»Partnering« für den Krieg in Afghanistan
Unmittelbar nachdem der US-Oberkommandierende der Besatzungstruppen in Afghanistan, General Stanley McChrystal, von der Bundeswehr »mehr Engagement und Risikobereitschaft« gefordert hatte, griff der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg diese Forderung auf. Zukünftig wolle man die Ausbildung der afghanischen Armee nach US-amerikanischem Vorbild durchführen, erklärte der Freiherr in der vergangenen Woche. Was Guttenberg dann sagte, liefert aufschlußreiche Erkenntnisse über das, was die Bundesregierung sonst immer als »Polizeiaufbau« und »Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte« beschreibt und was mittlerweile zur wichtigsten Legitimationsstrategie des Einsatzes in Afghanistan geworden ist. Man werde zukünftig »nicht mehr rigide trennen zwischen Ausbildung und Sicherheit«, führte Minister Guttenberg aus. Konkret bedeutet dies, daß man – wie es die britischen und die US-Soldaten bereits länger tun – gemischte Gruppen aus deutschen und afghanischen Soldaten bildet und diese gemeinsam, natürlich unter deutschem Kommando, in den Kampf schickt. Bislang war es üblich, daß sich die Bundeswehr als »Mentoring Team« im Hintergrund aufhielt, Kommandos an die afghanischen Hilfstruppen gab und Aufklärungsdaten lieferte. Dem Einsatz ein »afghanisches Gesicht geben«, nannte die Regierung das. Bei den afghanischen Soldaten führte das zu »Defiziten« bei der Motivation. Oft gab es stundenlange Feuergefechte, in denen zwar viel Munition verschossen wurde, es aber keinerlei Geländegewinn gab. Auch die Aufständischen merkten manchmal, daß da eher in die Luft geschossen wird. Das soll nun durch die gemeinsamen Einsatzgruppen besser werden – genau dieses »Partnering« wird weiterhin als »Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte« verkauft. Die Bundeswehr solle zukünftig die Feldlager öfter verlassen, »mehr Präsenz in der Fläche« zeigen und die »Nähe zu der afghanischen Bevölkerung« suchen, erklärte Guttenberg dazu am Wochenende. Natürlich verlangt das von den deutschen Soldaten mehr Risikobereitschaft – eben dies hatte McChrystal ja gefordert.
Die neue Maxime der US-Militärführung und der Bundesregierung kommt bei der Bundeswehr an. Auf ihrer Homepage hat die Truppe mittlerweile prominent einen Bericht veröffentlicht, der ganz unverblümt bereits im Titel vom »Kampfeinsatz in Kundus« berichtet. In der Einleitung heißt es: »Hier erinnert nichts mehr an Soldaten, die am Hindukusch Brunnen bohren oder Brücken bauen. Hier sind Deutsche im Krieg, so empfinden das jedenfalls die Truppen, auch wenn die Politik das so deutlich noch nicht sagen will. Frisch ausgehobene Gräben durchziehen die Anhöhe. Soldaten stehen an schweren Maschinengewehren. Scharfschützen beobachten von ihren Stellungen aus das Umland. Jeder hier war schon im Gefecht mit den Taliban.« Die Nachricht hinter dem Bundeswehrbeitrag ist eindeutig und soll dem Verteidigungsminister für die Afghanistan-Konferenz in London am Donnerstag in die Hände spielen: Wir sind hier, wir sind bereit zu kämpfen, aber wir brauchen mehr Truppen.
Die Debatte über einen Rückzug hingegen sei »gefährlich«, werden Soldaten zitiert, die sich von der Öffentlichkeit scheinbar im Stich gelassen fühlen. Sie können auch nicht verstehen, was der Luftangriff in Char Darah nahe Kundus am 4. September vergangenen Jahres mit bis zu 142 Toten für eine Diskussion in Deutschland losgetreten hat. »Wenn ein Soldat aus Angst vor dem Staatsanwalt erst darüber nachdenke, ob er im Gefecht seine Waffe gebrauche, dann >kann das im Zweifelsfall das eigene Leben oder das Leben der Kameraden bedeuten<«, wird ein Soldat zitiert. Man könne den Einsatz »nicht nach deutschem Friedensrecht messen«. Das sei »eine Lage, die die Soldaten in die Verzweiflung treibt«. Die Soldaten wollen Schießen dürfen, ohne vorher darüber nachdenken zu müssen – ohne überhaupt nachdenken zu müssen: »Wir waren hier im Feuergefecht auch mit dabei. Man funktioniert, man denkt nicht über das nach, was in dem Moment passiert«, zitiert Guttenbergs Propagandastaffel einen weiteren Soldaten. – Am Samstag lief über den Deutschlandfunk ein über Strecken wortgleicher Beitrag im Rahmen der Sendung »Eine Welt – Auslandskorrespondenten berichten«.