Politik-Klausur für Ausländer

Der vom Innenministerium nun vorgestellte Einbürgerungstest ist politisch korrekt, wenn auch nur bedingt sinnvoll. Trotzdem könnte er ein falsches Signal aussenden

Das Thema war lange Zeit heiß umstritten. Sollen Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten wollen, Mindestkenntnisse über ihr künftiges Heimatland, seine Gesetze, seine Kultur und Geschichte nachweisen müssen? Und wie weit dürfen Regierung und Behörden dabei gehen? Erste Vorlagen aus Baden-Württemberg und Hessen jedenfalls riefen heftige Proteste vor allem von Ausländerorganisationen hervor.

Nun hat das Bundesinnenministerium eine Liste von 300 Fragen für einen bundeseinheitlichen Einbürgerungstest vorgelegt. Hinzu kommen jeweils zehn länderspezifische Fragen. Jeder Einbürgerungswillige wird ab September 33 Fragen aus diesem Gesamtkatalog vorgelegt bekommen, 17 davon muss er im Multiple-Choice-Verfahren richtig beantworten. Besteht er nicht, muss er den Test wiederholen – oder auf die Staatsbürgerschaft verzichten.

Vorbereiten kann man sich bei den Volkshochschulen, die Kurse im Umfang von etwa 60 Stunden anbieten werden. Dies wird allerdings vorerst nicht flächendeckend möglich sein, weil es noch nicht genug Lehrpersonal gibt, wie der Volkshochschulverband einräumt.

Eine erste Sichtung des Katalogs ergibt: Meinungen und Einstellungen werden – anders als etwa in dem in Baden-Württemberg verwendeten „Gesprächsleitfaden" – nicht abgefragt. Die Stuttgarter Landesregierung gibt offen zu, ihr gehe es darum, die innere Hinwendung insbesondere von Muslimen zum Grundgesetz zu prüfen. Deswegen wird dort beispielsweise gefragt, wie man zur Gleichstellung von Mann und Frau oder zum Gewaltmonopol des Staates stehe. Der Entwurf des Bundesinnenministeriums dagegen beschränkt sich weitgehend auf reine Wissensfragen. Dies gilt auch für den länderspezifischen Teil.

Nun kann man sicherlich kritisieren, dass vieles davon unsinnig ist oder auch von manchen gebürtigen Deutschen nicht beantwortet werden könnte. Warum soll ein potenzieller Neubürger zum Beispiel unbedingt wissen, welche Bedeutung der bereits abgeschaffte Feiertag am 17. Juni hatte oder dass das sogenannte Wirtschaftswunder in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stattfand? Und nicht nur an den Fragen zur Europäischen Union dürfte auch eine Mehrheit der Inländer scheitern. Oder was waren noch gleich die „Römischen Verträge"?

Sollten die künftigen Neu-Deutschen ihr Geschichtsbild und Verständnis der deutschen Kultur zudem nur aus den Vorbereitungskursen für den Einbürgerungstest beziehen, wird dieses reichlich dürftig und verengt ausfallen. Die deutsche Geschichte schrumpft in dem Fragebogen nämlich auf die Zeit des Nationalsozialismus und der Bundesrepublik beziehungsweise DDR zusammen. Ansonsten kann man noch lernen, dass Deutsche sich an Weihnachten nicht mit Kostümen verkleiden und auch keine Eier verstecken.

Dass die Fragen zum Teil schwierig sind, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass auch das Innenministerium sich nicht als ganz sattelfest erwies. So konnte eine Lokalzeitung prompt nachweisen, dass bei der Frage 288, wo man in Deutschland seinen Hund anmelden muss, keine richtige Antwort zur Auswahl stand.

Gleichwohl: Indem der Test darauf verzichtet, Haltungen zu eruieren, erfüllt er eines der Grundgebote der Demokratie, das er selbst immer wieder abfragt, nämlich: die Meinungsfreiheit. Er ist insofern besser als der baden-württembergische Gesprächsleitfaden, der allerdings trotz bundeseinheitlichem Test weiter beibehalten werden soll.

Dabei muss bereits heute jeder neue Staatsbürger ein Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung ablegen. Hinzu kommt eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz. Außerdem muss der Einbürgerungswillige seit acht Jahren in Deutschland leben, er darf keine Vorstrafen haben und er muss seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten können.

Grüne und Linke fürchten deswegen, dass der geplante Einbürgerungstest für viele im Land lebende Ausländer eine weitere Hürde sein könnte, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erwerben. „Einbürgerungstests sind das falsche Signal", sagen ihre migrationspolitischen Sprecher Josef Winkler (Grüne) und Sevim Dagdelen (Linke) übereinstimmend. Schließlich sei die Zahl der Einbürgerungen in Deutschland rückläufig. 2007 ist sie im Vergleich zum Vorjahr um 9,5 Prozent zurückgegangen, und in Europa ist Deutschland mit einer Einbürgerungsquote von 1,56 Prozent nur unteres Mittelmaß.

Derzeit leben in Deutschland sieben Millionen Menschen ohne deutschen Pass. „Das kann zum Problem werden, wenn so viele Personen von der demokratischen Teilhabe im Land ausgeschlossen bleiben", glaubt Dagdelen.

Ähnlich sieht das auch die Türkische Gemeinde in Deutschland. Ihr Vorsitzender, Kenan Kolat, forderte am Dienstag erneut, dass in Deutschland geborene Jugendliche, deren Eltern aus Nicht-EU-Ländern stammen, dauerhaft die doppelte Staatsbürgerschaft behalten können sollten. Bisher gibt es diese Möglichkeit nur für EU-Bürger oder Menschen mit einem deutschen Elternteil. Alle anderen müssen sich mit 18 Jahren für die eine oder die andere Variante entscheiden. Ihnen werde es ihnen schwergemacht, mit ihrer doppelten Identität umzugehen, fürchtet Kolat.