Optionspflicht ersatzlos abschaffen!
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (Drucksache 18/1312) sowie Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jan Korte, Sevim Dagdelen, Dr. André Hahn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht (Drucksache 18/1092) und des Antrages der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. Für ein fortschrittliches Staatsangehörigkeitsrecht (Drucksachen 18/286)
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister de Maizière, das Gesetz, das Sie hier vorgelegt haben, ist weder ein großer Schritt, noch ist es ein gutes Gesetz; es ist eine wirklich kleingeistige Änderung des bestehenden Staatsangehörigkeitsgesetzes. Es ist nichts weiter als Murks. Es ist eigentlich ein Armutszeugnis, dass auch diese Koalition es nicht geschafft hat, die unsägliche Optionsregelung tatsächlich ersatzlos abzuschaffen –
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
und das nur, weil Sie aus der Union ideologisch borniert an dem längst überholten Dogma der Vermeidung von Mehrstaatigkeit in diesem Land festhalten. Allein deshalb werden ab dem Jahr 2018 etwa 40 000 Optionsverfahren pro Jahr durchgeführt werden müssen. 40 000 Optionsverfahren jährlich! Was, wenn nicht ein Bürokratiemonster, ist das bitte schön, meine Damen und Herren?
Wir als Linke wollen jedenfalls diese verwaltete Welt nicht. Wir möchten kein sinnloses Beschäftigungsprogramm für die Verwaltung. Deshalb möchten wir diese Regelung einfach ersatzlos streichen.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Uns stimmt es traurig, dass die SPD hier mitmacht, obwohl sie im Wahlkampf und in den Koalitionsverhandlungen
(Thomas Oppermann (SPD): Das ist doch geheuchelt!)
sogar die doppelte Staatsangehörigkeit versprochen hatte.
(Thomas Oppermann (SPD): Heuchelei!)
Ich finde es wirklich unsäglich, wenn man, wie bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs im Parlament, auch noch wahrheitswidrig behauptet, dass mit dem Gesetz die Optionspflicht abgeschafft werden würde. Das ist schlicht falsch, und das wissen Sie auch.
Die Optionspflicht bleibt im Grundsatz in diesem Gesetz enthalten. Natürlich kann die Optionsregelung auch künftig dazu führen, dass hier geborene Kinder ihre deutsche Staatsangehörigkeit im Erwachsenenalter wieder verlieren. Ich bitte Sie deshalb, redlich zu sein und bei den Fakten zu bleiben. Sagen Sie den Leuten klar, was Sie hier machen! Sie verhindern nämlich dauerhaft die doppelte Staatsbürgerschaft als Regel.
(Beifall bei der LINKEN – Johannes Kahrs (SPD): Das ist doch Unsinn!)
Wenn Sie die Abschaffung der Optionspflicht tatsächlich wollen, müssten Sie den § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes komplett abschaffen.
(Beifall der Abg. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Sollten Sie das tatsächlich wollen, dann bietet die Linke Ihnen hier eine Gelegenheit, das umzusetzen.
(Johannes Kahrs (SPD): Die Linke ist doch gar nicht regierungsfähig!)
Wir haben einen Gesetzentwurf eingereicht, über den heute Abend hier namentlich abgestimmt wird. Dieser Gesetzentwurf sieht genau die Streichung von § 29 des Staatsangehörigkeitsgesetzes vor. Wenn Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen, meine Damen und Herren von der SPD, stimmen Sie eigentlich sich selbst zu; denn dieser Gesetzentwurf bildet eins zu eins eine Bundesratsinitiative von drei SPD-regierten Bundesländern ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie können Ihrer eigenen Vorlage hier zustimmen.
Das Gute ist: Sie würden damit auch das erreichen, was Sie schon in der ersten Beratung versprochen haben: Sie würden sozusagen eine rechtlich verbindliche Regelung für all die Menschen schaffen, die die deutsche Staatsangehörigkeit infolge des Optionsmodells bereits verloren haben. Die Zahl dieser Menschen steigt von Tag zu Tag. Diese Menschen darf man nicht vage auf irgendwelche Ermessensspielräume im geltenden Recht verweisen, wie Sie es machen.
(Zuruf des Abg. Johannes Kahrs (SPD))
‑ Nein, ein Ermessensspielraum im geltenden Recht hilft nicht. Wir möchten Tatsachen und klare Verhältnisse schaffen.
(Gerold Reichenbach (SPD): Meine Oma hat immer gesagt: Mit Meckern ist noch keine Scheune gebaut worden! ‑ Weiterer Zuruf von der SPD: Sie haben keine Tatsachen geschaffen!)
Neben vielen Betroffenen wären auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einbürgerungsbehörden dankbar für eine konsequente Abschaffung der Optionspflicht. Herr Bundesinnenminister ‑ ich muss Sie enttäuschen ‑, die Sachverständigenanhörung in der letzten Woche, bei der ich anwesend war, hat ergeben, dass die Arbeitszeit, die für die jährlich etwa 40 000 Optionsverfahren aufgewendet werden muss, weitaus besser für eine Verkürzung der viel zu langen Einbürgerungsverfahren genutzt werden könnte.
(Beifall bei der LINKEN)
Dass Sie nicht wirklich an einer Verbesserung der Lage für die Betroffenen interessiert sind,
(Johannes Kahrs (SPD): Das ist doch peinlich!)
zeigt das unwürdige Politikgeschacher, das hier von der Großen Koalition in den letzten Tagen aufgeführt wurde.
(Johannes Kahrs (SPD): Das ist unsäglicher Unsinn, den Sie hier von sich geben! ‑ Gegenruf des Abg. Jan Korte (DIE LINKE))
Die Erleichterungen bei der Optionspflicht wollen Sie nur dann beschließen,
(Zuruf von der SPD: Nur dummes Geschwätz!)
wenn im Gegenzug Verschlechterungen im Asylrecht im Bundesrat eine Mehrheit finden. Geben Sie es doch zu! Wir haben darüber doch debattiert. Wir finden das Verfahren zum Thema Staatsangehörigkeitsrecht einfach unwürdig. Deshalb haben wir Ihnen zwei Anträge vorgelegt: einen Gesetzentwurf, unterstützt von drei SPD-regierten Ländern
(Zuruf des Abg. Johannes Kahrs (SPD))
‑ Sie können dem zustimmen und damit ein gemeinsames Zeichen setzen für gleiche Rechte, gegen Ausgrenzung und tatsächlich für die Abschaffung der Optionspflicht ‑, und einen Antrag, in dem wir umfangreiche Vorschläge für ein fortschrittliches Staatsangehörigkeitsrecht gemacht haben. Ich denke, es ist wichtig, die Optionspflicht abzuschaffen. Aber es ist auch wichtig und richtig, Einbürgerungen zu erleichtern. Auch das ist eine Erkenntnis aus der Sachverständigenanhörung.
(Beifall bei der LINKEN)