Raus aus Mali!
Gastkommentar von Sevim Dagdelen zur Bundeswehr im „Antiterroreinsatz“ in der Tageszeitung junge Welt vom 20. August 2020:
Seit fast zehn Jahren ist die Bundeswehr in Mali präsent. Die Sicherheitslage in dem westafrikanischen Land hat sich seither nicht verbessert, sondern kontinuierlich verschlechtert. Der Einsatz an der Seite der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich war von Anfang an falsch und absehbar zum Scheitern verurteilt. Die im Januar 2013 als »Antiterroreinsatz« gegen islamistische Milizen ausgegebene Militärintervention hat das Land über die Jahre vollends ins Chaos gestürzt. Die Islamisten sind stärker und besser bewaffnet denn je. Mittlerweile werden die deutschen Soldaten von der Bevölkerung als Besatzer wahrgenommen, die westliche Militärpräsenz als Neuauflage des Kolonialismus zur Einflusssicherung in der Region gewertet. Auf Geheiß der Regierung in Bamako hat Frankreich gerade seine letzten Einheiten der Operation »Barkhane« abziehen und das Lager Gao aufgeben müssen – womit sich auch die Sicherheitslage der deutschen Soldaten dort weiter verschlechtert, die von der Bundesregierung allein aus ideologischen Gründen offensichtlich um jeden Preis dort gehalten werden sollen.
Mali dürfe das Land nicht den Russen überlassen, heißt es jetzt in Berlin. Moskau gehe es nicht um eine gute Zukunft für die Menschen, sondern um eine sehr rücksichtslose Antiterrorbekämpfung, erklärt etwa Agnieszka Brugger von den Grünen. Von der UNO dokumentierte Massaker der französischen Verbündeten – wie etwa die Bombardierung einer Hochzeitsfeier mit rund 100 Gästen im Dorf Bounte im Januar 2021 – werden dabei ausgeblendet und haben keine Konsequenzen. Bis heute hat sich die Bundesregierung nicht distanziert und Kriegsverbrechen der Franzosen nicht verurteilt.
Man kennt die Leier der Bellizisten: Kriegsverbrechen von NATO-Truppen sind – wenn sie denn publik werden – bestenfalls ein Versehen in sonst edelmütiger Mission, die Russen aber töten allein mit Vorsatz, ob auf den fruchtbaren Böden der Ukraine oder in der malischen Wüste. Die Doppelmoral der verwelkten Grünen geht weiter: Die Führung in Bamako wurde erst dann zur problematischen »Militärjunta«, als sie sich neokoloniale Bevormundung verbeten, die Souveränität des Landes behauptet und die Kooperation mit Russland gesucht hat. Die ebenfalls aus bewaffneten Staatsstreichen hervorgegangenen, demokratisch ebensowenig legitimierten Vorgängerregierungen waren dagegen noch willkommene Partner. Sie waren eben willig. Die deutschen Soldaten sind in Mali nicht willkommen, und sie leisten schon gar keinen sinnvollen Beitrag dort. Bamako hat Bundeswehr-Transportern die Überflugrechte im Land entzogen, die Truppen werden in gecharterten Privatmaschinen über den Luftraum der völkerrechtswidrig besetzt gehaltenen Westsahara ausgeflogen. Es ist höchste Zeit, die Bundeswehr aus Mali abzuziehen.
Sevim Dagdelen ist Obfrau der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag im Auswärtigen Ausschuss