Sevim Dagdelen besuchte als erste Parlamentarierin Julian Assange in London
Sevim Dagdelen, Mitglied des Deutschen Bundestages, besuchte Julian Assange in London.
Danach erklärte sie:
„Sehr geehrte Pressevertreter,
1. zunächst möchte ich der Botschaft von Ecuador danken, dass sie mir diese Begegnung ermöglicht hat, und natürlich auch Julian Assange, dass er einem Besuch unter diesen schwierigen Bedingungen zugestimmt hat.
2. Ich habe Julian Assange die solidarischen Grüße der Linken und der Internetgemeinde in Deutschland übermittelt. Die friedliebenden und freiheitsliebenden Menschen in Deutschland und der ganzen Welt sind Herrn Assange zu Dank verpflichtet. Er hat dazu beigetragen, die Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan ans Licht zu bringen. Er hat uns die Augen dafür geöffnet, wie schmutzig und blutig diese Kriege waren und sind, und wie sehr wir von unseren Regierungen getäuscht wurden.
3. Julian Assange war sehr erfreut über meinen Besuch. Es hat mich erstaunt, dass er vor mir noch von keinem Abgeordneten besucht wurde. Ich würde es sehr begrüßen, wenn mehr Kollegen aus anderen Ländern nach London kämen und sich für eine humanitäre Lösung für diese Situation einsetzten. Wir als Parlamentarier sollten von unseren Regierungen verlangen, dass gehandelt wird. Leider hat die deutsche Regierung bislang nichts unternommen, um eine Lösung zu finden. Das habe ich gegenüber Assange bedauert.
4. Ich bin sehr froh, dass Julian Assange so optimistisch und guten Mutes ist, obwohl er sich in einer solch schwierigen Lage befindet. Wir meinen übereinstimmend, dass der Schlüssel bei der britischen und schwedischen Regierung liegt. Bekanntermaßen beschuldigen die schwedischen Strafverfolgungsbehörden Julian Assange sexueller Übergriffe. Bei ihren Ermittlungen hat die schwedische Staatsanwaltschaft sehr widersprüchlich agiert und Assange keine Gelegenheit gegeben, sein Recht auf Verteidigung wahrzunehmen.
Doch hätte eine Auslieferung an Schweden für ihn die Verhaftung zur Folge und würde damit eine Kette von Ereignissen auslösen, durch die wiederum Maßnahmen unterlaufen würden, die eine Auslieferung an andere Länder verhindern könnten; hier sind insbesondere die USA zu nennen, wo Assange eine langjährige Freiheitsstrafe oder gar die Todesstrafe erwartet.
Wenn jemand an ein Land ausgeliefert werden soll, wo ihm wegen seiner politischen Betätigung das Todesurteil droht, so reicht dies nach internationalem Recht zweifellos aus, ihm den Flüchtlingsstatus zu gewähren. Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention verbietet den Vertragsstaaten ausdrücklich, einen Flüchtling über die Grenzen von Gebieten auszuweisen oder zurückzuweisen, „in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen […] seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde."
Ich möchte deshalb der Regierung von Ecuador dafür danken, dass sie Julian Assange politisches Asyl in ihrer Botschaft gewährt hat – weil er entschlossen ist, die Rede- und Pressefreiheit zu verteidigen.
Meine Damen und Herren,
Julian Assange hat wiederholt seine Bereitschaft erklärt, zu den Vorwürfen der schwedischen Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen, wenn er von Großbritannien und Schweden die Garantie erhalte, nicht an ein Drittland ausgeliefert zu werden. Bedauerlicherweise ist die britische Regierung, trotz wiederholten Notenwechsels mit der ecuadorianischen Regierung, zu einer solchen Garantie nicht bereit. Julian Assange hat den schwedischen Justizbehörden ferner seine Bereitschaft erklärt, seine Aussagen zu den Beschuldigungen auf dem Gelände der Botschaft Ecuadors in London zu Protokoll zu geben. Dies ist eine in internationalen Beziehungen übliche Praxis in strafrechtlichen Angelegenheiten. Schweden hat dies zurückgewiesen. Die schwedische Regierung weigert sich, in irgendeiner Weise zuzusichern, Julian Assange nicht an die Vereinigten Staaten auszuliefern, ein Land, das bis zum heutigen Tage nicht einmal den Internationalen Strafgerichtshof anerkennt.
5. Ich frage die schwedische Regierung: Warum verweigern Sie Julian Assange die Garantie, ihn nicht an die USA auszuliefern? Und weshalb haben Sie sich geweigert, Assange in Großbritannien zu verhören? Mir ist wie vielen anderen bewusst, dass jeder, dem an einem fairen und rechtmäßigen Verfahren liegt, dafür Sorge tragen muss, dass Julian Assange nicht an die Vereinigten Staaten ausgeliefert wird, wo ihm dasselbe Schicksal wie Bradley Manning droht. Und ich muss sagen, dass ich um Bradley Manning und seine Gesundheit äußerst besorgt bin. Er befindet sich nach wie vor unter grausamen Bedingungen in einem Militärgefängnis in Haft. Wir können vor solchen Menschenrechtsverletzungen nicht einfach die Augen verschließen, nur weil sie von den USA begangen werden.
6. Bradley Manning wie Julian Assange haben Geschichte geschrieben und stehen damit für viele andere. Wir sind moralisch verpflichtet, Kriegsverbrechen zu verhindern und Kriegsverbrechen aufzudecken, indem wir darüber informieren. Dies haben beide Männer getan. Sie haben dafür den Friedensnobelpreis verdient, andere hingegen nicht.
7. Zu meinen nächsten Schritten in diesem Fall wird gehören, in Berlin mit britischen und schwedischen Diplomaten zu sprechen, um Lösungen für diesen Konflikt zu erörtern. Des Weiteren werde ich den Versuch unternehmen, sehr bald Bradley Manning zu besuchen. Bedauerlicherweise haben die US-Behörden meine diesbezüglichen Bemühungen bislang zurückgewiesen. Deshalb muss ich Präsident Obama Folgendes sagen: Herr Präsident, öffnen sie die Mauer. Öffnen sie die Tore des Militärgefängnisses, in dem Bradley Manning inhaftiert ist. Herr Präsident, bitte geben Sie den Menschenrechten eine Chance. Erlauben Sie mir, Bradley Manning zu besuchen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."
London, 2. September 2012
============ Press statement =============
Sevim Dagdelen, member of the German Bundestag, visited Julian Assange in London
After the meeting, member of the German Bundestag Sevim Dagdelen stated:
"Dear Members of the press,
1. First of all I want to thank the Ecuadorian embassy for making this visit possible, and of course Julian Assange for agreeing to meet me under these difficult conditions.
2. I have sent solidarity regards to Julian Assange from the left in Germany and the online community in Germany. We, as peace- and freedom-loving people in Germany and around the world are greatly indebted to Mr Assange. He helped to uncover the war crimes in Iraq and in Afghanistan. He showed us how dirty and bloody these wars were and are, and how much we have been fooled by our governments.
3. Mr Assange was very pleased about my visit. I am amazed that I am the first MP to visit him. I would like more of my colleagues from other countries to come over to London and seek a humanitarian solution to this crisis. We as parliamentarians should demand that our governments act. Unfortunately, the German government has taken no action to find a solution. I have informed Mr Assange about this deplorable fact.
4. I am very happy that Mr Assange is so optimistic and that he is in such good spirits despite facing such a difficult situation. We agreed that the key is the attitude of the British and the Swedish government. As you all know, the Swedish Prosecution Authority is accusing Mr Assange of committing sexual assault. In its investigations, the Swedish Prosecution Authority has displayed a very contradictory attitude, and has denied Mr Assange the opportunity to make full use of his right to a defence.
But extraditing Mr Assange to Sweden, which would probably involve him being taken into custody, would trigger a chain of events that would hamper pre-emptive measures to stop him being extradited to other countries, specifically the US, where Mr Assange faces long-term imprisonment or possibly even the death penalty.
Under international law, if someone faces extradition to a country where they are in danger of being sentenced to death for their political work, there is no question that this constitutes undisputed grounds for granting refugee status. Article 33 of the UN Refugee Convention explicitly prohibits Contracting States from expelling or returning a refugee in any manner whatsoever to the frontiers of territories where his life or freedom would be threatened on account of his political opinion.
I would therefore like to thank the government of Ecuador for granting Mr Assange political asylum in its embassy – on the basis of his determination to defend the freedom of speech and of the press.
Ladies and Gentlemen,
Mr Assange has repeatedly said that he is willing to give a statement on the Swedish Prosecution Authority’s allegations if he is given clear assurances by the United Kingdom and Sweden that he will not be extradited to a third country. Unfortunately, despite a repeated exchange of notes with the government of Ecuador, the United Kingdom does not wish to give any such assurances. Mr Assange has also told the Swedish judicial authorities that he is willing to record his statements regarding the charges on the premises of the Ecuadorian embassy in London. This is common practice in international relations concerning criminal law. Sweden has rejected this offer. The Swedish government has refused to give any assurances that it will not extradite Mr Assange from Sweden to the United States, a country which to this day does not even recognize the International Criminal Court.
5. I ask the Swedish government: Why are you refusing to give an assurance that Mr Assange will not be extradited to the US? And why did you refuse to question Mr Assange in the UK? For me, like for many other people, it is clear that those interested in a fair and legal trial have to ensure that Mr Assange is not extradited to the US, where he will face the same fate as Bradley Manning. And I have to say, I am extremely concerned about Bradley Manning and his health. He is still being held in a military prison under terrible conditions. We cannot just close our eyes to these kinds of human rights violations, just because they are committed in the US.
6. Bradley Manning and Julian Assange have both made history and stand for many others who have done so. We have a moral duty to prevent war crimes and to reveal war crimes by publishing information about them. Both men have done that. They truly deserve the Nobel Peace Prize. Others do not.
7. My next steps in this case will involve meeting with British and Swedish diplomats in Berlin in order to discuss a solution to the crisis. I will also try to visit Bradley Manning in the near future. Unfortunately, the US authorities have so far denied my attempts to do so. I therefore have this to say to President Obama: Mr President, open up the wall. Open up the wall of the military prison where Bradley Manning is being held. Mr President, please give human rights a chance. Please let me visit Bradley Manning.
Thank you for your attention.
London, 2 September 2012