Regelungen hinsichtlich der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug

Mit welchen Bewertungen und Forderungen (bitte so konkret, nachvollziehbar und ausführlich wie möglich darstellen, z. B. Datum und Inhalt eines Schreibens) hat die Europäische Kommission gegenüber der Bundesregierung darauf reagiert, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 10. Juli 2014 in der Rechtssache C-138/13 so umgesetzt wurde, dass die verbotene nationale Regelung (Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug) im Grundsatz weiter auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige angewandt wird, allerdings eine Härtefallregelung durch Erlass der Exekutive eingeführt wurde (Rechtsanwalt Thomas Oberhäuser spricht von einem "evident rechtswidrigen Verhalten der Bundesregierung", ASYLMAGAZIN 10/2014, S. 327), und was entgegnet die Bundesregierung dem (bitte ausführen)?

Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Ole Schröder vom 9. Februar 2015

Die Europäische Kommission hat die Umsetzung der Entscheidung des EuGH vom 10. Juli 2014 in der Sache Dogan (C-138/13) in einem Pilotverfahren (3395/12/ELAR) überprüft.

Am 16. Juli 2014 wurde die Bundesregierung ersucht, der Kommission im Einzelnen mitzuteilen, ob und welche rechtlichen und/oder administrativen Maßnahmen vorgesehen sind, um nach der oben genannten Entscheidung die Vereinbarkeit der in § 30 des Aufenthaltsgesetzes enthaltenen Regelung mit der Stillhalteklausel des Assoziationsrechts EU–Türkei (Artikel 41 des Zusatzprotokolls) herbeizuführen. Die Bundesregierung nahm zu der Frage am 2. Oktober 2014 Stellung und wies darauf hin, dass das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern (BMI) die Entscheidung des Gerichtshofes im Wesentlichen durch zwei administrative Maßnahmen – Erlasse des Auswärtigen Amts, die für alle deutschen Auslandsvertretungen rechtlich verbindlich sind und durch ein informatorisches Schreiben des BMI an die für den Vollzug des Aufenthaltsgesetzes zuständigen Bundesländer – vorläufig in die Praxis umgesetzt haben.

Mit dem Erlass vom 11. Juli 2014 wurden alle Auslandsvertretungen angewiesen, Anträge auf Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zu türkischen Staatsangehörigen nicht allein auf Grundlage fehlender einfacher deutscher Sprachkenntnisse abzulehnen. Mit dem Erlass vom 4. August 2014, ebenfalls an alle Auslandsvertretungen gerichtet, sollten die Vorgaben des Gerichtshofes vorläufig in die Visumvergabepraxis umgesetzt werden. Die Auslandsvertretungen sind angewiesen, bei Anträgen auf Erteilung von Visa zum Ehegattennachzug zu assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen den Nachweis einfacher Kenntnisse der deutschen Sprache oder den Nachweis von härtefallbegründenden Umständen zu verlangen. Trägt der Antragsteller Umstände vor, die den Spracherwerb vor Einreise als unzumutbar erscheinen lassen, so erteilen die Auslandsvertretungen ein Visum auch ohne den Nachweis einfacher Deutschkenntnisse.

Mit Schreiben vom 20. August 2014 informierte das BMI die für den Vollzug des Aufenthaltsgesetzes zuständigen Bundesländer über die erfolgte vorläufige Umsetzung des Urteils des Gerichtshofes und sprach – da das BMI gegenüber den Bundesländern nicht weisungsbefugt ist – die Empfehlung aus, alle Inlandssachverhalte, bei denen das Vorliegen des Sprachnachweises zu prüfen ist, entsprechend der Erlasslage zu bescheiden.

Im Übrigen teilte die Bundesregierung der Europäischen Kommission mit, dass sie die Auswirkungen und Reichweite der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes noch prüfe und dabei auch untersuche, ob die Vorgaben des Gerichtshofes weitergehende Maßnahmen gesetzlicher oder administrativer Art erforderlich machen.

Am 14. Oktober 2014 stellte die Europäische Kommission weitere Fragen. Im Wesentlichen wollte die Europäische Kommission wissen, wie lange die laufende Prüfung der Auswirkungen und Reichweite der Entscheidung des EuGH durch die Bundesregierung noch andauern werde und wann eine Mitteilung über den Ausgang möglich sein würde. Weiterhin wollte die Europäische Kommission in einer zweiten Frage wissen, ob die beiden Erlasse sowie das Schreiben an die Bundesländer der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden bzw. wie Antragsteller sich über die geltende Erlasslage informieren könnten. Die Bundesregierung antwortete mit Stellungnahme vom 4. November 2014 und teilte mit, dass die Prüfung zu den Auswirkungen der Dogan-Entscheidung des EuGH noch andauere. Die Erlasse seien an alle Auslandsvertretungen übersandt worden.

Zudem habe die Bundesregierung diese im Rahmen von parlamentarischen Anfragen, Informationsersuchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, bei Bürgeranfragen (auch von in diesem Bereich tätigen Interessenvertretungen bzw. Nichtregierungsorganisationen) sowie in offenen Schreiben des BMI öffentlich gemacht. Darüber hinaus hat die Bundesregierung die Erlasse auch in Informationsmaterial, welches für Antragsteller zur Verfügung steht, eingearbeitet und die öffentlich zugänglichen Internetinformationen bei den betreffenden Auslandsvertretungen entsprechend angepasst.

Am 13. Januar 2015 teilte die Europäische Kommission mit, dass sie die Umsetzung der Dogan-Entscheidung im Erlasswege für unzureichend hält. Das Pilotverfahren wurde geschlossen und weitere Schritte (Vertragsverletzungsverfahren) vorbehalten.