mögliche Gegenschläge im Falle eines Angriffs auf den Iran bekannt?

Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

Frau Abgeordnete Dagdelen, Sie wissen wahrscheinlich, dass Iran bereits zweimal einen Besuch der IAEO in Partschin zugelassen hat. Es gibt geregelte Verfahren darüber, wie unter Wahrung der militärischen Vertraulichkeit diese Besuche durchgeführt werden können. Iran wusste bereits seit Januar 2012 von der Bitte der IAEO, Partschin zu besuchen. Damit wäre ausreichend Zeit gewesen, einen solchen Besuch von iranischer Seite vorzubereiten. Die IAEO hatte mit ihrem Besuchswunsch keine Inspektion von Partschin beabsichtigt, sondern wollte diesen Besuch als vertrauensbildende Maßnahme durchführen. Ich meine, damit hätte Iran seine Bereitschaft signalisieren können, substanziell bei der Aufklärung der offenen Fragen zu kooperieren. Eine umfassende technische Inspektion hätte in einem zweiten Schritt folgen können. Das ist nicht passiert.

Die jüngsten Entwicklungen im iranischen Nukleardossier sind zutiefst besorgniserregend. Der Bundesaußenminister hat das immer wieder zum Ausdruck gebracht. Iran baut im Widerspruch zu seinen internationalen Verpflichtungen insbesondere die Anreicherung auf 20 Prozent aus. Iran kooperiert unzureichend mit der IAEO. Trotzdem streben der Bundesaußenminister und die Bundesregierung weiterhin eine diplomatische Lösung der Nuklearfrage an. Das setzt aber voraus, dass der Iran ernsthaft bereit ist, auch mit den E3+3 über sein Nuklearprogramm zu verhandeln.

Da ja in den Medien immer wieder ein militärisches Vorgehen zur Sprache kommt, will ich nur daran erinnern, dass ein militärisches Vorgehen unabsehbare Folgen, auch über die Region hinaus, haben würde. Deswegen lehnen wir es ab, uns an solchen Diskussionen zu beteiligen, und wollen Iran dazu zwingen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Deswegen haben wir uns auch seitens der EU für weitere Sanktionen gegen Iran starkgemacht.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:

Sie haben noch eine Nachfrage? – Bitte schön.

Sevim Dagdelen (DIE LINKE):

Es freut mich zu hören, dass die Bundesregierung an einer diplomatischen Lösung interessiert ist. Weniger besorgniserregend dürften die neuesten Informationen des US-Geheimdienstes sein. So etwas ist ja schon 2007 geschehen, als man erklärte, dass bis 2003 in Teheran womöglich an einem Atomwaffenprogramm gearbeitet worden sei, das aber, wie gesagt, 2003 schon eingestellt wurde. Jetzt ist die CIA wieder zu dem Schluss gekommen, dass es überhaupt keine ernstzunehmenden Belege und Hinweise auf ein Atomwaffenprogramm gibt. Ich fände es gut, wenn man das einmal zur Kenntnis nehmen würde.

Wir sind völlig d’accord, dass die Kooperationsfähigkeit Teherans stärker ausgeprägt sein könnte. Eine Frage haben Sie mir aber nicht beantwortet. Ich habe danach gefragt, welche Kenntnisse die Bundesregierung über den Verlauf und die Ergebnisse der beiden ausführlichen Inspektionen in der Militäranlage Partschin 2004 und 2005 hat.

Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

Frau Abgeordnete, wie ich schon sagte, hat es uns verwundert, dass der Iran keinen weiteren Besuch der Anlage in Partschin zugelassen hat. Sie wissen, dass IAEO-Besuche unter Wahrung der militärischen Vertraulichkeit durchgeführt werden. Aber ich will noch einmal betonen – weil Sie das unterstellten –, dass die Bundesregierung nachdrücklich an einer diplomatischen Lösung der Nuklearfrage interessiert ist.