Planspiel Rot-Rot-Grün

Die Linke muß sich einen neuen Vorsitzenden suchen. Parteichef Oskar Lafontaine kündigte am Samstag seinen Rückzug aus der Bundespolitik an. Er habe den Vorstand informiert, daß er »aus gesundheitlichen Gründen« nicht mehr für den Parteivorsitz antreten wird, sagte der 66jährige am Samstag nachmittag in Berlin. Auch sein Bundestagsmandat gibt er ab, seine Arbeit als Fraktionsführer der Saar-Linken will er fortführen. Seine Entscheidung habe nichts mit den jüngsten Personalquerelen in der Partei zu tun, betonte Lafontaine vor der Presse im Karl-Liebknecht-Haus. Ausschlaggebend seien »ausschließlich gesundheitliche Gründe«. Seine Krebserkrankung sei ein »Warnschuß«, den er »nicht so ohne weiteres wegstecken« könne.

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, konstatierte, der Parteivorstand müsse die Entscheidung Lafontaines respektieren, und: »Es ist völlig klar, er ist nicht ersetzbar.« Ohne Lafontaine hätte es die Linke »mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so nicht gegeben«. Ähnlich äußerte sich der Landesvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Bockhahn. Auf dem Bundesparteitag Ende Mai in Rostock stehe die Linke nach dem Verzicht des bisherigen Kovorsitzenden Lothar Bisky und des bisherigen Bundesgeschäftsführers Dietmar Bartsch vor einem »personellen Neuanfang«.

Bei den Sozialdemokraten herrscht angesichts des Lafontaine-Rückzugs Aufbruchstimmung. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft bot via Bild am Sonntag Linke-Mitgliedern einen Wechsel in ihre Partei an: »Als SPD wollen wir Wähler von der Linkspartei zurückgewinnen, und unsere Tür steht auch offen für die Rückkehr von Gewerkschaftern und ehemaligen Sozialdemokraten.« Grünen-Chefin Claudia Roth wiederum stellte Die Linke vor die Wahl: »Sie muß sich entscheiden, ob sie weiter den einfachen Weg in die polternde Fundamentalopposition gehen will oder die Chance ergreift, verantwortlich Politik zu gestalten.« Was »verantwortliche Politik« ist, ließ die für Hartz IV und Afghanistan-Krieg mitverantwortliche Grünen-Vorsitzende offen.

Lafontaines Rückzug löste auch beim sogenannten Reformerflügel der Linkspartei Betriebsamkeit aus. Der scheidenende Vorsitzende war am Samstag noch nicht vor die Mikrofone getreten, da war von einem Politikerklüngel aus Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen via FAZ ein gemeinsamer Aufruf verbreitet worden, jetzt über »Rot-Rot-Grün« zu diskutieren. Motto: »Das Leben ist bunter!« Darin drängen die Linke-Vizevorsitzende Halina Wawzyniak und ihr Kollege Jan Korte – ohne Absprache mit dem übrigen Vorstand – darauf, die Debatte über gesellschaftliche und parlamentarische Mehrheiten jenseits von »Schwarz-Gelb« umgehend zu beginnen. Die von Lafontaine als »linker Markenkern« genannten Themen Hartz IV, Rente mit 67, Mindestlohn und Afghanistan-Krieg kommen in dem Papier der Regierungswilligen nicht vor, statt dessen ist von »sozial-ökologischem Umbau« und »Verbraucherinteressen« die Rede – und dem »Abschied von alten Denkmustern«.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen konterte. »Wir müssen jetzt am politischen Kurs, für den Lafontaine steht und der Grundlage für unseren Erfolg ist, festhalten. Alles andere führt in die Bedeutungslosigkeit. Unsere Wählerinnen und Wähler erwarten von uns eine konsequent linke Politik und keine Koalitionen mit Hartz-IV- und Kriegsparteien auf Bundesebene.« Die Kommunistische Plattform kündigte an, alles ihr Mögliche zu tun, »damit das linke Profil unserer Partei nicht den Anpassungsbestrebungen an die SPD und den Wünschen nach Regierungsbeteiligung auf Bundesebene 2013 geopfert wird«.