Mündliche Frage PlPr 17/245: Schlussfolgerungen aus dem politischen Umgang mit den Demonstrationen in der Türkei
Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung bezüglich beispielsweise der Zusammenarbeit mit der Türkei (polizeiliche, justizielle und militärische) vor dem Hintergrund der staatlichen Gewalteskalation bzw. Polizeigewalt und -brutalität sowie massiven Verletzung der Menschenrechte gegen die Protestierenden in der Türkei, und inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass von einer Demokratisierung durch die EU-Beitrittsverhandlungen und durch die jüngsten Verfassungsreformen in der Türkei keine Rede sein kann, so dass diese bis zum Ende der undemokratischen Maßnahmen und politischen Verfolgungswelle ausgesetzt werden sollten?
Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 51):
Die Zusammenarbeit mit der Republik Türkei in den verschiedenen Bereichen dient insbesondere der Heranführung des Landes an EU-Standards.
Im Jahr 2013 sind mit der Türkei im Rahmen der polizeilichen Ausbildungs- und Ausstattungshilfe des Bundeskriminalamtes ein Arbeitsbesuch und ein Lehrgang, unter anderem im Rahmen von EU-Twinningprojekten, geplant. Eine Einschränkung dieser Maßnahmen ist nicht vorgesehen.
Die (grenz)polizeiliche Zusammenarbeit des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei und des Inspekteurs der Bereitschaftspolizeien der Länder mit ausländischen Polizeibehörden hat neben der Kriminalitätsbekämpfung und Prävention stets das Ziel, die Achtung der Grundsätze des Rechtsstaates zu stärken. Auch gegenüber der Türkei wird das Bundesministerium des Innern weiterhin nach diesem Grundsatz verfahren.
Zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem türkischen Justizministerium besteht eine institutionalisierte Kooperation auf dem Gebiet des Rechts. Das aktuelle Arbeitsprogramm sieht für das Jahr 2013 einen Erfahrungsaustausch über praktische Fragen der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit in Strafsachen und ein Seminar über den Menschenrechtsschutz in der EU und im Europarat sowie die Vertretung von Menschenrechtsverfahren vor den europäischen Gerichten vor. Eine Aussetzung dieser Maßnahmen ist gegenwärtig nicht beabsichtigt. Soweit die Bundesregierung um Rechtshilfe in Strafsachen ersucht wird, prüft sie in jedem Einzelfall, ob die Menschenrechte im Strafverfahren im ersuchenden Staat gewahrt werden.
Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft, die mit den „Kopenhagener Kriterien" hohe Ansprüche an die Kandidaten stellt und die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele kontinuierlich überprüft. Mit Blick auf die umfangreiche Reformbilanz der Türkei der letzten Jahre wird die transformative Wirkung des EU-Beitrittsprozesses kaum bezweifelt. Trotz der großen Fortschritte, die gemacht wurden, bestehen Defizite fort, die die Europäische Kommission in ihren jährlichen Fortschrittsberichten herausarbeitet und der Rat der Europäischen Union aufnimmt. Die Situation der Grundrechte und -freiheiten und insbesondere die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei ist entsprechend Gegenstand regelmäßiger Treffen der EU-Kommission und der türkischen Regierung im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen. Dies wird auch bei den aktuellen Ereignissen in der Türkei der Fall sein.