Rede beim bundesweiten Festival der DIDF

Hallo liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gäste!

Ich möchte Euch zunächst herzlich begrüßen. Als ich vor zweieinhalb Jahren in den Deutschen Bundestag gewählt wurde, war ich Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstands der DIDF. Ich freue mich, als ein weiterhin aktives DIDF-Mitglied zu Euch sprechen zu dürfen.

Seit der letzten Bundestagswahl sind über 30 Monate vergangen. Und wo stehen wir heute?

In Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt ist heute jeder Fünfte arm. Immer mehr arbeitende Menschen müssen Hartz IV beantragen. Die Zahl der Minijobber, Geringverdiener, 1-Euro-Jobber und Aufstocker ist sprunghaft gestiegen. Jedes achte Kind, lebt unter der Armutsgrenze. Auf der anderen Seite geht es einer Handvoll Menschen immer besser. 10 % der Bevölkerung besitzen über die Hälfte des Gesamtvermögens. Die Große Koalition hat mit der Mehrwertsteuererhöhung die Armen um 22 Milliarden Euro ärmer und mit der Unternehmenssteuerreform die Reichen um 22 Milliarden reicher gemacht. Ob Studiengebühren oder Rente mit 67 Jahren, ob Vorratsdatenspeicherung oder Afghanistan – in allen Bereichen wird eine Politik gegen die Interessen der arbeitenden Menschen verfolgt.

Dass Menschen mit Migrationshintergrund davon stärker betroffen sind, liegt auf der Hand. Armut, Arbeitslosigkeit, fehlende Bildungschancen, Privatisierungen im Gesundheitssystem und alle anderen Entscheidungen, die getroffen wurden und werden, trifft sie umso härter.

Man geht aber weiter, liebe Freundinnen und Freunde! Menschen, denen grundlegende Rechte und Teilhabemöglichkeiten verwehrt werden, werden zu Sündenböcken gemacht. Das Stichwort Integration ist zwar in aller Munde. Dass die Regierungsparteien aber Diskriminierung meinen, wenn sie von Integration sprechen, haben wir in den letzten Jahren permanent zu spüren bekommen. Den Migrantinnen und Migranten hat man gesagt: „Wenn ihr der Wirtschaft nicht nützt, dann wollen wir euch nicht!", „wir entscheiden, wer zu uns kommt", „wir entscheiden, wer eingebürgert wird". Ja sie sind selbst davor nicht zurückgeschreckt zu sagen: „Wie entscheiden, wen ihr heiratet!"

Mit dieser Politik der Bundesregierungen wird an die Migrantinnen und Migranten die klare Botschaft gesendet: „Ihr seid nicht als ein fester Bestandteil der Gesellschaft akzeptiert". Aus den Ängsten und Vorurteilen, die daraus entstehen, versuchen andere Kapital für sich zu schlagen. So versuchen z.B. nationalistische Kräfte die Menschen für sich zu gewinnen. Die Botschaft, die sie senden, ist ebenfalls klar: „Wenn die euch nicht wollen, dann kommt als Türken enger zusammen!"

Ihre Lösung, die sie anbieten, passt auch zu ihrer Losung: „Der einzige Freund des Türken ist der Türke selbst!" Der Ausgrenzung haben sie nichts anderes entgegenzusetzen als eine Abschottung. Mit ihren Medien, ihren Verbänden und allem, was sie haben, propagieren sie diesen Spaltungsgedanken. Als der türkische Präsident Erdogan im vergangenen Februar in der Köln-Arena sagte, dass „die türkische Gemeinschaft mit ihren drei Millionen Menschen in der Lage sein sollte, in der deutschen politischen Landschaft einen Einfluss auszuüben, Wirkungen zu erzielen" (Zitat Ende), hat er die offizielle Version dieser Politik vorgestellt.
Auch wenn sie das Gegenteil behaupten, sind sie dagegen, dass Menschen, die aus der Türkei stammen, sich in die Gesellschaft hier einbringen, als ihren festen Bestandteil begreifen und an den sozialen Kämpfen beteiligen. Denn sie haben Angst davor – wie es auch Erdogan formuliert hat – dass die Menschen nicht mehr als Lobbyisten für sie tätig sind.

Dies, meine lieben Freundinnen und Freunde, ist genauso gefährlich wie die deutsche Politik. So versucht man, unseren gemeinsamen Kampf zu verhindern. Und deshalb müssen wir ihr genauso entschlossen entgegentreten, wie der diskriminierenden und spalterischen Politik der Bundesregierungen!

Liebe Freundinnen und Freunde!

Wir haben in den letzten Jahren nicht nur den Abbau erkämpfter Rechte und den Sozialraub miterleben müssen. Wir konnten auch miterleben, dass immer mehr Menschen für ihre Rechte auf die Straße gingen. Opelaner und Nokianer in Bochum z.B. gingen gegen die Schließung ihrer Werke auf Barrikaden. Telekom, Siemens und AEG sind nicht Namen einiger Großkonzerne. Nein, sie stehen auch für die Kämpfe der Belegschaften dort. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und anderen Branchen haben in den letzten Monaten erfolgreiche Arbeitskämpfe geführt. Studierende gingen gegen Gebühren auf die Straßen. Dieser Druck der Straße zwang die Koalitionsparteien Themen wie Mindestlohn oder Managergehälter aufzugreifen.

Wir alle wissen, dass wir uns von ihren Täuschungsmanövern nicht blenden lassen dürfen. Wir wissen, dass wir diese Kämpfe ausbauen müssen, wenn wir unsere Rechte verteidigen uns ausbauen wollen. Sie haben uns auch eins einmal mehr bewiesen – und dies dürfen wir niemals vergessen: Die Frage der Herkunft, der Religion oder der Sprache spielt keine Rolle, wenn wir gemeinsam für unsere Interessen eintreten. Für den Nokia-Arbeiter in Bochum spielte es keine Rolle, welchen Pass seine dunkelhaarige Kollegin hat. Wenn Studierende gegen Studiengebühren, Eltern gegen Kita-Schließungen, Beschäftigte gegen Arbeitsplatzvernichtung gemeinsam kämpfen, zeigen sie, wie Integration gelingt. Migrantinnen und Migranten lassen sich nicht auf ihre Herkunft oder Religion reduzieren. Sie machen nicht mit, wenn man versucht sie zu spalten und gegeneinander auszuspielen.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gäste,

Das ist der Weg, den wir gemeinsam weitergehen müssen. Wir wissen, dass wir noch ein ganzes Stück vor uns haben. Wir wissen aber auch, dass wir ein ganz schönes Stück zurückgelegt haben. Dass DIDF auf knapp 30 Jahre zurückblicken und sagen kann, „daran haben wir mitgewirkt", erfüllt mich mit Stolz. Stellen wir uns weiterhin gemeinsam dieser Verantwortung! Treten wir gemeinsam für eine Welt ohne Ausbeutung und Kriege ein! Ob im Bundestag, im Betrieb, in der Schule oder auf der Straße, lasst uns gemeinsam rufen: Wir lassen uns nicht spalten; denn gemeinsam sind wir stark!