Rückzug an die Saar – Lafontaine gibt Parteivorsitz ab

Rückzug an die Saar -Lafontaine gibt Parteivorsitz ab

Nach wochenlangem Schweigen von Linken-Chef Lafontaine und öffentlichem Rätselraten über seine Zukunft kündigt der Saarländer den Rückzug aus der Bundespolitik an. Spekulationen, er habe angesichts der Personalquerelen in der Partei das Handtuch geworfen, weist Lafontaine zurück. Seine Krebserkrankung sei ein "Warnschuss", den er "nicht so ohne weiteres wegstecken" könne.

Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine – eine der schillerndsten Figuren der deutschen Politik – zieht sich aus gesundheitlichen Gründen aus der Bundespolitik zurück. Der 66-Jährige gab in Berlin bekannt, dass er beim Parteitag im Mai nicht erneut als Parteichef kandidieren werde. Auch sein Bundestagsmandat werde er niederlegen, sagte Lafontaine, der sich im Dezember einer Krebsoperation unterziehen hatte müssen, nach einer Vorstandssitzung in Berlin.

Bereits nach der Bundestagswahl im Herbst 2009 hatte sich Lafontaine überraschend vom Vorsitz der Bundestagsfraktion zurückgezogen. Nun will er sich auf seine Arbeit als Fraktionschef im Saarland kümmern. "Ich werde ab und zu auch etwas zur Bundespolitik sagen", sagte er.

Machtvakuum droht

Damit braucht die Partei eine fast komplett neue Führungsriege. Auch der ins Europaparlament gewechselte Co-Vorsitzende Lothar Bisky will im Mai nicht mehr kandidieren. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der als Gegner des oft radikalen Oppositionskurses von Lafontaine gilt, hat nach Illoyalitätsvorwürfen gegen ihn angekündigt, ebenfalls nicht mehr für sein Amt anzutreten. Für die 2007 gegründete Linkspartei ist der Abgang auch deshalb eine Zäsur, weil Machtkämpfe zwischen Realos und Vertretern eines harten Oppositionskurses die Partei erschüttern.

Als mögliche Nachfolger an der Parteispitze werden der WASG- Mitbegründer Klaus Ernst und die aus Ost-Berlin stammende stellvertretende Fraktionsvorsitzenden Gesine Lötzsch gehandelt. Weder Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi noch Lafontaine wollten Namen möglicher Kandidaten nennen. "Darüber werden wir in den Gremien diskutieren", sagte Gysi lediglich. Sachsens Linke-Fraktionschef André Hahn forderte eine "offene, vor allem aber würdevolle Diskussion" um die neue Parteispitze.

"Ausschließlich" gesundheitliche Gründe

Er habe den Vorstand informiert, dass er "aus gesundheitlichen Gründen" nicht mehr für den Parteivorsitz antreten werde und auch sein Bundestagsmandat abgebe, sagte Lafontaine. Der 66-Jährige wies Spekulationen zurück, er habe angesichts der jüngsten Peronalquerelen in der Partei das Handtuch geworfen. Der parteiinterne Streit sei überzogen dargestellt worden, so Lafontaine. Er lege Wert auf die Feststellung, dass für seine Entscheidung "ausschließlich gesundheitliche Gründe" ausschlaggebend gewesen seien. Seine Krebserkrankung sei ein "Warnschuss", den er "nicht so ohne weiteres wegstecken" könne. Lafontaine erinnerte an das Attentat auf ihn bei einer Wahlkampfveranstaltung 1990 in Köln, bei dem er durch einen Messerstich schwer verletzt worden war. Zu dieser damaligen "existenziellen Krise" sei nun seine Krebserkrankung hinzugekommen.

Lafontaine kündigte an, seine Aufgaben als Parteichef bis zum Parteitag im Mai wahrzunehmen. Er werde für die Linke im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen kämpfen, "soweit die Gesundheit das zulässt". Mit Blick auf die Personalquerelen bei den Linken fügte Lafontaine hinzu, er habe die Debatten der vergangenen Wochen nicht als Machtkampf zwischen ihm und dem noch amtierenden Geschäftsführer Bartsch erlebt. Seine Entscheidung habe "mit diesem Konflikt nichts zu tun." Bartsch hatte in der vergangenen Woche nach heftigen Rivalitäten mit Lafontaine seinen Rückzug als Geschäftsführer angekündigt.

"Er ist nicht ersetzbar"

Fraktionschef Gysi sagte, der Parteivorstand müsse die Entscheidung Lafontaines respektieren. "Es ist völlig klar, er ist nicht ersetzbar." Lafontaine "war, ist und bleibt eine herausragende Figur" in der deutschen wie europäischen Politik. Gysi würdigte Lafontaines zentrale Rolle bei der Vereinigung von PDS und WASG zur Linken im Jahr 2007. Ohne Lafontaine hätte es die Linke "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit so nicht gegeben".

Lafontaine ist seit rund 40 Jahren in der Politik. Im Saarland feierte er als SPD-Ministerpräsident von 1985 bis 1998 seine größten politischen Erfolge, 1999 schmiss er den SPD-Bundesvorsitz und das gerade errungene Amt des Bundesfinanzministers hin. Später gab er auch das SPD-Parteibuch zurück und trat in die WASG ein. Seit zweieinhalb Jahren ist er zusammen mit Bisky Chef der aus Linkspartei.PDS und westdeutscher WASG entstandenen Linken.

Er führte die Partei zusammen mit Gysi zu großen Erfolgen – zuletzt bei der Bundestagswahl Ende September, als die Partei 11,9 Prozent errang und nun mit 76 Abgeordneten im Bundestag vertreten ist. Es gelang der Einzug in mehrere westdeutsche Landesparlamente, in zwölf Bundesländern ist die Linkspartei im Parlament vertreten.

Lockruf von der SPD

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft bot nach dem Rückzug Lafontaines den Mitgliedern der Linkspartei einen Wechsel in die SPD an. Dessen Rückzug sei "eine Zäsur für die Linkspartei", sagte die Spitzenkandidatin der SPD in NRW der "Bild am Sonntag". Grünen-Chefin Claudia Roth sagte dem Blatt, die Linkspartei müsse nun entscheiden, "ob sie weiter den einfachen Weg in die polternde Fundamentalopposition gehen will oder die Chance ergreift, verantwortlich Politik zu gestalten".

Die Linken-Bundestagsabgeordnete und Außenpolitikerin Sevim Dagdelen wandte sich gegen einen Kurswechsel der Partei. "Wir müssen jetzt am politischen Kurs, für den Lafontaine steht und der Grundlage für unseren Erfolg ist, festhalten", sagte Dagdelen. "Alles andere führt in die Bedeutungslosigkeit. Unsere Wählerinnen und Wähler erwarten von uns eine konsequent linke Politik und keine Koalitionen mit Hartz-IV- und Kriegsparteien auf Bundesebene."