„Seehofer hat hohes Glaubwürdigkeitsproblem“
Innenminister Horst Seehofer hat erklärt, Muslime gehörten sehr wohl zu Deutschland. Wie bewerten Sie dieses Signal?
Sevim Dagdelen: Der Innenminister hat da leider ein hohes Glaubwürdigkeitsproblem. Ich bin skeptisch, ob wirkliche Umkehr die Ursache für den Sinneswandel ist. Man wird ihn an seiner Praxis messen müssen.
Seehofer will ausländischen Einfluss auf deutsche Moscheegemeinden zurückdrängen.
Dagdelen: Es ist gut, wenn endlich der Durchgriff von autoritären Regimen und von Diktaturen auf Religionsgemeinden in Deutschland untersagt würde. Es kann nicht sein, dass staatliche Stellen in der Türkei bestimmen, was in deutschen Moscheegemeinden gepredigt wird. Religionsfreiheit darf nicht als Toleranz gegenüber einer gefährlichen Nebenaußenpolitik Erdogans und anderer islamistischer Diktaturen verstanden werden. Bisher aber gibt es leider keinerlei konkrete Initiative des deutschen Innenministers, dies zu ändern.
Was stärkt einen aufgeklärten, europäischen Islam?
Dagdelen: Aufklärung und Islam sind keine Gegensätze, dies zeigt die lange Geschichte dieser Religion. Im Gegenteil, die Wurzeln einer frühen Aufklärung, wie auch die Bewahrung des Wissens der Antike liegen im Islam. In Europa hat man aber lange den Fehler gemacht, dass man islamistische, antiaufklärerische Organisationen, die auf Ungleichheit und Ausgrenzung setzen, als privilegierte Dialogpartner aufgebaut hat, im falschen Glauben, hier etwas für die Integration zu leisten. Oder man hat sogar, wie etwa in Syrien, terroristisch-islamistische Organisationen unterstützt, weil man meinte, sie für einen Regimewechsel zu brauchen. Diese Haltung hat auch in Deutschland dazu geführt, dass fundamentalistische Strömungen gestärkt wurden, während solche, die auf gleiche Rechte und das Grundgesetz setzen, ins Hintertreffen gerieten. Das muss sich dringend ändern.
Interview: Petra Sorge
Quelle: Passauer Neue Presse