Nächster Regime-Change

Nächster Regime-Change

Nach Libyen versucht Frankreich nun in Côte d’Ivoire, seine Interessen mit Hilfe des UN-Sicherheitsrats durchzusetzen

Von Sevim Dagdelen

Die UN-Resolution 1973 gegen Libyen, die eine konkrete Umsetzung der neuen Doktrin »Responsibility to Protect« (R2P– »Verantwortung zum Schutz«) sein soll, öffnet militärischen Interventionen weltweit Tür und Tor. Mit seinem jüngsten Beschluß, der von Frankreich und Nigeria eingebrachten Resolution 1975 zu Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste), setzte der UN-Sicherheitsrat am Mittwoch ein weiteres Zeichen für diese grenzenlos anwendbare Interventionspolitik. Begründet wurde die Resolution mit der katastrophalen humanitären Lage im Land und der zunehmenden Gewalt. Bereits kurz zuvor hatten die Anhänger des von Präsidentschaftsanwärter Alassane Ouattara, einst Spitzenfunktionär beim Internationalen Währungsfonds, eine Großoffensive gestartet und nahmen innerhalb weniger Tage mehrere wichtige Städte ein, darunter am Donnerstag auch die offizielle Hauptstadt Yamoussoukro und den wichtigsten Hafen des Landes, San Pedro.

Die Gewalt in dem westafrikanischen Land, dem größten Kakaoproduzenten weltweit, eskaliert. Meist wird dafür der amtierende Präsident Laurent Gbagbo verantwortlich gemacht, derweil dessen Versuch, einen Waffenstillstand zu verhandeln, als »Ablenkungsmanöver« abgetan wird. Die eigentliche Ursache für den »Bürgerkrieg« und die desolate humanitäre Lage bleibt indes weitgehend im dunkeln, nämlich die einseitige Parteinahme für Ouattara als vermeintlichen »Wahlsieger« insbesondere durch die USA und Frankreich, aber auch durch Deutschland und die EU nach der Stichwahl Ende November 2010. Berlin und Paris setzten rasch Sanktionen gegen Gbagbo durch, der Kakaoexport wurde blockiert.

Erklärtes Ziel war es, die Regierung Gbagbo zu destabilisieren und seine Armee zur Meuterei zu ermuntern. Tatsächlich brachen infolge der Sanktionen die Wirtschaft und auch das Gesundheitssystem zusammen. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat offensichtlich parallel hierzu ihre im Rahmen des Regionalprogramms »Politischer Dialog Westafrika« aufgebauten Kontakte zu westafrikanischen Militärs genutzt, um die Möglichkeit eines Putsches ins Spiel zu bringen. Dieser könne »unter anderem Gbagbo das Leben kosten«, so die KAS in ihrem Länderbericht vom 22. Dezember 2010. Trotzdem nahm der Rückhalt für Gbagbo in einigen Bevölkerungsgruppen vor allem deswegen zu, weil sie die ehemalige Kolonialmacht Frankreich als Verantwortliche für die Lage ausmachten und Ouattara und seine Anhänger zunehmend als Agenten des Westens betrachteten. Erst mit dem Vormarsch der Rebellen wurden jedoch Desertionen im großen Maßstab und auch unter höherrangigen Soldaten bekannt. Ein Nachteil, den Gbagbo dadurch auszugleichen sucht, seine Anhänger – und angeblich auch Strafgefangene – massenweise zu bewaffnen. Gbagbo hat nichts mehr zu verlieren, alle Vermittlungsangebote wurden durch Frankreich und die USA in den Wind geschlagen. Luis Moreno-Ocampo, der Chef-Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofes, hatte sich ebenfalls gleich nach der Wahl auf die Seite Ouattaras geschlagen und ein Verfahren gegen Gbagbo angekündigt.

Aus Abidjan, der Wirtschaftsmetropole und eigentlichen Hauptstadt des Landes mit normalerweise über drei Millionen Einwohnern, wurden Massenfluchten gemeldet, die dort verbliebenen Anhänger beider Lager haben sich bewaffnet und führen die Entscheidungsschlacht. Entscheidend könnten dabei die französischen Soldaten der Operation Licorne (Einhorn) sein. In den vergangenen Tagen berichteten ivorische Medien, daß sich »hellhäutige« Soldaten unter den jüngst gegründeten »Republikanischen Streitkräften« (­FRCI) Ouattaras befänden. Licorne liefere den FRCI Waffen und leiste logistische Unterstützung. Zudem ermöglicht die Resolution 1975 der 10000köpfigen UN-Truppe im Land (UNOCI) den Einsatz »aller notwendigen Mittel« zum Schutz der Zivilbevölkerung; die französischen Truppen sollten dies unterstützen. Demnach wären auch flankierende Luftangriffe in Abidjan zu rechtfertigen. Angeblich erwägt die UNO bereits seit längerem auch den Einsatz von Kampfhubschraubern auf seiten der FRCI.

Allerdings scheiterte Paris im UN-Sicherheitsrat mit seinem Versuch, eine noch weitreichendere Interventionsermächtigung zu erhalten – vorerst. Doch offensichtlich setzt die ehemalige Kolonialmacht grundsätzlich darauf, sich imperiale Interventionen durch den UN-Sicherheitsrat genehmigen zu lassen. So könnte, wie in alten Zeiten, über das Schicksal afrikanischer Völker maßgeblich in Paris entschieden werden. Das höchste Gremium der Vereinten Nationen dient dabei als Mandatierungsmaschine. Andere ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates erhalten dafür offenbar freie Hand in »ihren« Einflußzonen. Ein schmutziges Spiel, bei dem das Völkerrecht unter die Räder kommt. Statt friedliche Konfliktlösungen anzustreben und auf Diplomatie zu setzen, werden Bürgerkriege vom Zaun gebrochen bzw. wird in diese eingegriffen, um den eigenen Interessen zum Sieg zu verhelfen. Aus dem Gewaltverbot in internationalen Beziehungen, um den Weltfrieden zu schützen, wird ein Gewaltgebot zugunsten eines üblen Neokolonialismus. Die Gründungsidee der Vereinten Nationen wird ins Gegenteil verkehrt, und der Welt droht ein neues Zeitalter des Imperialismus und Kolonialismus.

Die Autorin ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuß des Deutschen Bundestages und Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion Die Linke

Gastkommentar von Sevim Dagdelen erschienen in der Tageszeitung "junge Welt" am 02.04.2011

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The next regime change

After Libya, France is now trying to pursue its interests in Côte d’Ivoire with the aid of the UN Security Council

by Sevim Dagdelen

UN Resolution 1973 against Libya, the purpose of which is said to be the practical implementation of the new ‚Responsibility to Protect‘ (R2P) doctrine, is an open invitation to engage in military intervention anywhere in the world. With its latest decision, Resolution 1975 on Côte d’Ivoire (Ivory Coast), sponsored by France and Nigeria, the UN Security Council provided further evidence on Wednesday of its espousal of a universally applicable interventionist policy. The reasons given for the resolution were the terrible humanitarian crisis in the country and the increasing violence. Only a short time before, supporters of president-in-waiting Alassane Ouattara, a former senior official at the International Monetary Fund, had launched a large-scale offensive and captured several major towns and cities within a few days, including the country’s official capital, Yamoussoukro, and the country’s main port, San Pedro.

Violence is escalating in that West African nation, which is the world’s number-one cocoa producer. Most of the blame for these outbreaks is levelled at incumbent President, Laurent Gbagbo, while his attempt to negotiate a ceasefire is being dismissed as a diversionary tactic. The real cause of the ‚Civil War‘ and the desperate humanitarian situation, however, is still largely veiled and lies in the partisan support for Mr Ouattara as the supposed winner of the runoff in the presidential elections at the end of November 2010, especially on the part of the United States and France but also on the part of Germany and the EU. Berlin and Paris have fast-tracked sanctions against Mr Gbagbo, and an embargo has been placed on cocoa exports.

The declared objective is to destabilise the Gbagbo government and to encourage his armed forces to mutiny. The sanctions have indeed caused the economy and the health service to implode. At the same time, the CDU-affiliated Konrad Adenauer Foundation has evidently been using the contacts it had established with West African military leaders in the framework of its regional programme for dialogue with West Africa to moot the idea of a coup. "Among other things," the Foundation wrote in its country report of 22 December 2010, "this could cost Mr Gbagbo his life". Backing for Gbagbo, however, actually increased among some sections of the population, particularly because they identified France, the former colonial power, as the source of the crisis and increasingly came to regard Ouattara and his supporters as agents of the West. It was not until the rebels‘ advance, however, that reports of desertions on a large scale, and even among the higher ranks, began to emerge – a setback that Laurent Gbagbo has sought to counteract by arming masses of his supporters and, allegedly, prisoners too. Gbagbo has nothing to lose now, for all mediation attempts have been stonewalled by France and the United States. Luis Moreno-Ocampo, Chief Prosecutor of the International Criminal Court, also took Ouattara’s side in the wake of the election and announced proceedings against Gbagbo.

From Abidjan, the economic hub and de facto capital of the country, which normally has a population in excess of three million, there have been reports of mass exodus, and the supporters of both camps who remained there have armed themselves and are waging the decisive battle. The key factor could be the French troops on Operation Licorne (Unicorn). In recent days, the Ivorian media have been reporting that ‚pale-skinned‘ troops had been seen in the ranks of Ouattara’s recently founded Republican Forces of Côte d’Ivoire (FRCI). Licorne has reportedly been supplying arms to the FRCI and lending logistic support. Moreover, Resolution 1975 allows UNOCI, the 10 000-strong UN force in the country, to "use all necessary means to carry out its mandate to protect civilians"; French troops are to assist in these efforts. This resolution could even be used to justify accompanying air strikes on Abidjan. For some time, the UN has allegedly been considering the possibility of combat helicopters being deployed in support of the FRCI.

A French bid to obtain an even more extensive intervention mandate, however, has proved unsuccessful – for the time being. Yet the underlying aim of the former colonial power is clearly to have its imperialist interventions rubber-stamped by the UN Security Council. In this way, the fate of African peoples could be largely decided in Paris, as in bygone days. The role of the supreme body of the United Nations is thus being reduced to that of an automatic mandate dispenser. In exchange for their acquiescence, other permanent members of the Security Council are evidently being given a free hand in their ‚own‘ spheres of influence. It is a dirty game, in which international law is being trampled underfoot. Instead of seeking to resolve the conflict by peaceful means and banking on diplomacy, those pursuing their own agenda are unleashing civil wars and intervening in them to further their own interests. The precept of refraining from the use of force in international relations to safeguard world peace is giving way to a requirement to use force in pursuit of a pernicious form of neo-colonialism. The founding principle of the United Nations is being stood on its head, and the world faces the threat of a new age of imperialism and colonialism.

The author is a member of the German Bundestag Committee on Foreign Affairs and spokeswoman on international relations for the parliamentary group of The Left Party.

Guest article by Sevim Dagdelen, published in the daily newspaper Junge Welt on 2 April 2011

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Prochain changement de régime

Après la Libye, c’est en Côte d’Ivoire que la France tente de faire valoir ses intérêts avec l’aide du Conseil de sécurité de l’ONU

De Sevim Dagdelen

La résolution n° 1973 de l’ONU contre la Libye, censée être une application concrète de la nouvelle doctrine de la responsabilité de protéger (« r2p » en anglais, responsibility to protect), ouvre la porte à des interventions militaires dans le monde entier. Avec sa dernière décision, la résolution n° 1975 sur la Côte d’Ivoire présentée par la France et le Nigéria, le Conseil de sécurité de l’ONU a donné ce mercredi un autre signe de cette politique d’intervention applicable sans restrictions. La résolution a été justifiée par la situation humanitaire catastrophique dans le pays et par l’augmentation de la violence. Peu de temps auparavant, les partisans du candidat à l’élection présidentielle Alassane Ouattara, ancien haut-fonctionnaire du Fonds monétaire international, avaient lancé une grande offensive et pris en quelques jours plusieurs villes importantes dont, jeudi, la capitale officielle Yamoussoukro et le principal port du pays, San Pedro.

On assiste à une escalade de la violence dans ce pays d’Afrique de l’Ouest, plus grand producteur mondial de cacao. Le plus souvent, le président en fonction Laurent Gbagbo est rendu responsable de la situation tandis que sa tentative de négocier un cessez-le-feu, qualifiée de « manœuvre de diversion », est ignorée. Reste cependant largement dans l’ombre la cause véritable de la « guerre civile » et de la situation humanitaire désastreuse, à savoir la prise de parti unilatérale en faveur de Ouattara, soi-disant « vainqueur des élections » notamment pour les États-Unis et la France mais aussi pour l’Allemagne et l’UE depuis le scrutin décisif de fin novembre 2010. Berlin et Paris ont rapidement imposé des sanctions contre Gbagbo, les exportations de cacao ont été bloquées.

L’objectif déclaré était de déstabiliser le gouvernement Gbagbo et de pousser son armée à la mutinerie. Dans les faits, l’économie et aussi le système de santé se sont effondrés à la suite des sanctions. La fondation Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), proche de la CDU, a parallèlement clairement utilisé ses contacts noués avec des militaires ouest-africains dans le cadre du programme régional « dialogue politique en Afrique de l’Ouest » pour mettre dans la balance la possibilité d’un putsch. Celui-ci pourrait, « entre autres, coûter la vie à Gbagbo », selon la KAS dans son rapport du 22 décembre 2010 sur le pays. Pourtant, le soutien apporté à Gbagbo s’est amplifié dans certains groupes de population, avant tout parce que ceux-ci rendent l’ancienne puissance coloniale française responsable de la situation et considèrent de plus en plus Ouattara et ses partisans comme des agents de l’Occident. Ce n’est cependant qu’avec l’avancée des rebelles que l’on a eu connaissance de désertions en grand nombre, y compris parmi les haut-gradés. Une faiblesse que Gbagbo cherche à équilibrer en armant en masse ses partisans – et soi-disant aussi des détenus. Gbagbo n’a plus rien à perdre, la France et les États-Unis ont fait fi de toutes les offres de médiation. Le premier Procureur de la Cour pénale internationale Luis Moreno-Ocampo s’était également rangé du côté de Ouattara juste après l’élection et avait annoncé l’ouverture d’une procédure contre Gbagbo.

On signale un exode en cours à Abidjan, la métropole économique et véritable capitale du pays qui compte normalement plus de trois millions d’habitants, tandis que les partisans des deux camps restés sur place se sont armés et mènent la bataille décisive. Les soldats français de l’opération Licorne pourraient jouer à cet égard un rôle décisif. Ces derniers jours, des médias ivoiriens ont rapporté que des soldats « à la peau claire » se trouvaient parmi les Forces républicaines de Côte d’Ivoire (FRCI) de Ouattara, récemment créées. Licorne livrerait des armes aux FRCI et leur apporterait un soutien logistique. En outre, la résolution n° 1975 permet aux troupes de l’ONU dans le pays (l’UNOCI), fortes de 10 000 hommes, d’employer « tous les moyens nécessaires » pour protéger la population civile ; les troupes françaises devraient soutenir ce processus. Ces principes pourraient justifier des frappes aériennes d’appui à Abidjan. L’ONU envisagerait également, depuis longtemps déjà, d’engager des hélicoptères de combat aux côtés des FRCI.

Paris a toutefois échoué au Conseil de sécurité de l’ONU dans sa tentative d’obtenir une autorisation d’intervention encore plus étendue – pour l’instant. Cependant, l’ancienne puissance coloniale compte de toute évidence faire autoriser par principe ses interventions impérialistes par le Conseil de sécurité de l’ONU. Cela permettrait, comme par le passé, de décider à Paris, dans une large mesure, du sort des peuples africains. L’organe suprême des Nations Unies sert à ce titre de machine à délivrer des mandats. D’autres membres permanents du Conseil de sécurité obtiennent en échange carte blanche dans « leurs » zones d’influence. C’est un jeu peu ragoûtant dans lequel le droit international est le grand perdant. Au lieu de rechercher des solutions pacifiques aux conflits et de miser sur la diplomatie, des guerres civiles sont provoquées sans raison tangible ou bien sont exploitées et sujettes à des interventions extérieures visant à faire triompher des intérêts particuliers. De l’interdiction de l’usage de la force dans les relations internationales pour protéger la paix mondiale, on est passé à un précepte de la force au service d’un néocolonialisme malsain. L’idée fondatrice des Nations Unies a été pervertie ; une nouvelle époque d’impérialisme et de colonialisme menace le monde.

L’auteur est membre de la commission des affaires étrangères du Bundestag allemand et porte-parole du groupe parlementaire de La Gauche pour les relations internationales

Tribune de Sevim Dagdelen parue dans le quotidien « junge Welt » le 2 avril 2011