Nun auch Inländer diskriminiert

EU-Gericht stärkt Familiennachzug, sanktioniert aber ungleiches Recht binationaler Ehen
Von Marina Mai

Mit EU-Bürgern verheiratete Zuwanderer dürfen sich nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes überall in der Europäischen Union niederlassen. Eine Ausnahme gilt, und diese sorgt für Irritationen.

Menschen aus Nicht-EU-Staaten profitieren von der Freizügigkeit der Gemeinschaft, wenn sie mit einem EU-Bürger verheiratet sind. Wollen sie allerdings im Land des EU-Bürgers leben, mit dem sie verheiratet sind, darf dieser Staat Bedingungen diktieren. Die Richter gaben damit am Freitag der Klage von vier Afrikanern gegen Irland statt. Die Asylbewerber sind mit Britinnen verheiratet, die in Irland leben. Irland hatte den Afrikanern das Aufenthaltsrecht verweigert, weil sie nicht zuvor rechtmäßig in einem anderen EU-Staat gelebt hatten. Die irische Argumentation, dass eine großzügige Auslegung der Freizügigkeitsregeln zu einem enormen Anstieg von Zuwanderern führen würde, ließ das Gericht aber nicht gelten, wie Reuters meldete.

Die EU-Richter erklärten damit auch Sprachprüfungen von Ehepartnern als Voraussetzung für die Einreise für rechtswidrig, wie sie Deutschland im neuen Zuwanderungsgesetz vorschreibt. Allerdings ist die Rechtslage dem Richterspruch zufolge so, dass man sich an den Kopf greifen möchte.

Zieht nämlich eine Thailänderin zu ihrem schwedischen Ehepartner, der in Deutschland lebt, darf Deutschland ihr keine Sprachtests vor der Einreise abverlangen. Hier gilt die EU-Freizügigkeit. Zieht die Thailänderin hingegen zu einem deutschen Ehepartner nach Deutschland, darf Deutschland Bedingungen wie den Sprachtest diktieren. Denn diese Zuwanderung geschieht nicht auf Grundlage der europäischen Freizügigkeit, sondern auf Grundlage des Zuwanderungsgesetzes. Dieses aber ist von dem Richterspruch nicht betroffen. Zieht die deutsch-thailändische Familie nun allerdings nach Österreich, müsste das Alpenland sie ohne Sprachtest einreisen lassen.

Die Grünen fordern deshalb, die »Inländerdiskriminierung« beim Familiennachzug schnellstens abzustellen. Stattdessen brauche Deutschland ein breites Angebot an Sprachkursen im Land, erklärte ihr Migrationspolitiker Josef Winkler. Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, weist darauf hin, dass seit der Einführung von Sprachtests vor der Einreise die Zahl der nachziehenden Ehepartner ständig zurückgegangen ist. So hätten die deutschen Auslandsvertretungen in den 15 häufigsten Herkunftsstaaten im zweiten Quartal 23 Prozent weniger Visa für Ehegatten ausgestellt als im Vorjahreszeitraum.

Dagdelen beruft sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf ihre parlamentarische Anfrage. Und entgegnet: »Die Behauptung der Bundesregierung, dass die geforderten Sprachkenntnisse sich leicht in drei Monaten erwerben ließen, entspricht nicht der Realität.« Die Verweigerung von Einreisevisa stelle einen schweren Eingriff in das Grundrecht auf den besonderen Schutz von Ehe und Familie dar.

Dem Petitionsausschuss des Bundestages liegen zahlreiche Petitionen von Ehepartnern aus ländlichen Regionen in Entwicklungsländern vor, die wegen fehlender Sprachkenntnisse nicht nach Deutschland einreisen dürfen. So verweist Dagdelen darauf, dass es etwa in Honduras überhaupt kein Goethe-Institut gibt. Ein ihr bekannter Petent müsste bis nach Mexico-City fahren, um Deutsch zu lernen. In der Türkei wäre das östlichste Goethe-Institut in Ankara. Auch das bedeute für viele Antragstellerinnen hunderte Kilometer Fahrt und die Suche nach Unterkunft in Ankara. Der Bundestag hatte Sprachtests vor der Einreise als Schutz vor Zwangsehen eingeführt. Es gibt jedoch keine belastbaren Erkenntnisse, die eine Aussage zulassen, ob sich Zwangsehen damit verhindern lassen.