Von Lateinamerika lernen statt von Europa….

Liebe Freundinnen und Freunde!

Liebe Genossinnen und Genossen!

Ich freue mich hier mit euch zusammen über Alternativen zum weltweiten Kapitalismus zu sprechen.

Oft wird Lateinamerika das europäische Modell angepriesen. Doch wie sieht die Wirklichkeit in der Europäischen Union aus?

30 Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter erhalten Niedriglöhne, die nicht einmal das Überleben sichern. Das ist mittlerweile jeder siebte Beschäftigte. Und diese Zahl ist weiter dramatisch im steigen begriffen. Insbesondere Frauen und Migranten sind von dieser Verarmung durch Arbeit betroffen. 18,9 Millionen Beschäftigte wie auch 6,9 Millionen Erwerbslose sind von absoluter Armut betroffen und ihre Zahl wächst stetig an. Die Schere zwischen Arm und Reich, zwischen Kapital und Arbeit geht immer weiter auf. Während die einen kaum noch wissen, wie sich angesichts der dramatischen Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energiepreisen über Wasser halten sollen, machen die Unternehmen Rekordgewinne.

Man führe sich nur vor Augen: Die zwanzig bestbezahlten Vorstandsvorsitzenden europäischer Unternehmen verdienen im Durchschnitt 8,5 Millionen Euro. Das ist mittlerweile das Dreihundertfache eines normalen Beschäftigten.

Ich frage euch: Soll dies das Modell für Lateinamerika werden? Das die große Mehrheit der Bevölkerung immer weiter verliert, während einige wenige gar nicht mehr wissen wohin mit ihrem Geld.
Die Antwort ist: Nein!

Und ich sage euch: Diese Entwicklung in Europa ist kein Zufall. In den Verträgen, die die Europäische Union begründen, ist der Vorrang der so genannten Grundfreiheiten des Binnenmarkts festgeschrieben. Das heißt der freie Verkehr von Kapital, Waren und Dienstleistungen hat oberste Priorität. In den jüngsten Gerichtsentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs wird selbst das Streikrecht zur Disposition der Durchsetzung dieser so genannten Freiheiten gestellt. Die Grundrechte der Bevölkerung in Europa werden mit Füßen getreten, um den neoliberalen Grundfreiheiten freie Bahn zu schaffen.

Ich sage euch, dass ist eine Rückkehr zu einem Kapitalismus, den Karl Marx vor 150 Jahren mit seinem Hinweis auf den Zusammenhang von Kapital und Verbrechen trefflich analysiert hat:
„Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf die Gefahr des Galgens."

Auch im neuen EU-Vertrag, dem Vertrag von Lissabon, sind diese Grundfreiheiten des Kapitals der Kern des europäischen Projekts. Dazu kommen jetzt noch der vertragliche Aufbau einer militärischen Streitmacht und eine Verpflichtung zur Aufrüstung der Europäischen Union hinzu. Dabei geht es einzig und allein darum weltweit militärisch zu intervenieren, um Kapitalinteressen durchzusetzen. Und so ist es denn folgerichtig, wenn es im Vertrag von Lissabon heißt: „in ihren Beziehungen zur übrigen Welt schütz und fördert die Union ihre Werte und Interessen."

Ich frage euch: Soll dies das Modell für Lateinamerika werden?

Die Antwort ist: Nein!

Dieses Modell ist doch nichts weiter als unverhohlener und erklärter Imperialismus Europas. Es ist der neue Imperialismus als gewaltförmige Durchsetzung der neoliberalen Globalisierung. Es ist ein Imperialismus der nicht unbedingt mehr auf die direkte Beherrschung setzt, der aber bereit ist, jederzeit, ob im Kosovo, im Irak oder in Afghanistan Krieg zu führen, um seine Interessen – die Interessen des Kapitals – durchzusetzen. Dabei setzt er aber nicht nur ausschließlich auf Krieg. Freihandel ist nur ein anderes Instrument, um die weltweite Ausbeutung besser organisieren zu können. Das ist auch der Hintergrund warum die Europäische Union so sehr auf den Abschluss eines Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten und anderen lateinamerikanischen Staaten setzt.

Im Rahmen der neuen Außenwirtschaftstrategie „Das globale Europa – Eine starke Partnerschaft zur Öffnung der Märkte für europäische Exporteure" will die EU-Kommission Freihandels- und Assoziierungsabkommen auch mit den lateinamerikanischen Staaten aushandeln. Um die externe Wettbewerbsfähigkeit europäischer Konzerne zu steigern, wie es treffend heißt, sollen Marktzugangsbeschränkungen und „nichttarifäre Handelshemmnisse" beseitigt werden. Die Sicherung der Rohstoffversorgung, eine stärkere Präsenz europäischer Unternehmen auf den Wachstumsmärkten, Erschließung und Liberalisierung der lukrativen Märkte für öffentliche Aufträge sowie die Durchsetzung ungehinderter Niederlassungsfreiheit sind erklärte Ziele der „Global Europe"-Strategie.

Ich frage euch: Ist dies das Modell einer solidarischen Partnerschaft Europas mit Lateinamerika?
Die Antwort ist: Nein! – das ist nichts anderes als die Fortsetzung von 500 Jahren Kolonialismus und Bevormundung mit anderen Mitteln.

Als Handlungsreisende dieser neoliberalen Strategie der EU hat sich jetzt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den Weg nach Lateinamerika gemacht. Dabei werden fast ausschließlich willfährige Staaten mit rechten Regierungen, wie in Peru, Kolumbien und Mexiko besucht. Nebenbei will Frau Merkel linken Präsidenten, wie Hugo Chavez, den Mund verbieten, wenn sie Kritik an der imperialen Strategie der EU üben. Merkel steht für eine Gesellschaft, in der die Armen immer ärmer werden und die Reichen immer reicher. Ihre Partei – Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands – wollte sich am Feldzug gegen den Irak beteiligen, hat den völkerrechtswidrigen Krieg der NATO gegen Jugoslawien an vorderster Front mitgetragen und sieht es als kein größeres Problem, wenn bei den Bombardements der NATO in Afghanistan hunderte Zivilisten getötet werden.

Geht es nach Merkels Willen, sollen die Armen Lateinamerikas noch weiter ausgeplündert werden, um die Profite des europäischen Kapitals zu steigern. Die Bodenschätze Lateinamerikas sollen zum Schleuderpreis eingesackt werden.

Der Gipfel ist: Frau Merkel möchte noch billiges Benzin aus lateinamerikanischen Naturrohstoffen zum angeblichen Klimaschutz nach Europa bringen. Gleichzeitig bedenkt man den wachsenden Hunger in der Welt durch die steigenden Nahrungsmittelpreise mit ein paar Krokodilstränen und ein wenig Hungerhilfe.

Dabei geht Frau Merkel insbesondere mit ihrem Besuch beim kolumbianischen Präsidenten Uribe förmlich über Leichen. Geradezu als Belohung des völkerrechtswidrigen Militärangriffs Uribes auf Ekuador und seiner Verstrickung in die Morde der Todesschwadronen und rechten Paramilitärs an Linken, Gewerkschaftern und Menschenrechtlern, kommt die deutsche Bundeskanzlerin nach Bogota, um dem kolumbianischen Präsidenten Absolution zu erteilen. Dies spricht Bände über ihr Verständnis von Menschenrechten. Als europäische Teilnehmerin in einem George-Bush-Ähnlichkeitswettbewerb gewänne sie wohl den ersten Preis.

Dass es Alternativen gibt zu diesem globalen gewalttätigen Kapitalismus und Imperialismus sehen wir hier in Lateinamerika. Mit ALBA ist zum ersten Mal ein solidarischer Zusammenschluss lateinamerikanischer Staaten entstanden, der eben nicht wie die EU auf der globalen Durchsetzung von Kapitalfreiheiten, Freihandel und militärischem Interventionismus beruht.
Und ich frage euch: Können wir ALBA als Alternative für Europa sehen? Ist eine Welt ohne Kapitalismus und Imperialismus nötig? Können wir von euch von eurem Widerstand lernen?

Die Antwort ist: Ja, Ja und nochmals Ja!

Por una Alternativa Bolivariana para los pueblos de Nuestra América (ALBA) y Por una Alternativa Bolivariana para los pueblos de Europa (ALBE)!

Gracias!