Nach dem Euro
Wenn man später auf die Debatte der Linken zum Euro zurückblicken wird, so dürfte der 17. Mai 2013 als bedeutsames Datum in Erinnerung bleiben. An diesem Tag veröffentlichten der ehemalige Chefvolkswirt der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung UNCTAD, Heiner Flassbeck, und der griechische Ökonom Costas Lapavitsas eine umfangreiche Studie, die in ihren Schlußfolgerungen Ansätze für ein linkes Ausstiegsszenario aus dem Euro entwirft. Die Brisanz der Studie liegt darin, daß nach dem programmatischen Schwenk der ehemaligen zyprischen Regierungspartei AKEL hin zur Forderung nach einem kontrollierten Austritt aus dem Euro und der Forderung von Oskar Lafontaine nach der Wiedereinführung von Wechselkursen sowie einer Abwertungsmöglichkeit innerhalb der Euro-Zone nun ein wissenschaftlich fundierter Text vorliegt, der die Debatte über die Frage, was nach dem Euro kommt, innerhalb der Linken in Europa neu befördert. Bislang hat die wachsende EU- und Euro-Skepsis nur geringen Niederschlag in linken Debatten gefunden. Zu verlockend scheint es hierzulande immer noch, sich in alten vermeintlichen Gewißheiten einzurichten. Das soziale Europa wird weiterhin geradezu mit dem Mut der Verzweiflung beschworen, so als warte man geduldig an einer Haltestelle, die längst abgebaut wurde, auf einen Bus, der schon lange nicht mehr kommt. Statt offen zu diskutieren, spricht man sich selbst Mut zu und verklärt noch die moderatesten Lohnsteigerungen wie aktuell im Metallsektor als echten Erfolg – wohl wissend, daß solche kleinen Schritte nie die krassen Ungleichgewichte zwischen dem Niedriglohnland Deutschland und den Krisenländern in der Euro-Zone kompensieren könnten, wie es durch eine Währungsabwertung möglich wäre. Oder aber, man versucht, die aufkeimende Diskussion mit dem Argument zu ersticken, daß eine ähnliche Positionierung wie in der AKEL in anderen linken Parteien bislang ausstehe. Es ist das Verdienst von Flassbeck und Lapavitsas, mit angeblichen Gewißheiten der Linken aufzuräumen. Ihre Studie beschreibt eindringlich die Dramatik der Krise und die Dimension der sozialen Destruktion im Süden Europas und stellt die Ursachen der ökonomischen Verwerfungen in der Euro-Zone heraus, die durch die Konstruktion des Euro provoziert und beschleunigt werden. Ihre Schlußfolgerung läßt keinen Zweifel: Um der Krise wirksam zu begegnen, müßten die Defizitländer ihre Währungen »in der Größenordnung von 25 bis 40 Prozent« abwerten. Für diejenigen, die ohne Wenn und Aber am Euro festhalten, obwohl die Fakten eine andere Sprache sprechen, hat das Autorenduo unmißverständliche Worte parat: »Die Möglichkeit eines Ausstiegs aus dem Euro aus der politischen Diskussion zu verdrängen, weil man Europa nicht infrage stellen will, wäre unverantwortliche Schönfärberei.« Scheitert der Euro, scheitert Europa, so lautet Angela Merkels Diktum. Die Linke tut gut daran, diesem falschen Glaubenssatz nicht anzuhängen. Sevim Dagdelen ist Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke für Internationale Beziehungen.Quelle: junge welt