Mündliche Frage PlPr 18/25: Auf YouTube online gestellte Audioaufnahme eines Gesprächs türkischer Regierungsmitglieder zu einem Angriffskrieg gegen Syrien
Frage 25 der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Fraktion Die Linke:
Welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung über eine auf YouTube online gestellte Audioaufnahme vor, bei der der Außenminister Ahmet Davutoglu, Geheimdienstchef Hakan Fidan, Unterstaatssekretär Feridun Hadi Sinirlioglu und Vizearmeechef Yasar Güler über einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Syrien und einen notfalls zu schaffenden rechtfertigenden Grund für den Angriffskrieg beraten, wie beispielsweise einen selbst vorgetäuschten Raketenbeschuss (www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-erdogan-laesst-you-tube-sperren-a-961163.html), und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung vor dem Hintergrund der möglichen Vorbereitung eines Angriffskrieges aus völkerrechtlicher Sicht auch für den Bundeswehreinsatz in der Türkei im Rahmen der Patriot-Stationierung?
Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Vielen Dank, Herr Präsident. – Die Bundesregierung kann die Vollständigkeit, aber auch die Authentizität der im Internet eingestellten Audioaufnahmen nicht einschätzen. Wir nehmen grundsätzlich zu offensichtlich illegal beschafften Aufnahmen nicht Stellung.
Vizepräsident Peter Hintze:
Haben Sie zu dieser Antwort noch eine Zusatzfrage, Frau Kollegin?
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Herr Staatsminister, das ist vor dem Hintergrund, dass die türkische Regierung selbst schon Teile dieses Videos bestätigt hat, auch wenn es illegal erworben wurde, bemerkenswert. Vor dem Hintergrund, dass sich deutsche Bundeswehrsoldaten im Rahmen der Stationierung von Patriot-Abwehrraketensystemen an der türkisch-syrischen Grenze befinden, ist es auch bemerkenswert, dass die deutsche Bundesregierung keine Stellung beziehen möchte und sich hinter der Aussage versteckt, sie könne die Authentizität nicht feststellen.
Deshalb meine Frage: Stimmen Sie mir zu, dass jemand, der die Vorbereitung für die Entfesselung eines Angriffskrieges mit Vorwänden wie die für den Tonkin-Zwischenfall 1964 oder das Racak-Massaker 1999 betreibt, vor den Strafgerichtshof gehört? Wird die Bundesregierung daher eine audioforensische Untersuchung, die der Bestätigung der Authentizität dieses Videos dient, in die Wege leiten, was übrigens nicht allzu viel kostet?
Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Frau Kollegin, lassen Sie mich anführen, dass die Türkei durch die Nachbarschaft zum Bürgerkriegsland Syrien direkt von den Folgen des Konflikts betroffen ist. Die Türkei hat sich in den vergangenen Monaten und Jahren sehr besonnen verhalten, und das, obwohl 72 Zivilisten durch syrische Angriffe zu Tode gekommen sind. Auf Beschuss grenznahen türkischen Territoriums hat sie immer nur reagiert.
Die Bundesregierung ist im ständigen Gespräch mit der Türkei. Wir haben derzeit keinen Grund zu der Annahme, dass die Türkei diese Politik zu ändern beabsichtigt. Wir haben von Anfang an zu Besonnenheit aufgerufen. Wir erwarten, dass sich die Türkei als NATO-Mitgliedsland verantwortungsbewusst und besonnen verhält, dass alle bündnisrelevanten Fragen mit der NATO beratschlagt werden und dass die NATO bzw. die Alliierten konsultiert werden. Dies haben wir in allen Gesprächen mit der türkischen Seite immer wieder deutlich gemacht.
Vizepräsident Peter Hintze:
Haben Sie noch eine Zusatzfrage dazu?
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Ja, das habe ich, Herr Präsident.
Vizepräsident Peter Hintze:
Bitte.
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Ich möchte das kurz Revue passieren lassen. Herr Minister, der türkische Außenminister, der türkische Geheimdienstchef Fidan und der Vizegeneralstabschef treffen sich, und der Geheimdienstchef sagt: Wenn es nötig ist, kann ich vier Männer nach Syrien schicken. Ich würde sie acht Granaten auf die türkische Seite abfeuern lassen und so einen Vorwand für einen Krieg schaffen. Wenn nötig, kann auch ein Angriff auf die Grabstätte erfolgen. – Vor dem Hintergrund, dass Bundeswehrsoldaten im Rahmen der Stationierung der Patriot-Abwehrraketensysteme und die NATO vor Ort sind, möchte ich Sie gerne fragen – auch weil das Erdogan-Regime wiederholt versucht, einen Einmarsch nach Syrien zu legitimieren, und weil die Bundesregierung aufgrund von NATO-Berichten weiß, dass alle Vorwände der türkischen Regierung einschließlich der Grundlage für die Stationierung der Patriot-Abwehrraketensysteme erlogen sind –: Welche Konsequenzen könnte ein Krieg, der von der türkischen Seite vom Zaun gebrochen wird, für die Stationierung der Bundeswehr haben, und ist die Bundesregierung dann gewillt, in diesen Krieg zu ziehen, der unter konstruierten Vorwänden von der türkischen Regierung ausgelöst wurde?
Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Ich hatte Ihnen schon mitgeteilt, dass die derzeitigen Reaktionen der türkischen Regierung rein reaktiv und defensiv sind, dass das NATO-Engagement – auch mit Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland – rein defensiv ist, dass wir bislang keinen Zweifel an Politik und Ausrichtung der Türkei hatten und dass wir in allen Gesprächen mit der türkischen Regierung darauf hingewiesen haben, dass wir erwarten, dass die Politik, die rein defensiv ausgerichtet ist, auch so fortgesetzt wird.