Rücknahme der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug nötiger denn je

"Es ist unverständlich, warum das Bundesverwaltungsgericht die europarechtlichen Fragen nicht dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung und Entscheidung vorgelegt hat. Und das, obwohl der Gerichtshof erst jüngst entschieden hat, dass das Europarecht einen subjektiven Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung enthält", erklärt Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag anlässlich der gestrigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach die Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug mit Verfassungs- und Europarecht vereinbar seien. Sevim Dagdelen weiter:

„Wo die EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung den Mitgliedstaaten Handlungsspielräume eröffnet, dürfen diese nicht dem Richtlinienziel einer Begünstigung des Familiennachzugs zuwider laufen. So entschied der Europäische Gerichtshof am 4. März 2010 in der Rechtssache C‑578/08 (Chakroun / Niederlande). Hiermit unvereinbar ist der lapidare Hinweis des Bundesverwaltungsgerichtes, dem in Deutschland lebenden Ehegatten sei zur Herstellung der Familieneinheit auch eine Rückreise in die Türkei zumutbar.

Nicht nachvollziehbar ist auch, dass sich das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis über die inhaltlichen Argumente und mühsam dokumentierten Einzelfälle hinwegsetzt, die die Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit der Neuregelung belegen. Statt dessen wurde offenbar unkritisch die durch nichts zu belegende Behauptung der Großen Koalition einer angeblich beabsichtigten Verhinderung von Zwangsverheiratungen und Erleichterung der Integration übernommen. Tatsächlich ist die Regelung jedoch familienfeindlich, diskriminierend und sozial selektierend. Für die Betroffenen ist sie mit einer Zwangstrennung auf unbestimmte Zeit, erheblichen Kosten und psychischen Belastungen verbunden.

DIE LINKE ist nach wie vor fest davon überzeugt, dass die Regelung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt und mit Art. 6 des Grundgesetzes unvereinbar ist. Wir werden deshalb einen Antrag zur Abschaffung dieser Regelung in den Bundestag einbringen."