Nicht-Umsetzung des Dogan-Urteils ist organisierter Rechtsbruch

„Es ist unerträglich, dass die Bundesregierung und maßgeblich Außenminister Steinmeier (SPD) nicht willens sind, eine verbindliche höchstrichterliche Rechtsprechung im Interesse der Menschen umzusetzen", erklärt Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, zur gestrigen Vorstellung der Beschwerde der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) bei der Europäischen Kommission wegen der Nicht-Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu Sprachtests im Ausland durch die Bundesregierung. Dagdelen weiter:

„Migrantinnen und Migranten werden stets vorwurfsvoll zur Rechtstreue aufgefordert. Das ist verlogen und heuchlerisch, denn die Bundesregierung bricht sehenden Auges geltendes Recht. Sie ignoriert den klaren Urteilsspruch des EuGH, der die Sprachregelung beim Nachzug zu türkischen Staatsangehörigen für unwirksam erklärt. Die Bundesregierung will weiterhin an menschenrechtswidrigen Beschränkungen des Ehegattennachzugs festhalten. 12.828 Mal wurde der Sprachtest im Ausland im vergangenen Jahr nicht bestanden, das entspricht etwa einem Drittel aller Fälle. In all diesen Fällen werden Eheleute gegen ihren Willen voneinander getrennt. Die Einführung einer allgemeinen Härtefallregelung ändert daran nichts. Denn in der Praxis hat sich diese als weitgehend unwirksam erwiesen.

Die Ungeeignetheit und Unverhältnismäßigkeit der deutschen Regelung ergibt sich auch aus einer aktuellen Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Demnach führt der Spracherwerb im Ausland nicht einmal dazu, dass die Betroffenen nach ihrer Einreise leichter das im Inland geforderte Sprachniveau erreichen können. Die soziale Selektivität der Regelung und die Belastungen für die Betroffenen werden durch die Studie hingegen eindeutig belegt: Ein Drittel habe den Spracherwerb im Ausland als starke oder sehr starke Belastung empfunden, weitere 25 Prozent fanden dies teilweise belastend.

DIE LINKE hatte die EU-Kommission nach dem Dogan-Urteil bereits Mitte Juli aufgefordert, das anhängige Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland weiter zu betreiben. Die Beschwerde der Türkische Gemeinde in Deutschland unterstützen wir deshalb voll und ganz. Die Sprachtests im Ausland sind eine menschenrechtswidrige Schikane und ein nicht zu rechtfertigender Grundrechtseingriff."