Mündliche Frage PlPr 17/200: Mögliche Rechtsänderungen infolge des "Rahman-Urteils" des Europäischen Gerichtshofs vom 5. September 2012

Welche Rechtsänderungen sind nach Ansicht der Bundesregierung infolge des Rahman-Urteils des Europäischen Gerichtshofs, EuGH, vom 5. September 2012 (C-83/11) erforderlich, insbesondere weil demnach die betreffende Personengruppe „in gewisser Weise bevorzugt" gegenüber Drittstaatsangehörigen behandelt werden und die Umsetzung der Richtlinie praktisch wirksam sein müsse (vergleiche zum Beispiel Randnummer 21 und 24 des Urteils), angesichts des derzeitigen Verweises auf § 36 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes und der nach Kenntnis der Fragestellerin nur sehr wenigen entsprechend erteilten Aufenthaltserlaubnisse, und warum wurde das Urteil nicht im aktuellen Freizügigkeitsänderungsgesetz umgesetzt, obwohl die Bundesregierung im diesbezüglich laufenden Vertragsverletzungsverfahren angekündigt hatte, das genannte Urteil des EuGH abwarten und umsetzen zu wollen (bitte ausführlich begründen)?

Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/11094, Frage 38):

In seinem Urteil vom 5. September 2012 in der Rechtssache C-83/11, Rahman, hat der Europäische Gerichtshof, EuGH, entschieden, inwieweit die EU-Mitgliedstaaten durch Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG zum Erlass von Rechtsvorschriften zur Erleichte­rung von Einreise und Aufenthalt von weiteren Famili­enangehörigen von Unionsbürgern über die Kernfamilie hinaus (im Einzelnen Tanten, Onkel, Nichten, Schwager usw.) in bestimmten, von Art. 3 Abs. 2 näher bezeichne­ten Fällen verpflichtet sind, etwa wenn der Unionsbürger mit dem Familienangehörigen im Herkunftsland in häus­licher Gemeinschaft gelebt hat.

In weiten Teilen steht das Urteil in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Bundesregierung:

Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, weiteren Familienangehörigen in jedem Fall ein Recht auf Ein­reise und Aufenthalt zuzuerkennen.

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 umfasst insbe­sondere prozedurale Ansprüche des Betroffenen. Bereits nach geltendem deutschen Recht stehen dem Betroffe­nen umfangreiche prozedurale Rechte zu.

Ausdrücklich hat der EuGH darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten einen weiten Ermessensspielraum bei der Umsetzung dieser Vorschrift haben.

Der EuGH fordert auch, dass die nationalen Rechts­vorschriften Kriterien enthalten müssen, welche eine Er­leichterung von Einreise und Aufenthalt von weiteren Familienangehörigen in den Fällen des Art. 3 Abs. 2 und eine gewisse Bevorzugung gegenüber (vergleichbaren) Anträgen von anderen Drittstaatsangehörigen bewirken. Derzeit wird geprüft, inwieweit sich gegebenenfalls Rechtsänderungsbedarf aus dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Rahman ergibt.