Mündliche Frage PlPr 18/45: Strafrechtliche Verfolgung bei medizinischer Nothilfe im Rahmen von Protesten in der Türkei
Inwieweit hat sich die Bundesregierung gegenüber der türkischen Regierung bzw. dem Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdog˘an dafür eingesetzt, dass Artikel 11 des Gesetzes Nr. 3359 aufgehoben werden muss, der medizinische Nothilfe unter Strafe stellt, so dass auch ein Jahr nach den Gezi-Protesten Ärztinnen und Ärzte, die Verletzte in Notzentren medizinisch versorgten, strafrechtlich verfolgt werden oder anderweitig sanktioniert werden, und inwieweit ist der Bundesregierung bekannt, dass mehr als 5 500 Personen wegen der Teilnahme und Organisation der Gezi-Park-Proteste strafrechtlich verfolgt werden, bisher aber nur fünf Polizisten vor Gericht gestellt wurden und zwei weitere auf ihr Verfahren warten, obwohl 8 000 Personen während der Proteste verletzt wurden und vier Menschen als direkte Folge des brutalen Vorgehens der Polizei gestorben sind (www.amnesty.org/en/library/asset/EUR44/010/2014/en/82acd54b-cb1a-4918-be8c-64c528ab1467/eur440102014en.pdf)?
Antwort der Staatsministerin Dr. Maria Böhmer auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/1920, Fragen 6):
Die Bundesregierung spricht regelmäßig und hochrangig die Themen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte – insbesondere die Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit – gegenüber der türkischen Regierung an. Die Themen Rechtsstaatlichkeit, Justiz und Grundrechte wurden unter anderem vom Staatsminister für Europa, Michael Roth, anlässlich seiner Reise in die Republik Türkei vom 28. bis 31. Mai 2014 und vom Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, während seines Besuchs in der Türkei am 20. Juni 2014 gegenüber der türkischen Regierung thematisiert.
Der Bundesregierung sind zudem schon frühzeitig Medienberichte und ein Bericht der Bundesärztekammer bekannt gewesen, die aussagten, dass bestimmte Aspekteder ärztlichen Notfallversorgung durch eine gesetzliche Neuregelung künftig in der Türkei unter Strafe gestellt werden sollten. Dieses Thema wurde daher von Vertretern des Bundesministeriums für Gesundheit gegenüber dem türkischen Gesundheitsministerium bereits am Rande des Regionalkomitees für Europa der Weltgesundheitsorganisation im September 2013 in Izmir angesprochen.
Die von Ihnen angeführte breite strafrechtliche Verfolgung von Demonstranten bei gleichzeitig nur begrenzter Aufarbeitung des Polizeieinsatzes während der Gezi-Park-Proteste sieht die Bundesregierung mit Sorge. Die in Ihrer Frage unter anderem in diesem Zusammenhang angeführten Zahlen sind der Bundesregierung bekannt. Eigene Erkenntnisse hierzu liegen ihr jedoch nicht vor.