Rassismus endlich wirksam bekämpfen
Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniela Kolbe (Leipzig), Gabriele Fograscher, Wolfgang Gunkel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus weiterentwickeln (BT-Drs. 17/9975)
Heute gibt es an vielen Orten wieder Aktionen gegen Rassismus; denn es ist der Internationale Tag gegen Rassismus. Und die Aktionen sind auch nötig. Rassismus – das bedeutet die systematische Diskriminierung und Abwertung von Menschen, die in den Augen großer Teile der Gesellschaft anders sind als sie: weil sie eine andere Hautfarbe, Herkunft oder auch Religion haben. Rassismus verletzt nicht nur Menschenrechte, Rassismus tötet auch. Die offizielle Statistik der Bundesregierung weist seit dem Jahr 1990 63 Menschen aus, die aus rassistischen Gründen getötet wurden. Dabei liegt die Zahl der Ermordeten wesentlich höher, denn oftmals ermittelt die Polizei gar nicht nach einer rassistischen oder neonazistischen Einstellung der Täter/innen. Journalistinnen und Journalisten von Tagesspiegel und Die Zeit haben circa 150 Opfer recherchiert. Die Amadeu Antonio Stiftung listet sogar mehr als 180 Ermordete auf. Diese folgenschwere Ermittlungspraxis der Behörden ist zuletzt durch die Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) öffentlich geworden. Denn ganz in rassistischer Manier ermittelten die Behörden in den Familien der Opfer, da diese die Gründe für die Mordserie in der „Mafia- und Schutzgelderpressung" vermuteten. Die eingesetzte Sonderkommission hieß „Bosporus" und führte Ermittlungen zu „Döner-Morden". Gerade nach dem 11. September 2001 verorteten auch die deutschen Sicherheitsbehörden die Schwerstkriminalität im migrantischen bzw. muslimischen Milieu. Neun Menschen mit Migrationshintergrund wurden an verschiedenen Orten mit derselben Waffe ermordet. DIE LINKE kritisiert, dass die Sicherheitsbehörden angeblich keine rassistischen Motive erkannt haben wollen. Und das, obwohl in den Jahren zuvor bereits dutzende Menschen aus rassistischen Motiven in Deutschland ermordet worden waren. DIE LINKE fordert eine fordert rückhaltlose Aufklärung. Und das auch angesichts der Tatsache, dass bereits bevor die NSU-Nazis im Jahr 2000 zur ersten Hinrichtung schritten, 105 bzw. 125 Menschen umgebracht worden waren.
DIE LINKE fordert auch, dass Rassismus endlich als gesellschaftliches Problem erkannt, als solcher benannt und wirksam bekämpft wird. Rassismus ist Alltag in Deutschland: Abschiebeknäste, Residenzpflicht und die Isolierung von Flüchtlingen sprechen für eine gezielte Ausgrenzung. Offizielle Diskurse um das Asylrecht und integrationspolitische Themen verstärken oder legitimieren rassistische Denkmuster, wie die Diskussion um angebliche Integrationsverweigerer oder um den angeblichen Missbrauch bei der Einwanderung aus Rumänien und Bulgarien zeigt. Wer nicht davor zurückschreckt, rassistische Vorurteile zu schüren bzw. diese parteipolitisch zu nutzen, ist Wegbereiter rassistischer Gewalt. Polizei, Justiz und Geheimdienste spiegeln die gesellschaftlichen Verhältnisse wider; wie die bereits erwähnten Sonderkommissionen mit Namen wie „Aladin" oder „Bosporus", die Opfer rassistischer Gewalt unter Generalverdacht stellen oder die rassistische Bezeichnung „Döner-Morde". Auch das sog. „racial profiling" ist eine rassistische Polizeipraxis. Dabei werden Menschen insbesondere in Bahnen, an Flughäfen und auf öffentlichen Plätzen, allein aufgrund ihres Aussehens, ihrer Hautfarbe, einfach wegen ihres vermeintlichen Andersseins kontrolliert. Die Bundesregierung leugnet das Problem. Rassistische Polizeikontrollen gebe es nicht, weil das wäre ja grundgesetzwidrig, heißt es schlicht in Verleugnung der vielfach belegten konkreten Alltagserfahrungen Betroffener.
Aus Sicht der LINKEN ist die Bundesregierung weniger Teil der Lösung als eher Teil des Problems. Denn sie versagt nicht einfach nur bei der Bekämpfung des Rassismus. Sie leistet oftmals einem Klima Vorschub, in dem der tödliche Rassismus ganz im Stile des NSU möglich ist. So zum Beispiel auch durch die Art und Weise der Veröffentlichung der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland", durch die rassistische Ressentiments und Stereotype befördert wurden. Damit betätigte sich Bundesinnenminister Friedrich gerade einmal eine Woche nach der Gedenkveranstaltung am 23. Februar 2012 für die Opfer der Nazi-Mordserie schon wieder kräftig an der Stigmatisierung von Muslimen. Von der eigenen Verantwortung und Mitschuld an den Folgen einer Politik der Ausgrenzung und Diskriminierung ist seitens der Bundesregierung nie etwas zu hören. Statt Vorurteilen und Ressentiments entgegenzutreten, errichtet sie den wissenschaftlich längst widerlegten rechtspopulistischen Popanz einer angeblich verbreiteten Integrationsverweigerung immer wieder aufs Neue.
Auch aktuell will vor allem die CDU/CSU offenkundig erneut Wahlkampf auf Kosten von Migrantinnen und Migranten, insbesondere von Sinti und Roma, machen. Fakten spielen dabei auch hier mal wieder keine Rolle. Laut Rheinisch-Westfälischem Institut für Wirtschaftsforschung gehen 80 Prozent der Menschen, die seit Beginn der EU-Mitgliedschaft im Jahr 2007 aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland gekommen sind, einer Erwerbsarbeit nach. 22 Prozent von ihnen sind hochqualifiziert und 46 Prozent qualifiziert. Doch diese Wahrheit stört den Bundesinnenminister nicht. Er spricht von Sozialbetrug und einer massenhaften Armutsmigration von Migrantinnen und Migranten aus diesen beiden Ländern. Mit der Forderung nach Wiedereinreisesperren und der Verhinderung der Aufnahme von Bulgarien und Rumänien in den Schengen-Raum wird Rassismus vor allem gegen Sinti und Roma geschürt. Für das soziale Problem hat die Bundesregierung keine Lösung. Mit dem Phänomen Armut und der Verantwortung dafür will sie sich nicht auseinandersetzen. Stattdessen wird die Armut mit „kulturellen" Eigenschaften erklärt und damit dem Rassismus und Antiziganismus Tür und Tor geöffnet.
Wie schlampig, desinteressiert und fahrlässig die Bundesregierung mit dem Thema Rassismus umgeht, zeigt beispielhaft der 2008 verabschiedete Nationale Aktionsplan gegen Rassismus. Lustlos wird darin aufgeschrieben, was die Bundesregierung ohnehin tut. Besonders kritisert DIE LINKE, dass selbst noch die Integrationspolitik als ein Beitrag gegen Rassismus dargestellt wird – so als ob Rassismus eine Reaktion auf mangelnde „Integration" sei, was absurd ist. DIE LINKE fordert eine angemessene Analyse rassistischer Diskriminierung in Deutschland und in die Zukunft gerichteter Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus. Das gilt nicht allein für den Alltagsrassismus in der sogenannten Mitte der Gesellschaft, sondern insbesondere auch für den institutionellen Rassismus. Die Bekämpfung von Rassismus erfordert auch die Herstellung gleichberechtigter sozialer und politischer Teilhabe aller Menschen. Genau hier versagt die Bundesregierung; allein schon deshalb, weil ihr der entsprechende Wille fehlt. Insofern ist es an sich begrüßenswert, dass der vorliegende Antrag der Bundesregierung Handlungsmaxime bezüglich der Bekämpfung von Rassismus aufzeigt. Schade nur, dass ihre Partei – liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD – selber über Jahre faktisch untätig geblieben sind. Denn seit der Abschlusserklärung der rot-grünen Bundesregierung auf der „Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz" in Durban im Jahr 2001, ließen sie bis 2008 die Zeit mehr oder weniger ungenutzt verstreichen. Dass wir jetzt also diesen schlechten Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus haben, der durch ihre Partei mit der CDU/CSU zusammengeschustert wurde, ist auch ihr zweifelhafter Verdienst.
Trotz allem kann DIE LINKE dem Antrag selbst zustimmen. Die Grundkritik wird von uns seit Jahren geteilt: ein zu enger Rassismusbegriff, vor allem die Reduzierung des Rassismus auf den sogenannten Rechtsextremismus, keine überprüfbaren Maßnahmen, keine eigenen Initiativen der Bundesregierung. Auch die Forderungen decken sich mit den unsrigen. DIE LINKE steht für: die Erhebung des Ist-Stands und ein breiteren Rassismusbegriff, konkrete Maßnahmen, eine dem Thema adäquate Finanzierung der Maßnahmen und antirassistischen Initiativen und der Antidiskriminierungsarbeit, eine Evaluierung der Maßnahmen in kürzeren Abständen wie z.B. alle zwei Jahre sowie ein Hinterfragen der Rolle staatlicher Institutionen und Praktiken. Letzteres ist aus Sicht der LINKEN deshalb so wichtig, weil rassistische Kontrollen, Pauschalverdächtigungen und Entrechtung für viele Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten alltägliche Erfahrungen sind. Diskriminierende und ausgrenzende Gesetze und Vorschriften wie etwa das Asylbewerberleistungsgesetz, die Residenzpflicht, faktische und tatsächliche Arbeitsverbote stehen für die Bundesregierung aber nicht zur Diskussion. Problematisch ist insbesondere, dass die Bundesregierung in dem Aktionsplan die Förderung der Integration als maßgebliches Mittel zur Bekämpfung von rassistischen Vorurteilen ansieht. Die Bundesregierung verkennt dabei, dass rassistische Vorurteilsstrukturen in der Gesellschaft unabhängig von der realen Erfahrung mit Migrantinnen und Migranten vorhanden sind (so auch die Kritik von etwa 100 Nichtregierungsorganisationen der Antirassismus- und Migrationsarbeit im Positionspapier „Handlungsfelder für einen Politischen Aktionsplan gegen Rassismus" vom Juni 2010, S. 4; z. B.: http://fachinformationen. diakonie-wissen.de/node/ 2966). Anstatt die von Rassismus betroffenen Menschen dahingehend zu stärken, ihnen gleiche Rechte zu gewähren, werden sie weiter ausgegrenzt und diskriminiert. DIE LINKE fordert deshalb, dass das Kapitel zur Förderung der Integration von Migrantinnen und Migranten aus dem Aktionsplan verschwinden muss.
Keinen Widerspruch gibt es auch hinsichtlich des „Rasse"-Begriffs. Dazu hatte DIE LINKE bereits 2010 einen Antrag (Bundestagsdrucksache 17/4036) eingebracht. DIE LINKE forderte darin, dass der Begriff „Rasse" keine Aufnahme mehr findet und stattdessen die Formulierung „ethnische, soziale und territoriale Herkunft" verwendet wird.
Der bestehende Nationale Aktionsplan gegen Rassismus lässt nach wie vor konkrete, umsetzbare und messbare Ziele weitgehend vermissen. Ein kleiner Schritt in Sachen Anti-Rassismus wäre, dem Aktionsplan gegen Rassismus endlich einen konkreten Handlungscharakter zu geben. Diese Forderung auch mehrerer Verbände und Initiativen unterstützt DIE LINKE ausdrücklich.