Mündliche Frage PlPr 18/87:Umsetzung des Dogan-Urteils des Europäischen Gerichtshofs hinsichtlich der Regelung der Sprachnachweise beim Ehegattennachzug

Ich rufe die Frage 38 der Kollegin Sevim Dagdelen auf:

Welche Änderungen am Erlass des Auswärtigen Amts vom 4. August 2014 zur Umsetzung des Dogan-Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 10. Juli 2014 bzw. welche gesetzlichen Änderungen sind vor dem Hintergrund des drohenden Vertragsverletzungsverfahrens wegen unzureichender Umsetzung des Urteils geplant (vergleiche Bundestagsdrucksache 18/4001, Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage 29) und angesichts des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Januar 2015 (Az. 7 B 22.14), und wie weit sind die Prüfungen innerhalb der Bundesregierung seit dem Dogan-Urteil zu der Frage gereift, ob an der Regelung der Sprachnachweise beim Ehegattennachzug festgehalten werden soll (vergleiche Bundestagsdrucksache 18/2414, Antwort der Bundesregierung zu Frage 17 der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke), auch angesichts des Schlussantrages des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof Maciej Szpunar vom 28. Januar 2015 in der Rechtssache C-579/13, der auch mit Bezug auf die EU-Familienzusammenführungsrichtlinie erklärte, dass Integrationsmaßnahmen keine Erfolgspflichten, keine Pflicht zur Ablegung einer Prüfung und auch nicht den Nachweis eines bestimmten Sprach- oder Wissensniveaus vorsehen dürfen?

Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

Frau Abgeordnete, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung prüft nach Abschluss des Pilotverfahrens zur Umsetzung der Dogan-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs und nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Januar 2015 etwaigen gesetzlichen Anpassungsbedarf beim Sprachnachweis zum Ehegattennachzug. Die Bundesregierung beabsichtigt zudem, gegen die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg in Revision zu gehen.

Was das EuGH-Verfahren angeht, so handelt es sich um ein Verfahren aus den Niederlanden, welches die Auslegung der Richtlinie 2003/19/EG, also der Familienzusammenführungsrichtlinien, betreffend die Rechtsstellung der langfristig Aufenthaltsberechtigten und in diesem Zusammenhang reine Inlandssachverhalte betrifft. Diese Konstellation unterscheidet sich somit von der Frage des Nachweises von Sprachkenntnissen vor Einreise im Rahmen des Ehegattennachzugs nach deutschem Recht.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Sevim Dagdelen (DIE LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Verehrter Herr Schröder, der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, erklärte mir in einem Schreiben vom 11. August letzten Jahres, dass das Dogan-Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht nur per Erlass, sondern auch gesetzlich umgesetzt werden solle. Wörtlich sagt er – ich zitiere –: Nach der parlamentarischen Sommerpause soll dies auch gesetzlich geregelt werden. – Dies ist bis heute offenkundig nicht erfolgt. Ich frage Sie als Vertreter der Bundesregierung: Warum ist dies bis heute nicht erfolgt? Warum hat die Bundesregierung sich gegen eine gesetzliche Umsetzung des Urteils entschieden, obwohl das von der Europäischen Union bzw. von der EU-Kommission so verlangt wurde?

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

Wir haben das EuGH-Urteil zunächst auf dem Erlasswege umgesetzt. Nach der Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg wird nun innerhalb der Regierung eine Diskussion darüber geführt, ob wir eine gesetzliche Umsetzung brauchen.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Sevim Dagdelen (DIE LINKE):

Vielen Dank für die Nichtbeantwortung, Herr Schröder. – Ich würde gerne zu einer zweiten Frage ansetzen, die Sie eventuell beantworten können: Warum orientiert sich die Bundesregierung eigentlich nicht am Nachbarland Österreich, das beim Ehegattennachzug zu türkischen Staatsangehörigen bereits seit Jahren von Sprachnachweisen im Ausland absieht, weil sie gegen das Verschlechterungsverbot im Assoziationsrecht EU-Türkei verstoßen? Ebenso sehen die Niederlande beim Ehegattennachzug vom Nachweis von Sprachkenntnissen im Ausland ab, weil auch sie sagen, dass er gegen das Assoziationsrecht verstößt. In diesem Zusammenhang würde ich gerne wissen, ob diese Nachbarstaaten in den Augen der Bundesregierung eventuell unfähig sind, zu sehen, dass das etwas anderes ist als das, was die Bundesregierung macht?

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern:

Wir sehen den Sprachnachweis vor der Einreise – es handelt sich um den Nachweis ganz einfacher Sprachkenntnisse, um den Nachweis eines aktiven Wortschatzes von lediglich circa 300 Wörtern – als wichtiges Instrument an, um Parallelgesellschaften hier in Deutschland zu verhindern und die Integration zu befördern.