Rot-Grün-Rot fordert Wahlrecht für Ausländer

Beitrag zur Integration / Anhörung im Innenausschuss Sigrid Averesch

BERLIN. Grüne, Linkspartei und SPD haben sich für ein kommunales Wahlrecht für Ausländer , die nicht aus der EU stammen, ausgesprochen. "Migranten müssen mehr Rechte erhalten", sagte Sevim Dagdelen von der Linkspartei der Berliner Zeitung. "Das Wahlrecht ist dabei zentral." Der Grünen-Politiker Josef Winker betonte: "Wer dauerhaft in Deutschland lebt, soll demokratisch mitbestimmen." Es sei höchste Zeit, dass Deutschland sein Wahlrecht ändere.

Heute findet im Bundestagsinnenausschuss zu diesem Thema eine Anhörung von Sachverständigen statt. Sowohl die Grünen wie auch die Linkspartei haben einen Antrag in den Bundestag eingebracht, das kommunale Wahlrecht für Ausländer einzuführen.Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, verwies darauf, dass in Deutschland rund 4,6 Millionen Ausländer aus Nicht-EU-Staaten leben. Die Aufenthaltsdauer betrage durchschnittlich 17 Jahre. "Diese Migranten sind von elementaren Gestaltungsmöglichkeiten ausgeschlossen", kritisierte sie.

Dagdelen beklagte zudem eine Ungleichbehandlung zwischen EU-Bürgern, die seit Mitte der 90er-Jahre in den Kommunen wählen dürfen, und Ausländern aus Nicht-EU-Staaten. "Diese Ungleichbehandlung ist unerträglich." Bereits in 16 EU-Staaten dürften Migranten in den Gemeinden wählen. Winkler, migrationspolitischer Sprecher der Grünen, hob die Verbindung zwischen Wahlrecht und Integration hervor. "Integration bedeutet Teilhabe, und Integration findet auf lokaler Ebene statt."

Auch die SPD fordert seit Jahren das kommunale Wahlrecht für Ausländer. "Demokratische Mitwirkung ist ein Menschenrecht. Das sollte nicht auf Nationalitäten beschränkt sein", sagte der SPD-Politiker Klaus-Uwe Benneter. "Wenn ausländische Bürger das aktive und passive Wahlrecht erhalten würden, könnten sie sich stärker einbringen. Das würde die Integration fördern." Allerdings sträubt sich der Koalitionspartner Union bisher gegen dieses Ansinnen. Im Koalitionsvertrag ist nur vorgesehen, dass die große Koalition diese Frage prüft.

Verhalten reagierte die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz. "Die Eröffnung des Wahlrechts für Nicht-EU-Ausländer auf kommunaler Ebene ist für die FDP-Fraktion kein Tabu", sagte Piltz. "Alle Möglichkeiten, die Integration von Migranten zu fördern, müssen geprüft werden." Die FDP sehe aber Beratungsbedarf bei der Frage einer Zersplitterung des Wahlrechts auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene.

Voraussetzung für das kommunale Wahlrecht für Ausländer ist eine Änderung des Grundgesetzes. Dazu ist eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und im Bundesrat nötig. Umstritten ist, ob das kommunale Wahlrecht verfassungsrechtlich möglich ist. 1990 hatte das Bundesverfassungsgericht dies verneint.

Im Mittelpunkt der heutigen Anhörung steht die Frage, ob nach dem Grundgesetz nur Deutsche wählen dürfen. Die Experten bewerten dies unterschiedlich. Klaus Rennert, Richter am Bundesverwaltungsgericht, argumentiert, dass die Staatsgewalt nur von Deutschen ausgeht. "Darauf beruht unsere Verfassungsordnung." Die Anträge der Grünen und Linkspartei zielten darauf, das Volk der deutschen Staatsangehörigen durch eine anders umschriebene Wählerschaft zu ersetzen.

Diese Ansicht sieht der Jurist Felix Hanschmann vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht als widerlegt an. Mittlerweile dürften EU-Bürger in den Kommunen wählen dürfen. Damit habe de facto "der Staatsvolkbegriff des Grundgesetzes eine Änderung erfahren", so Hanschmann. Der Staatsvolkbegriff habe sich quasi europäisiert. Deshalb sei die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Bürger verfassungsrechtlich möglich.