»Nur wer den Mut zum Träumen hat, hat die Kraft zum Kämpfen.«
»Unter Protest gegen den Krieg, seine Verantwortlichen und Regisseure, gegen die kapitalistische Politik, die ihn heraufbeschwor […], lehne ich die geforderten Kriegskredite ab.« So sprach und handelte Karl Liebknecht am 2. Dezember 1914 im Deutschen Reichstag – als einziger. Am 4. Dezember 2014 gedachte DIE LINKE in Leipzig dieses Ereignisses, und LN nutzte die Gelegenheit zu einem Gespräch mit der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen.
Sie sind in den vergangen Wochen mit im besten Sinne kritischen Äußerungen an die Öffentlichkeit getreten, sowohl im Bundestag als auch in Ihrer Partei. Eifern Sie Liebknecht nach?
Dagdelen: Das wäre vermessen. Aber ich möchte gern das Vermächtnis Karl Liebknechts verteidigen und mit Leben füllen: Damals wie heute Nein zum Krieg und zum Militarismus sagen und den antimilitaristischen Kampf stärken.
Wir haben heute auch über die Einsamkeit Karl Liebknechts in dieser Zeit gehört.
Kautsky hat es so formuliert: Jeder zweite in den Schützengräben Europas kannte und schätzte Karl Liebknecht. Insofern war er nicht allein.
Aber diese Einsamkeit, die er besonders um den 2. Dezember 1914 erlebte, als er ganz allein seinem Gewissen und dem Antikriegsprogramm seiner Partei nachging, beeindruckt mich sehr. Was für ein Akt der Zivilcourage! Welche Kraft muss ein Mensch besitzen, um als einzelner in diesem Haus, wo das Kriegsheulen so laut und der Druck so stark war, zu wiederstehen und Nein zu sagen?
Fühlen Sie sich in der Fraktion und im Bundestag manchmal einsam?
Einsam fühle ich mich in keiner Weise. Die Fraktion steht mit mir zusammen für das Erfurter Programm, das heißt gegen Einsätze der Bundeswehr, Waffenexporte und Rüstungspolitik.
Ich weiß auch, dass eine überwältigende Mehrheit in unserer Partei für diese Grundsätze steht und aktiv ist. Allerdings nimmt der Druck zu, die Friedenspolitik zu schleifen.
Woraus schöpfen Sie Zuversicht?
Es ist schön, wie hier in Leipzig, Gleichgesinnte zu treffen, die es einem deutlich machen, warum es sich lohnt zu kämpfen. Außerdem weiß ich, wofür ich das tue: Für eine Welt in Frieden und Gerechtigkeit. Da halte ich es mit Lenin: Nur wer den Mut zum Träumen hat, hat die Kraft zum Kämpfen.
Und privat?
Ich bin sehr gern mit meinen Kindern zusammen und verbringe Zeit mit meiner Familie. Das ist für mich Entspannung pur.
Ist die Linkspartei noch eine Friedenspartei?
Sie ist mehr als eine Friedenspartei, sie ist eine Antikriegspartei. Aber allein, wenn sie das bleibt, hat sie auch eine Zukunft.
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe Januar 2015